Der Sieg des Glaubens
Die Erscheinung Gottes war den Blicken des Propheten entschwunden, und er blieb in einem Zustand völliger Erschöpfung zurück. Er hatte ein Gebet zum HERRN emporgesandt, und als Antwort war ein Sturm losgebrochen. Das Pfeifen des Sturmwinds, das Herniederprasseln des Regens, das Brüllen der Wogen und die Turbulenzen des Meeres erfüllten noch seine Ohren und seine Gedanken, und seine Kräfte versagten:
Ich vernahm es, und es zitterte mein Leib, bei der Stimme bebten meine Lippen; Morschheit drang in meine Gebeine, und wo ich stand, erzitterte ich; ich werde ruhen am Tag der Drangsal, wenn derjenige gegen das Volk heranzieht, der es angreifen wird (3,16).
Habakuk hatte die Stimme des EWIGEN im Sturm gehört und vielleicht begriffen, dass dem letztendlich erlösenden Eingreifen Gottes für sein Volk, das in der Erscheinung Gottes so deutlich vorgedeutet war, eine völlige Unterjochung durch die Chaldäer vorausgehen muss, deren Brutalität und Grausamkeit er ja bereits hervorgehoben hatte. Die Ereignisse hatten seine Kräfte aufgezehrt und er bebte vor emotionaler Schwäche. Seine Lippen zitterten, und ein Gefühl völliger Kraftlosigkeit kam über sein Gebein, so dass er nur noch taumelte, als er zu gehen versuchte. Ihm war klar, dass er überhaupt nichts tun konnte. Er musste still abwarten, bis die Drangsal und der von ihm gefürchtete Kummer über sein Volk hereinbrachen, sobald die chaldäischen Heere das Land überschwemmen würden. Er mag auch in die ferne Zukunft geblickt und begriffen haben, dass selbst dem großen Tag der Befreiung durch den Sohn Gottes der Schrecken und die Wehen einer Drangsal voraufgehen müssen, größer als alles, was Israel bisher erlebt hat.
Glaubenszuversicht
Denn der Feigenbaum wird nicht blühen, und kein Ertrag wird an den Reben sein; und es trügt die Frucht des Olivenbaumes, und die Getreidefelder tragen keine Speise, aus der Hürde ist verschwunden das Kleinvieh, und es ist kein Rind in den Ställen. – Ich aber will in dem HERRN frohlocken, will jubeln in dem Gott meines Heils. Der HERR, der Herr, ist meine Kraft und macht meine Füße denen der Hirschkühe gleich und lässt mich einherschreiten auf meinen Höhen. Dem Vorsänger. Mit meinem Saitenspiel (3,17‒19).
Habakuk war nicht blind für das, was die Zukunft brachte. Die Eindringlinge würden ohne Aufenthalt das Land von allem entblößen, was wert ist, mitgenommen zu werden. Sogar die Feldfrüchte, die Rinder und Schafe, standen in Gefahr, weggeschleppt zu werden. Die physischen Leiden des Volkes würden durch den Verlust ihrer materiellen Güter verschärft werden. Alles konnte verlorengehen. Unter solchen Umständen konnte man den Menschen vielleicht verzeihen, wenn sie pessimistisch gestimmt waren.
