Einleitung
Von allen Propheten des Alten Testamentes bezeichneten sich in der Einleitung ihrer Schriften nur drei als Propheten. Diese sind Habakuk, Haggai und Zephanja. Dass diese Bezeichnung in jedem Fall gerechtfertigt war, erfahren wir aus dem Kontext ihrer Bücher. Ganz gewiss war das auch bei Habakuk der Fall. Seine Prophetie ist einzigartig im Alten Testament. Sie ist nicht wie bei den anderen Propheten eine Botschaft Gottes an sein Volk, sondern ein Dialog zwischen Habakuk und Gott wie sie über das größte Problem der Menschheit diskutieren.
Kanonizität
Die Kanonizität des Buches Habakuk wurde noch nie angezweifelt. Sowohl bei Juden als auch bei Christen ist es als göttlich inspiriert anerkannt, und es wird sogar im Neuen Testament mehrfach zitiert (Apg 13,41; Röm 1,17; Gal 3,11; Heb 10,37).
Autor
Über den Propheten selber ist nur extrem wenig bekannt. Manche denken, dass er der Sohn der Schunemitin sein könnte, der in 2. Könige 4 von Elisa aus den Toten auferweckt wird; aber es gibt keine Beweise für diese Theorie. Diese basiert nur auf der Bedeutung des Namens Habakuk (umarmen) und den Worten Elisas zu der Schunemitin: „Um diese Zeit übers Jahr wirst du einen Sohn umarmen“ (2Kön 4,16). Andere halten ihn für den Wächter aus Jesaja 21,6, nur aus dem Grund, weil Habakuk seine Offenbarung von Gott auf dem Wachtturm erhält (2,1). Laut Ephiphanius gehörte er nach
Beit-Zakaryeh, nahe bei Hebron, und kam aus dem Stamm Simeon. Traditionell wird überliefert, dass Habakuk während Nebukadnezars Kriegszug gegen Jerusalem erst nach Ostrazine floh und von da aus in das Land der Ismaeliten reiste. Erst nach Jerusalems Untergang, , soll er zurückgekehrt sein, um zwei Jahre vor der großen Rückkehr aus dem babylonischen Exil also etwa um 538 v. Chr., zu sterben. Eusebius behauptet, dass er entweder in Gobbatha oder in Keilah begraben wurde, doch es gibt einige Zweifel darüber, ob das glaubwürdig ist.
Die wohl fantastischste Legende über diesen Propheten finden wir in der Apokryphe Bel und der Drache. Diese besagt, dass Habakkuk gerade eine Mahlzeit für die Schnitter zubereitete, als ein Engel ihm befahl, diese nach Babylon zu Daniel zu bringen, der ein zweites Mal in einer Löwengrube saß. Als der Prophet einwandte, dass er den Weg nicht kenne, schleppte ihn angeblich der Engel an den Haaren bis nach Babylon und danach wieder zurück.
Aus Habakuk 3,1.19 wurde geschlossen, dass er Mitglied des Tempelchores und somit ein Levit war. Tatsächlich war er nach einer Tradition der Sohn Josuas aus dem Stamm Levi. Sein Name wird offensichtlich von dem Wort habak abgeleitet, was so viel wie umarmen bedeutet und Sir George Adam Smith zog in Betracht, dass ihm dieser Name vielleicht bereits als Kind gegeben wurde. Martin Luther sagte: „Habakuk bedeutet jemand, der einen anderen umarmt oder in seine Arme schließt … er umarmt seine Menschen und nimmt sie in den Arm, beispielsweise tröstet er und hält zu ihnen, wie man ein weinendes Kind umarmt, um es zu beruhigen.“ Hieronymus sagt, dass er entweder wegen seiner Liebe zu dem HERRN oder weil er mit Gott gerungen hat so genannt wurde.
Es ist auch möglich, dass sich der Name des Propheten von der assyrischen Gartenpflanze hambakuku ableitet. Die Septuaginta übersetzt seinen Namen mit Ambakoum, was so viel bedeutet wie Der Vater erhebt sich.
Datierung
Die Datierung von Habakuks Buch ist sehr umstritten, und von 701 v. Chr. bis zu 170 v. Chr. wurde schon alles vorgeschlagen. Den Haupthinweis finden wir in Habakuk 1,6 in Bezug auf die Chaldäer.
C. C. Torrey, B. Duhm und andere halten das Word Chadism (Chaldäer) in diesem Vers für die Folge eines Schreibfehlers des Wortes Kittim (z.B. Zyprier oder Grieche), in welchem Fall das Buch in die Zeit Alexanders des Großen eingeordnet werden müsste.
Falls sich diese Verse allerdings auf die Chaldäer beziehen, muss die gesuchte Invasion dieselbe sein, die in Daniel 1,1 beschrieben wird und während welcher Pharao Necho von Karkemisch aus über Ägypten regierte (Jer 46,2). Daraus würde folgen, dass das Buch um 605 v. Chr. in die Regierungszeit Jojakims datiert werden muss. Die Umstände, die in Habakuk 1,2-4 beschrieben werden, passen gut in diese Zeit (Jer 22,12-19.26). Es ist außerdem von Bedeutung, dass der Tempel noch nicht zerstört war (Kap. 2,20) und der Musikdienst noch ausgeführt wurde (Kap. 3,19). Demnach müsste Habakuk ein Zeitgenosse Jeremias gewesen sein, der genau wie Zephanja und Sacharja anscheinend aus seinem Buch zitiert hat.
