Behandelter Abschnitt Joh 7,37-39
Aber der treue Zeuge spricht.
An dem letzten, dem großen Tag des Festes aber stand Jesus da und rief und sprach: Wenn jemand dürstet, so komme er zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Dies aber sagte er von dem Geist, den die an ihn Glaubenden empfangen sollten; denn noch war der Geist nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war (7,37–39).
Hier geht es nicht um die neue Geburt, sondern um den Heiligen Geist in der Kraft des Zeugnisses, nicht des Gottesdienstes. So unterscheidet Er sich nicht nur von Johannes 3, sondern auch von Johannes 4, obwohl Er zugleich als eine Quelle lebendigen Wassers gegeben wird, die im Gläubigen ins ewige Leben quillt, und als Ströme lebendigen Wassers, die aus ihm herausfließen, was die bereits neugeborene Seele voraussetzt. Es ist hier jedoch nicht die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn in der Kraft des Geistes, die in der Anbetung nach oben aufsteigt, sondern derselbe Geist, der sich nach außen ergießt, um das Müde und Ausgedörrte in der Wüste aus den innersten Zuneigungen des Gläubigen weitgehend zu erfrischen. Beide Bilder sind auffallend wahr, aber sie sind unterschiedlich, obwohl sie von demselben Individuum genossen werden. Sie sind die charakteristische Kraft und das Vorrecht des Christen, nicht nur das göttliche Leben, sondern dieses in der Kraft des Geistes, der im Lob zu seiner Quelle aufsteigt oder tatsächlich im Zeugnis für Christus in einem trockenen und durstigen Land ausströmt. Hier ist es der verherrlichte Mensch, der der Gegenstand ist, wie in Kapitel 4 der Sohn Gottes der Geber ist.
Auch hier gibt es den sorgfältigsten Schutz davor, als Gelehrter nur wegen der Lehre oder als Lehrer nur wegen des Materials zum Herrn zu kommen: Beides sind in göttlichen Dingen gefährliche Haltungen für einen Menschen. „Wenn jemand dürstet, so komme er zu mir und trinke!“ (V. 37). Es ist das Herz, das in seinem eigenen Bedürfnis getroffen wird, nicht Menschen, die eingeladen werden, für andere zu schöpfen, sondern für sich selbst zu trinken; und so ist es sicher und am besten, dass sie lernen, auch andere zu belehren. „Aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen“ (V. 38). So lautet das allgemeine Zeugnis der alttestamentlichen Schriften; und so stellt der Herr es noch deutlicher vor. Aber es folgt nicht nur das Kommen, sondern die Verherrlichung Jesu, die auf seinem Werk beruht. Nur dann konnten die Ströme so reichlich aus dem Inneren fließen, da die Wahrheit bereits dort war und Gott seinerseits im Kreuz vollkommen verherrlicht wurde. Der Heilige Geist konnte frei und kraftvoll wirken, unter Anerkennung des Verderbens des ersten Menschen, zur Ehre dessen, der zur Rechten Gottes ist, und in denen, die für eine kurze Zeit die Seinen in einem trockenen und durstigen Land sind, wo sonst kein Wasser ist. Aber jetzt, zu seinem Lob, den der Geist hier verherrlichen soll, wird Wasser gegeben, nicht allein die Quelle, um sich im Innern zu erfrischen, sondern Ströme, die hinausfließen. Das war den Israeliten verborgen, dazu gab es kein Vorbild. Sie tranken von Wasser aus dem zerschlagenen Felsen; und nachdem der Stab der priesterlichen Macht gesprosst hatte, musste der Felsen nur noch angesprochen werden, um reichlich zu sprudeln. Aber kein Israelit, nicht einmal Mose oder Aaron, konnte der Kanal lebendigen Wassers sein, wie jeder Gläubige es jetzt ist; und dies, es sei wiederholt, ist kein Bonus für den Christen, sondern dienst allein dem Zeugnis der Freude Gottes an Christus und der Wertschätzung seines Werkes, in dem, wie Er ist und auch wir in dieser Welt sind.
