Behandelter Abschnitt Joh 12,1-11
Verse 1-11. Die ernste Stunde des Todes des Herrn kam näher, und sechs Tage vor dem Passah, dessen wahres Lamm Er werden würde, kam Er nach Bethanien zurück. Welch ein wunderbares Bild entfaltet sich da vor unseren Augen! Der auferstandene Lazarus, der aus dem Totenreich zurückgekommen war, sitzt am gleichen Tisch mit Dem, der ihn zurückgebracht hatte, mit dem Sohn Gottes. Martha ist wie üblich mit Dienen beschäftigt. Durch Maria, die sich mit dem Herrn Jesus befasst, wird das sittliche Bild vervollständigt.
Maria hatte das Wort des Herrn kennen gelernt und genossen. Dieses Wort voller Liebe und Leben war in ihr Herz eingedrungen. Der Herr Jesus hatte ihr ihren geliebten Bruder zurückgegeben. Sie sah, wie der Hass der Juden gegen Den zunahm, den sie liebte und der in ihrem Herzen das Empfinden für die göttliche Liebe geweckt hatte. In dem Mass, wie sich der Hass der Juden steigerte, nahm auch ihre Liebe zum Herrn zu und gab ihr den Mut, sie auch nach aussen hin zu zeigen. In ihrer Zuneigung zu Ihm fühlte sie den Schatten des Todes über Ihm, der das Leben war. Das war ganz natürlich. Genauso empfand es auch der Herr selbst. Dies ist das einzige Mal, wo Jesus hier auf der Erde Mitgefühl fand. Der Herr beurteilt Marias Tat, die eine gefühlsmässige Frucht ihrer Zuneigung und Hingabe war, mit göttlicher Einsicht. Was sie getan hatte, hatte sie für sein Begräbnis getan. Er wusste, dass Er Weggehen würde. Maria hatte alles für Ihn ausgegeben. Für ihr Herz war Er es wert. Der Schatten seiner näher rückenden Verwerfung traf sie bereits.
Tatsächlich konzentrierte sich alles auf Ihn. Alles drehte sich um Ihn. In Ihm zeigte sich die Kraft des Lebens und die Hingabe bis in den Tod. In Maria wuchs die Liebe, die Ihn alles für ihr Herz sein liess. In Judas sehen wir den Geist der Lüge und des Verrats, in den Juden den Hass gegen das, was göttlich war, indem sie sogar Lazarus töten wollten. Unvorstellbare Bosheit und Verhärtung, die das Licht nicht haben wollte! Auf die Bemerkung von Judas bringt der Herr zum Ausdruck, dass Er um seinen baldigen Weggang von dieser Welt wusste. Doch Er tut dies mit bemerkenswerter Geduld und Sanftmut.
Diese kurze Geschichte hat einen besonderen Charakter. Sie wurde mitten in das Zeugnis, das Gott zur persönlichen Verherrlichung seines Sohnes im Augenblick seiner Verwerfung ablegen liess, eingefügt. Genau in diesem Moment und inmitten des zunehmenden Hasses der Führer des Volkes kommt diese kleine Herde zusammen. Es ist ein Zeugnis für die göttliche Macht, die einer von ihnen direkt erlebt hatte, eine Macht, die viele Juden dahin führte, an Jesus zu glauben (V 11).
Jesus muss Weggehen, Er muss sterben. Doch bevor Er stirbt, gibt es Menschen, die Zeugen der lebendig machenden Kraft des Sohnes Gottes sind und die in ihr die Herrlichkeit Gottes sehen. Sie waren Zeugen dessen, was Er in seiner Person war. Die folgenden Verse zeigen, was Er seiner Stellung nach sein wird. Es geht um das, was Ihm gehörte, aber was Er noch nicht für sich in Besitz genommen hatte und was Er gewissermassen erst nach seinem Tod in Besitz nehmen konnte.
Die ersten beiden Titel, von denen hier Zeugnis abgelegt wird, gehörten dem Herrn während seines Lebens hier auf der Erde. Der erste war mit seiner Person verbunden, war Ihm eigen. Er war der Sohn Gottes. Er war die Auferstehung und das Leben, und die kleine Gruppe, die Ihn umgab, war auf einem Grundsatz, mit dem das ewige Leben verbunden ist, um Ihn versammelt. Auf diesen Grundsatz gründet sich die christliche Stellung, was damals aber weder als Grundsatz noch als Tatsache offenbart oder gekannt war. Es geht um Christus, den Sohn Gottes, die Auferstehung und das Leben; um Ihn, der auf dem Weg des Todesschattens und seiner Verwerfung hier auf der Erde zum Vater ging.
Wir sehen hier die drei Titel von Christus wieder, denen wir bereits früher begegneten (Sohn Gottes, Sohn Davids, Sohn des Menschen). Die ersten beiden finden wir in Psalm 2. Sie wurden zu Beginn unseres Evangeliums von Nathanael anerkannt. Den dritten Titel finden wir in Psalm 8. Er wird in der Antwort, die der Erlöser Nathanael gab, wiederholt. Der einzige Unterschied zu Psalm 2 ist, dass der erste dieser Namen hier nicht nur durch das Recht der Geburt in diese Welt geltend gemacht wird, sondern als die Ausübung göttlicher Kraft, die auferweckt und lebendig macht. Was die beiden anderen Namen betrifft, werden wir ihnen, so wie sie uns in unserem Kapitel offenbart werden, weiter nachgehen (V 13.23).
Bevor wir weitergehen, möchte ich die Aufmerksamkeit nochmals auf das ernste Zusammentreffen zwischen der Macht des Todes über das menschliche Herz, über den ersten Adam einerseits, und der Kraft des göttlichen Lebens im Sohn Gottes anderseits, lenken. Diese Kraft des göttlichen Lebens findet sich in einem Menschen, der sich im Zentrum der Herrschaft des Todes befindet. Er zerstört diese Herrschaft, indem Er selbst, der das göttliche Leben in sich besitzt, sich freiwillig in den Tod gibt, um jene, die dem Tod unterworfen waren, zu befreien. Es ist offensichtlich, dass Jesus dies vor Augen hatte (vergleiche Kapitel 10,31.39; Kapitel 11,16.53.54; Kapitel 12,7). Es lastete auf seinem Geist, als Er nach Jerusalem zurückkehrte und als Er mit Martha und Maria sprach. Er musste für uns in den Tod gehen.