Stil
Das Buch unterscheidet sich von den anderen prophetischen Büchern, da es aus einem Dialog zwischen Habakuk und Gott besteht. Andere Propheten überbrachten dem Volk göttliche Botschaften oder riefen sie zur Buße und Umkehr auf. Aber Habakuk, der über Judas Leiden und über das unentschuldbare Wohlleben ihrer Unterdrücker bekümmert war, hält Gott Dessen offensichtlich inkonsequentes Verhalten vor.
Sein Stil unterscheidet sich auch sehr von anderen Propheten. Delitzsch schreibt dazu: „Er benutzt durchweg sehr seltene Wörter und Sätze, die für ihn typisch sind. Seine Erzählweise zeigt unabhängige Kraft und vollkommene Schönheit. Obwohl sein Gedankengang sehr schnell vorwärts eilt und auch die höchsten Höhen erreicht, beeinträchtigt das nicht die Klarheit oder die künstlerische Form des Buches. Wie auch Jesaja ist Habakuk viel eigenständiger als die anderen Propheten. Sein Buch spiegelt die Glanzzeit der Propheten wider.“
Pearson zeigt auf, dass er in seinem Buch alle „normalen“ Stilmittel der Propheten anwendet: Parallelsimen, Alliterationen, Hapaxlegomena, Metaphern, Vergleiche, Oxymorons, Personifikationen und viele weitere.
Inhalt
Das Buch lässt sich klar in zwei Teile aufteilen. Kapitel 1 und 2 sind ein Dialog zwischen Gott und dem Propheten und Kapitel 3 ist ein Psalm über das Kommen des Richters, der die Sünde bestrafen und sein Volk befreien wird. Man könnte es so einteilen:
Die Einleitung (1,1)
Der Dialog mit Gott (1,2–2,20)
Ungestrafte Gesetzlosigkeit (1,2–4)
Gericht durch die Chaldäer (1,5‒11)
Gottes unerklärliches Handeln (1,12‒17)
Das Schicksal der Gerechten und Ungerechten (2,1‒4)
Spottlied (2,5‒20)
Das Gebet des Propheten
Titel (3,1)
Bitte um Erbarmen (3,2)
Die Epiphanie (Gotteserscheinung) (3,3‒15)
Habakuks Glauben (3,16‒19)
Hintergrund
Der Zusammenbruch des großen assyrischen Imperiums begann mit der Niederlage und Zerstörung Ninives 612 v. Chr. durch die vereinten Streitkräfte der Babylonier und Meder. Die Nation verschwand sogar völlig nach der Niederlage des Pharao Neko gegen Nebukadnezar in Karkemisch 605 v. Chr. Drei Jahre zuvor hatte der Pharao die kleine Armee Judas besiegt und König Josia in Megiddo getötet (2Kön 23,29.30; 2Chr 35,20ff.). Er setzte den Marionettenkönig Joahas (und danach seinen Bruder Jojakim) auf Judas Thron, doch das passte den Babyloniern nicht und zwanzig Jahre lang griffen sie (oder die Chaldäer) das Land an. Jerusalem wurde schließlich 586. v. Chr. eingenommen und die Einwohner wurden verschleppt. Die von Josia durchgeführte Reformation folgte auf Manasses gottlose Regierung. Sie blieb allerdings wirkungslos. Dadurch war die Bestrafung Judas besiegelt. Und Gottes Werkzeug dafür waren die Chaldäer.
Die Chaldäer waren ein nicht-semitisches Volk (obwohl Keil damit argumentiert, dass sie von Kesed abstammen, was sie laut 1. Mose 22,22 zu einem semitischen Volk machen würde). Sie stammten von den Bergen in Kurdistan und waren ein wildes, aggressives Volk. Es gab ständig Unruhen zwischen ihnen und den Assyrern. Ukinzer, Merodak-Baladan und andere Chaldäer regierten nach einander über Babylon. Schnell wurden sie die Beherrscher des Landes und damit der damals bekannten Welt ‒ eine beeindruckende Leistung, wenn man die geringe Größe ihres eigenen Volkes bedenkt. Als Nabopolassar König wurde, legte er den Grundstein für das neue Chaldäische, also das Neue Babylonische Imperium. „In dem Neu-Babylonischen Imperium“, schreibt J. D. Davis. „waren die Chaldäer definitiv das dominierende Volk und besetzten deshalb auch alle einflussreichen Posten. Also übernahmen sie auch alle religiösen Ämter in der Hauptstadt, sodass man sie auch die Priester von Bel-Marduk nannte. Diese Priester wurden als Weise angesehen und mit Zauberern, Totenbeschwörern und Wahrsagern gleichgestellt (Dan 1,2‒4).“ Sie hatten sich von einem unbedeutenden Volk am persischen Golf bis zu den Herrschern über die ganze damals bekannte Welt hochgearbeitet. Dieses Volk wurde von Gott dazu gebraucht, sein auserwähltes Volk zu strafen.