Das Fest und der Tag, an dem es gefeiert wird, sind nicht ohne tiefe Bedeutung. Es war nicht das Pfingstfest, wie man angesichts der Gabe des Geistes vermuten könnte, sondern das Laubhüttenfest. In der Tat, wenn das Fest der Wochen jemals die Epoche irgendwelcher Handlungen oder Reden unseres Herrn im vierten Evangelium war, wird es sorgfältig außer Betracht gelassen; und das, weil es eher in den Bereich des Paulus als des Johannes fällt, dessen charakteristische Wahrheit die Offenbarung Gottes und des Vaters im Menschen Christus Jesus auf der Erde ist, nicht das Haupt des Leibes in der Höhe. Es ist also nicht die Geistestaufe zu einem Leib, die hier behandelt wird, sondern die Kraft des Zeugnisses, und zwar aus dem innersten Genuss der Seele heraus, durch den Geist, der von dem verherrlichten Jesus kommt.
Wir sind noch nicht im Himmel, sondern gehen durch die Wüste. Der Tag der Herrlichkeit ist noch nicht gekommen; aber Er, der zur Sühnung gestorben ist, ist in der Herrlichkeit und sendet von dort den Geist auf uns herab, die wir hier sind, damit wir eine göttliche Verbindung mit Ihm dort haben. Was könnte dem Zeugnis solche Kraft geben? Es ist mehr als die hellste Hoffnung; denn der Geist ist eine gegenwärtige Verbindung mit Ihm, der in der Höhe ist; und doch ist da die ganze Kraft der Hoffnung, die uns vorwärts und über die uns umgebenden Umstände trägt. Denn die Herrlichkeit selbst erscheint noch nicht, obwohl Er, der sie einführen wird, schon in ihr ist, in ihrem Zentrum und in ihrer höchsten Sphäre. Seine Stunde wird kommen, wenn Er sich der Welt zeigt. Bis dahin wissen wir um das Geheimnis seiner Erhöhung und warten auf seine Offenbarung. Währenddessen haben wir den Heiligen Geist, der aus jener Herrlichkeit von Ihm herabgesandt ist, die uns die Herrlichkeit erkennen lässt, wodurch wir umso mehr die trostlose Wüste empfinden, durch die wir gehen. Dies ist nicht unsere Ruhe; die Wüste ist verunreinigt; und hier haben wir keine bleibende Stadt, sondern suchen wir die zukünftige. Aber wir warten nicht auf die Gerechtigkeit noch auf den Geist der Herrlichkeit, sondern durch den Geist im Glauben die Hoffnung der Gerechtigkeit (d. h. die Herrlichkeit Gottes). Und Er, der nicht nur in der Herrlichkeit ist, das Haupt und der Erbe aller Dinge, sondern bald kommen wird, um uns dorthin zu bringen, wo Er selbst bereits ist, gibt uns den Geist als Ströme lebendigen Wassers, um uns innerlich zu erfüllen und der sich nach außen ergießt, auch wenn die Wüste noch so ausgedörrt ist.
Ich kenne keinen stärkeren Ausdruck für die Intimität der Innewohnung des Geistes in uns im Gegensatz zu seinem Wirken in der Vergangenheit, so auch durch Heilige. Aber hier wird eine so enge Verbindung mit den Neigungen und Gedanken des inneren Menschen vorausgesetzt, wie sie für den Besitz des Geistes durch den Christen besonders charakteristisch ist, und zwar umso bemerkenswerter, als sie im Hinblick auf ein reiches Ausströmen des Zeugnisses für Christus in der Höhe geschieht. Daher konnte es kein solches Vorrecht geben, bis Jesus verherrlicht war, als Folge seiner moralischen Verherrlichung Gottes durch den Tod am Kreuz.
Die Formulierung in Vers 39, obwohl sie zunächst seltsam klingen mag, ist genau richtig und passend. Der Geist ist zweifellos eine Person, aber Er wird hier als die charakterisierende Tatsache eines noch nicht existierenden Zustandes betrachtet. Daher ist es πνεῦμα ohne den Artikel. Wiederum ist es ἦν, nicht ἐγένετο. Er begann nie zu existieren, denn sein Wesen war göttlich und ewig. Aber Er war noch nicht für den Menschen auf der Erde da. Am Pfingsttag wurde Er vom Himmel herabgesandt. Vergleiche dazu Apostelgeschichte 19,2, wo die Frage lautete: „Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, nachdem ihr gläubig wurdet?“, und die Antwort lautet: „Wir haben nicht einmal gehört, ob der Heilige Geist da ist.“ Gemeint ist nicht seine Existenz, sondern seine Taufe, von der Johannes der Täufer seinen Jüngern Zeugnis gegeben hatte.
