Behandelter Abschnitt Joh 11,1-13
Mit Kapitel 10 endet der sogenannte geschichtliche Teil des Johannes-Evangeliums. Am Anfang des 4. Kapitels lasen wir, dass der Herr Judäa verliess. Doch die Geschichte seines Dienstes in Galiläa wird uns in diesem Evangelium nicht berichtet. - Wir sehen den Herrn im Gegenteil in den Kapiteln 7 bis 9 bei den Juden in Jerusalem, wo Er ihnen das Neue bezüglich seiner Person, seines Todes und seiner Verherrlichung vorstellt. Diese Mitteilungen werden durch die Verwerfung sowohl seiner Person als auch seines Zeugnisses und seiner Werke beendet. Damit wird dann auch die Frage ihrer Verantwortung definitiv abgeschlossen. Dann sehen wir in Kapitel 10 sein gegenwärtiges Werk in Israel und das, was nach den Ratschlüssen Gottes und durch die Kraft Gottes in seiner Person darauf folgen würde. Die Kapitel 11 und 12 beinhalten das Zeugnis Gottes über den Herrn Jesus, und zwar in jeder Hinsicht, während der Mensch Ihn gleichzeitig verwirft. Dann folgt die Erklärung des Herrn, dass der Tod nötig ist, damit Er seinen Titel als Sohn des Menschen annehmen kann. Kapitel 13 betrachtet Ihn als Den, der zum Vater zurückkehrt. Das 11. Kapitel stellt uns den Herrn als den Sohn Gottes vor: Die Auferweckung und Neubelebung eines Toten bezeugen dies.
Die Krankheit und der Tod von Lazarus
Verse 1-13. Lazarus, ein Glied einer Familie, die Jesus liebte, war krank. Der Herr selbst hatte sich aus Jerusalem zurückgezogen und befand sich weit weg auf der anderen Seite des Jordan. Die Schwestern von Lazarus sandten eine Mitteilung an den Herrn, in der sie Ihm von der Krankheit ihres Bruders berichteten. Eine dieser Schwestern hatte, als Er bei ihnen zu Besuch war, sich auch zu seinen Füssen gesetzt, um Ihm zuzuhören; während die andere mit den Angelegenheiten des Haushalts beschäftigt gewesen war und sich beklagt hatte, dass ihre Schwester sie im Stich gelassen habe.
Als nun Jesus die Nachricht hörte, sagte Er: «Diese Krankheit ist nicht zum Tod, sondern um der Herrlichkeit Gottes willen, damit der Sohn Gottes durch sie verherrlicht werde.» Er blieb noch zwei Tage an dem Ort, wo Er war. Dann sagte Er zu seinen Jüngern: «Lasst uns wieder nach Judäa gehen!» Die Jünger entgegneten Ihm, dass die Juden eben erst versucht hatten, Ihn zu töten. Die Antwort des Herrn offenbart uns den Grundsatz, der sein ganzes Handeln bestimmte. Während dieser zwei Tage hatte Er von seinem Vater keine Anweisung bekommen, nach Bethanien zu gehen. Trotz seiner Zuneigung zu dieser Familie, woran Ihn die beiden Schwestern auch erinnerten, blieb Er ruhig dort, wo Er war. Doch nachdem sich Ihm der Wille des Vaters offenbart hatte, ging Er ohne Zögern zurück an den gefährlichen Ort, den Er verlassen hatte. Das Licht des Tages, das Licht des Willens seines Vaters, schien auf seinen Weg. Und auf diesem Weg wandelte Er allezeit.
Nach diesem sagte der Herr zu seinen Jüngern: «Lazarus, unser Freund, ist eingeschlafen; aber ich gehe hin, um ihn aufzuwecken.» Er, der in sich selbst die Macht der Auferstehung und des Lebens hatte, redete so, weil der Tod in seinen Augen den Charakter des Schlafs trug. Die Apostel wandten seine Worte buchstäblich auf den natürlichen Schlaf an, worauf Er es ihnen erklärte.
Wie vieles beschäftigte das Herz von Jesus, das Er nicht äusserte! Für seinen Wandel war der Wille seines Vaters genug, und Er hatte das Unterscheidungsvermögen für diesen Willen. Doch vor seinen Augen stand
sein eigener Tod;
die Herrschaft des Todes über den Menschen;
die Kraft des Lebens in Ihm selbst;
die Herrlichkeit Gottes, die sich in der Auswirkung dieser Kraft offenbarte;
die Tatsache, dass Er der Sohn Gottes war, in dem die Auferstehung und das Leben gekommen waren;
die Wege Gottes, die Ihn dorthin zurückbrachten, wo Ihn tatsächlich der Tod erwartete;
die Zuneigung zur Familie des Verstorbenen, die, obwohl sie echt war, sein Warten auf den Willen Gottes keinen Augenblick in Frage stellte;
seine Einsamkeit - denn die Jünger verstanden Ihn nicht;
die gewaltigen Folgen dieser Reise: die Herrschaft des Todes über den Menschen, die Anwesenheit der Auferstehung und des Lebens, sowie die Tatsache, dass sich Der, der sowohl die Auferstehung als auch das Leben in sich vereinte, dem Menschen zuliebe dem Tod unterwarf.
Alles dieses lastete auf dem Geist des Erlösers, der inmitten dieser Welt ganz allein war! Doch für Ihn genügte der Wille seines Vaters, um seinen Pfad zu erleuchten. Er brauchte nur dies. Welch unschätzbare Belehrung für uns und unsere schwachen Herzen, die doch die göttliche Kraft auf diesem Weg zur Seite haben, so dass wir nicht straucheln müssen! Unser geliebter Erlöser versagte darin niemals, weder im Leben noch im Tod. Er führte ein verborgenes Leben mit seinem Vater, ein Leben, das sich in Gehorsam und vollkommener Liebe zu Ihm äusserte. Dies bildete die Grundlage für sein Leben in einer Umgebung, wo Hass und Tod herrschten. Dieser Weg führte schliesslich zu dem Ziel, das Er selbst anstrebte, nämlich vollkommener Gehorsam seinem Vater gegenüber und dessen uneingeschränkte Verherrlichung. Oh, möchten wir doch Ihm folgen! Und wenn es auch mit Abstand geschieht, möchte es doch so sein, dass Er es ist, dem wir folgen! Möchten wir in seinen Fussstapfen wandeln, mit einer inneren Haltung, die auf Ihn schaut, im Gehorsam und indem wir das suchen, was Er will.