War nicht alles wertlos geworden? Doch der Glaube des Propheten erhob sich über alle zu erwartenden Schwierigkeiten. Er hatte die Größe Gottes gesehen und begriff seine allmächtige Kraft. Er hatte gelernt: Was auch immer in der Gegenwart geschehen mag, das letzte Ende steht schon fest. Wie C. A. Dinsmore in seinem Buch: The English Bible as Literature, S. 195–196, gesagt hat: „Gott erklärt nichts; aber Er gibt dem verängstigten Geist sehr wohl das Empfinden des Göttlichen, so dass die Fragen schweigen und in den Frieden der Unterwerfung übergehen. Er beantwortet nicht die Fragestellungen des Verstandes; aber dafür befriedigt Er zutiefst das Sehnen des Geistes.“
Der drohende Einfall der chaldäischen Heere würde den Untergang Judas bedeuten. Würden sie unter den ihnen auferlegten Schwierigkeiten völlig zusammenbrechen? Habakuks Botschaft war für das Volk bestimmt und nicht nur eine persönliche Erfahrung. Auch in ihrer äußersten Drangsal und Armut sollten sie sich nicht hinsetzen und ihr Schicksal beweinen. Der Prophet, als der Repräsentant seines Volkes, überwindet die Trübsale mit einem Ausruf des Glaubens. Obwohl alles dahin ist und alle irdischen Hoffnungen geschwunden sind, erklärt er, er wolle in dem HERRN frohlocken und jubeln in dem Gott seines Heils. Der Glaube hat seinen Zenit erreicht und seine ewige Ruhe am Herzen Gottes gewonnen. Über das hinaus kann es nichts geben. Gott ist die endgültige Antwort.
So wird Israel ausrufen, wenn es schließlich seine Rettung in dem mächtigen Befreier entdeckt; aber dieser Ausruf des Vertrauens sollte von den Gläubigen schon heute ausgehen. Trübsale mögen kommen, und es mag uns sogar alles genommen werden, was uns wertvoll ist; aber einer bleibt uns: Gott! In Ihm haben wir alles. Die zeitlichen Dinge sind im Vergleich zu den ewigen wertlos, und unsere Freude ist in Gott.
JAHWE Adonai, der HERR, Herr, war die Stärke des Propheten (oder vielleicht auch Burg). In seiner Kraft konnte er alle Widerstände überwinden. Wie die Gazelle würde er auf den felsigen Höhen von Felsvorsprung zu Felsvorsprung springen und auf den Gipfeln der Berge sichere Orte für seine Füße finden. Es ist, als sei er mit frischer Vitalität erfüllt worden, und er scheint von dem HERRN mit unerschöpflicher Kraft inspiriert zu sein und mit der Erneuerung seiner Jugend. Was kümmerten ihn jetzt die Erde und ihre Probleme, verglichen mit der Freude an den Hügeln Gottes? Ganz klar weist seine Weissagung auf den letztendlichen Sieg des Volkes Gottes hin. Bei ihrem Sieg werden die Berggegenden Judas wieder ihnen gehören, und ihre Feinde werden im Nichts verschwinden.
Die daraus zu ziehende Lehre ist allerdings die Allgenugsamkeit Gottes in allen Lebensumständen und die Realität des Glaubens in allen Anfeindungen anzuerkennen. Das Ende ist sicher; aber der Gläubige sollte die Zuverlässigkeit Gottes schon in der Gegenwart festhalten. Das Buch endet mit der Musiker-Widmung: „Dem Vorsänger.“ Diese Widmung kommt in den Psalm 55-mal vor, und Kirkpatrick sagt, das Wort bedeutet: „Präzeptor oder Dirigent des Tempelchores, der den Chor einstudierte und beim Gesang führte“, und dass es sich auf den Gebrauch der Psalmen im Tempel-Gottesdienst bezieht (Psalms S, XXI).
Thirtle sagt, dass das Wort lamed „Besitz in beide Richtungen“ bedeutet. Der Psalm gehört Habakuk als dem Autor, und dem Vorsänger gehört er in dem Sinn, dass er zu einem bestimmten Zweck darüber verfügt“ (ebd., S. 12). Es gibt keinen Zweifel daran, dass Habakuk 3 für die liturgischen Gottesdienste im Tempel verwendet wurde, und es ist klar bezeugt, dass es mit Saiteninstrumenten begleitet wurde.
Rückseite des Buches
Dr. Tredk. A. Tatford ist ein in vielen Ländern bekannter Konferenzredner und der Herausgeber zweier Monatszeitschriften und außerdem der Autor von fünfzig Büchern.
In seinem Erwerbsleben war er der Direktor der britischen AtomEnergie-Behörde und weithin als Spezialist des Vertragsrechts bekannt. Jetzt ist er Vorsitzender der Prophetic Witness Movement International.
Dieses Buch setzt die Auslegungen der prophetischen Bücher der Bibel fort.