Wir hatten also die vorwegnehmende Erklärung des Herrn über die Kraft des Geistes, die der Gläubige empfangen sollte, die er am Pfingsttag und von da an weiterhin empfing: nicht die Belebung des Ungläubigen; noch die Kraft, die sich in der Anbetung erhebt, sondern das reichliche Ausströmen aus dem inneren Menschen im Zeugnis, beides besonders charakteristisch für die Christenheit. Wie schmerzlich, dass die Christenheit sich jetzt und seit langem ungläubig und feindselig zeigt! Aber so ist es, dass Gottes Warnung in jeder kleinsten Einzelheiten beachtet werden muss. In den Händen des Menschen offenbart jede Dispensation nichts so sehr wie die Treulosigkeit gegenüber ihren eigenen besonderen Vorrechten und ihrer Verantwortung. So lehnte sich Israel nicht nur gegen das Gesetz auf, sondern verleugnete den Herrn für heidnische Eitelkeiten, und die Zurückgekehrten verwarfen sogar ihren eigenen Messias. Ist der Geist nun herabgesandt und gegenwärtig, seit Jesus verherrlicht wurde? Die Christenheit verlangte seit den apostolischen Tagen gierig nach Gesetz und Formen und stellte so den ersten Menschen wieder her, zur Verleugnung des Kreuzes auf der Erde und des zweiten Menschen im Himmel, der wiederkommen wird. Sie widersetzt sich keiner der Wahrheit so ausdrücklich wie der, die sie vor allem in Wort und Tat zu bezeugen berufen ist.
Die Worte unseres Herrn machten einen gewissen Eindruck; aber alles ist vergeblich, wenn nicht das Gewissen vor Gott erreicht wird.
Einige nun von der Volksmenge sagten, als sie diese Worte hörten: Dieser ist wahrhaftig der Prophet. Andere sagten: Dieser ist der Christus. Andere sagten: Der Christus kommt doch nicht aus Galiläa? Hat nicht die Schrift gesagt: Aus dem Geschlecht Davids und aus Bethlehem, dem Dorf, wo David war, kommt der Christus? Es entstand nun seinetwegen eine Spaltung in der Volksmenge. Einige aber von ihnen wollten ihn greifen, aber keiner legte die Hände an ihn (7,40–44).
Die Menschen fügen nicht nur zusammen, was Gott trennt, sondern trennen, was Gott zusammenfügt. Einige nannten Ihn den Propheten, andere den Christus, wie wir vom Anfang dieses Evangeliums an gesehen haben: eine Unterscheidung, die damals weit verbreitet, aber unbegründet war. Die Einwände, die der Mangel an Wissen hervorbringt, entlarven eine Unwissenheit, die die geringste gewissenhafte Untersuchung zerstreut haben muss. Aber trotz aller Hindernisse hält er an dem fest, was er als von Gott kommend erkennt, anstatt sich von einer Schwierigkeit irritieren zu lassen, die sich durch weiteres Wissen als unwirklich erwiesen hätte. Als Bartimäus hörte, dass Jesus von Nazareth in der Nähe war, versäumte er nicht zu rufen: „Sohn Davids, erbarme dich meiner“, und sein Glaube erntete sofort den Segen. Er war nicht weniger der Messias aus Bethlehem und aus dem Geschlecht Davids, weil Er der verachtete Prophet von Galiläa war. Aber der Unglaube ist blind für seine Herrlichkeit und findet in dem einzigen Zentrum der Einheit nur einen Anlass zur Spaltung. Doch wie feindselig die Menschen auch sein mochten, sie konnten Ihn nicht greifen, bis die Stunde gekommen war, in der Gott die Versöhnung in seinem Kreuz vollzog, so wenig sie es auch für möglich hielten.