Behandelter Abschnitt Phil 3,4-6Gal 1,13-14
Pauli Wandel im Judentum (Phil 3,4-6 und
Frei von allem Selbst- und Fleischesruhm gibt Paulus nun doch einmal ein Beispiel dafür, dass, wenn es auf das ankomme, er das besser könne und auch mit größerem Recht als irgend ein anderer. Er tut dies 1. wegen den Philippern und 2. genötigt durch seine Gegner. So lässt er jetzt einmal den Saulus von Tarsus reden, von all den Vorzügen seines Wandels im Judentum und emporsteigen auf einer Stufenleiter von sieben Stufen (Phil 3,4-6).
1. Beschnitten am achten Tage.
Die Beschneidung ist das dem Abraham von Gott gegebene Bundeszeichen
(1. Mose 17,10 und 11) und das Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens
(Römer 4,11). Nach göttlicher Anordnung musste sie am achten Tage nach
der Geburt an allen männlichen Kindern vollzogen werden. Dadurch wurden
sie in den Bund der Beschneidung aufgenommen und unter seine Satzungen
(dazu gehört auch das Gesetz) gestellt. So auch Jesus selbst (
2. Vom Geschlecht Israels.
"Israel" bezeichnet das Volk der 12 Stämme, die aus den Lenden Jakobs hervorgegangen sind. Das ist der Name, den Jakob nach dem Ausgang jenes nächtlichen Kampfes mit Gott, in dem er durch Unterliegen gesiegt hatte, empfing (1. Mose 32,28). „Israel“ heißt: Gotteskämpfer. Dieses Geschlechtes war der Saulus von Tarsus. Er war nicht Sohn einer in die jüdische Volksgemeinschaft aufgenommener Proselytenfamilie, sondern von Geburt ein echter Sohn seines Volkes. Das wirft nun ein helles Licht auf seine Erziehung, die an Gesetzesstrenge nichts zu wünschen übrig lässt und völlig frei ist von fremder Beimischung.
3. Vom Stamme Benjamin.
Benjamin hatte weder Lea, noch eine der Mägde, wie seine Brüder (außer Joseph) zur Mutter, sondern Rahel, das Weib der Liebe des Erzvaters Jakob. Er war der jüngste Sohn des Erzvaters und dessen Liebling nach dem Verlust Josephs. Der aus ihm hervorgegangene Stamm hielt stets zum Herrscherstamm Juda und vor allem auch dann, als die übrigen zehn Stämme abtrünnig wurden. Und aus ihm kam auch der erste König dieses Volkes namens Saul, dessen Namen auch Paulus vorher trug (1Sam 9,10). Benjamin ist auch der Stamm, der innerhalb seiner Grenzen die meisten heiligen Stätten hat: Bethel, Gilgal, Mizpa und sogar Jerusalem, das des großen Königs Stadt genannt wurde und innerhalb seiner Mauern den Tempel hatte. Auch diesen Ruhm konnte sicher nicht mancher Gegner des Saulus oder Paulus von Damaskus geltend machen.
4. Hebräer von Hebräern.
Als dem Stamme Benjamin zugehörig, war er ein Hebräer von Hebräern, also ein waschechter nach Rasse und Gesinnung. Das Wort "Hebräer" wird aber zum erstenmal von Abraham gebraucht (1. Mose 14,13). Nach Professor König in Bonn ist seine Bedeutung folgende: „Der, von der anderen Seite“. Abraham war nämlich von der anderen Seite des Euphrat herübergekommen auf den Ruf des Gottes der Herrlichkeit hin (Apg 7,2) und wohnte mit Isaak und Jakob in Zelten. Und inmitten eines fremden Volkes rief er den Namen des Herrn an einem Altar an, den er stets aufrichtete, wo er sein Zelt aufschlug. So konnte sich denn der Saulus von Tarsus rühmen, ein echter Sohn dieser drei Erzväter zu sein. Auch ein Ruhm, den ihm niemand streitig machen konnte.
5. Nach dem Gesetz ein Pharisäer.
Die Pharisäer waren die strengste Sekte (Apg 26,5). Dieser gehörte Saulus von Tarsus an, ja, er war sogar der Sohn eines Pharisäers (Apg 23,6). Und als solcher hatte er seine Erziehung in Jerusalem zu den Füßen Gamaliels empfangen (Apg 22,3). Diese Sekte war auch die rechtsgläubige, die an die Auferstehung der Toten glaubte und an Geister, während die Sekte der Sadduzäer beides leugnete. Diese waren die liberalen und jene die positiven Theologen. Der Saulus oder Paulus von Damaskus war demnach ein Gesetzesgelehrter ersten Ranges, dem keiner seiner Gegner das Wasser reichen konnte. Das war wiederum sein Ruhm.
6. Nach dem Eifer ein Verfolger.
Seinem Eifer nach übertraf er alle seine Zeitgenossen; denn, wenn es sich um väterliche Gesetze und Gebräuche oder um die heilige Stadt und den Tempel handelte, dann übertraf er alle an Eifer und kannte keine Grenzen und keine Rücksicht. Dann zeigte es sich besonders, dass er aus dem Stamme Benjamin stammte. "Denn Benjamin ist ein Wolf, der zerreißt", sagte Jakob am Abend seines tiefbewegten Lebens (1. Mose 49,27). Gerade der Saulus von Tarsus ist wie ein Wolf in die Herde Christi eingedrungen, die er allerdings für Verächter des Gesetzes und der Beschneidung hielt, und hat sie verfolgt und zerrissen. Das alles aber tat er, um Gott zu dienen. Las er doch in 1. Mose 17,14, dass der Unbeschnittene aus seinem Volke ausgerottet werden sollte. Später sagt Paulus: „Mir, dem Verfolger, Lästerer und Schmäher ist Barmherzigkeit und Gnade widerfahren, weil ich es in Unwissenheit und im Unglauben tat“ (1Tim 1,13).
7. Nach der Gerechtigkeit im Gesetz untadelig.
Und endlich legt Saulus von Tarsus den Maßstab des Gesetzes an sich und stellt zu seiner großen Zufriedenheit fest, dass er in all seinem Wandel im Judentum tadellos sei. Ja, selbst im Blick auf sein herzloses Vorgehen gegen die, die des Weges (das ist des Christus Jesus) waren, bleibt er dabei: „Nach dem Gesetz tadellos“. Hatte er doch gerade in diesem Falle 1. Mose 17,14 für sich. Dass das nun keine Heuchelei und keine leeren Worte waren, bezeugten ihm alle, die ihn von früher kannten (Apg 22,3; 24,14; 26,4 und ff.). So konnte sich wiederum keiner, auch keiner seiner Gegner, mit dem Saulus oder Paulus von Damaskus messen, wenn sein früherer Wandel im Judentum in Frage kam.
Zusammenfassung.
Welch eine erhabene Gestalt steht da vor unseren Augen in der Person des Saulus von Tarsus! In ihm sehen wir einen Menschen, der in eigener Kraft die steilen Stufen des Gesetzes von der Beschneidung an, bis zur Gesetzesgerechtigkeit emporgestiegen ist. Er hat es geschafft! Ist doch die Zahl 7 die Zahl der Vollkommenheit. Im Blick auf diese gewaltige Leistung gefällt er sich vor Gott, dem er ja nach seiner Meinung zu dienen glaubte. Er gefällt sich so, wie jener Pharisäer im Tempel, aber er irrt sich auch so, wie jener. Wie ernst er es auch meinen mochte, so war das alles nur Selbst- und Fleischesruhm. Gott aber widersteht den Hochmütigen und stürzt sie vom Stuhl. Denn siehe, auf der Höhe angelangt, begibt Saulus sich nach Damaskus, und daselbst stürzt ihn Gott hinab, sodass er zusammenbricht und als ein Zerbrochener dem Sinne nach wohl jene Worte ausrief: „Ich elender Mensch, wer wird mich erretten“ (Röm 7,24). Das ist das Ende des Saulus von Tarsus und der Anfang des Paulus von Damaskus, der sich nun fortan seines Herrn und dessen Kreuzes rühmte (Gal 6,14). Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn (1Kor 1,31).