Behandelter Abschnitt Jona 1,1-17
Einleitung
Mehr als Jona
Das Buch Jona ist ein kleines Buch, aber von großer Bedeutung. Es ist keine Allegorie auf mythischer Grundlage, wie zum Beispiel die Sage von Herkules und dem Seeungeheuer – wir haben hier „Worte der Wahrheit“. Es ist keine Geschichte, die ausgedacht wurde, um uns nützliche und wichtige Lehren zu vermitteln. Es ist alles genau so geschehen, wie es uns hier mit einem hohen und herrlichen Zweck von Gott mitgeteilt wird.
Wir alle, die wir an die Inspiration der Heiligen Schrift glauben, zweifeln auch keinen Augenblick an der Wahrheit der Geschichte von Jona. Wir sind überzeugt, dass sich alles genau so ereignet hat, wie es uns vom göttlichen Schreiber erzählt wird. Im Grunde genommen ist auch weniger Glaube nötig, diese einfache, kurzgefasste Geschichte als echt anzusehen, als den zahllosen Hypothesen zu glauben, die aufgestellt wurden, um dem Buch Jona seine übernatürliche Kraft zu nehmen.
Allen, die zweifelnd fragen: „Können sich denn diese wunderbaren, seltsamen Dinge wirklich ereignet haben?“ antworten wir: „Sehen wir nicht täglich, sei es in einer Familie oder bei einer einzelnen Person, wunderbare und seltsame Dinge geschehen? Und ist Gott nicht der Gott, der Wunder tut, dem nichts unmöglich ist?“
Wir dürfen annehmen, dass Jona selbst der Schreiber des Buches gewesen ist. „Und das Wort des Herrn erging an Jona . . . “, lesen wir im Anfang. Wir gewinnen hier den Eindruck, dass Jona die Gedanken, die ihn erfüllten – Gedanken, die Gott ihm eingegeben hat – als Prophet selbst aufschrieb, um sie für alle Zeiten in diesem Buch niederzulegen. Wie David es in einigen seiner Psalmen tut, so hat sich hier auch Jona nicht gescheut, seine Fehler und Schwächen, die verkehrte Gesinnung seines Herzens, frei und offen zu schildern.
Jona wagt es wiederholt, Gott zu widersprechen, aber am Schluss seiner Geschichte lässt er Gott das letzte Wort. Sein Schweigen dort ist ausdrucksvoller als ganze Bücher.
Nach dem Bericht eines Assyrers gibt es in Assyrien, dessen Hauptstadt Ninive war (1Mo 10,11), noch immer einen Platz, der das „Grab Jonas“ genannt wird. Der Volksmund hat hier seiner Überzeugung Ausdruck gegeben, dass Jona wirklich gelebt hat.
Jona wird in Kapitel 1 Sohn Amittais genannt. Dieser Zusatz macht uns aufmerksam auf 2. Könige 14, wo wir auch einen Jona finden, Sohn des Amittai, von dem gesagt wird, dass er der Prophet aus Gat-Hepher war. Wir können als sicher annehmen, dass es derselbe Mann ist, der hier erwähnt wird. Merkwürdig ist, was uns von ihm gesagt wird: „Er (Jerobeam II.) stellte die Grenze Israels wieder her, vom Eingang Hamats bis an das Meer der Ebene, nach dem Wort des Herrn, des Gottes Israels, das er geredet hatte durch seinen Knecht Jona, den Sohn Amittais, den Propheten, der von Gat-Hepher war.
Denn der Herr sah, dass das Elend Israels sehr bitter war und . . . dass kein Helfer da war für Israel. Und der Herr hatte nicht gesagt, dass er den Namen Israels austilgen würde unter dem Himmel weg; und so rettete er sie durch die Hand Jerobeams, des Sohnes des Joas“ (2Kön 14,25-27).
Der Prophet Jona, von dem das Buch Jona spricht, hat als Prophet des Zehnstämmereichs die Wiederherstellung Israels prophezeit. Der Herr würde sich über das Volk, das keinen Helfer hatte, wieder erbarmen. Unter der Regierung Jerobeams II. wurde dieses Wort Jonas erfüllt. Reiche Segnungen werden den zehn Stämmen zuteil. Jona muss es als einen schönen Auftrag empfunden haben, die Wiederherstellung seines geliebten Volkes ankündigen zu dürfen. Er tat dies in der glücklichen Gewissheit, dass seine Prophezeiung in Erfüllung gehen würde. Wir sehen also auch aus der Geschichte Israels, die in den Büchern der Könige aufgezeichnet wurde, dass der Jona, von dem das Buch spricht, wirklich ein bekannter Prophet gewesen ist.
Der Sohn Gottes selbst hat mehr als einmal über Jona gesprochen. Daran erkennen wir, dass Jona keine sagenhafte Gestalt und sein Buch keine dichterische Phantasie ist, sondern dass der Mann, der diesen Namen trug, tatsächlich existiert und seine Geschichte sich so abgespielt hat, wie sie uns sein Buch in kurzen Zügen vor Augen stellt.
Der Herr Jesus redete über ihn als über einen Propheten, der wirklich gelebt und die im Buch Jona erzählten Erlebnisse durchgemacht hat. An drei Stellen in den Evangelien (Mt 12,38-41; 16,4; Lk 11,29-32) finden wir Hinweise auf die großen Erlebnisse Jonas. Daraus geht deutlich hervor, dass die zwei wichtigsten Vorfälle, die immer wieder durch Ungläubige angezweifelt werden, durch den Herrn Jesus bestätigt werden: 1. dass Jona im Bauch des großen Fisches gewesen ist; 2. dass er in Ninive war und dort mit großem Erfolg gepredigt hat.
Kein Wort wird von dem treuen Meister über Jonas Untreue gesagt. Er spricht nur über das Gute. Jona war ein Zeichen, denn er war wie einer, der von den Toten auferstanden ist. Und er predigte mit vollem Erfolg, auf sein Wort hin bekehrten sich die Männer von Ninive. Der Herr Jesus erwähnt diese Tatsachen, um den Juden ihre Verderbtheit zu zeigen, denn während die Heiden auf Jona hörten, verwarfen die Juden den Einen, der mehr ist als Jona.
Wenn also Christus selbst das Buch Jona in allem als Gottes Wort anerkennt und daraus Stellen zur Warnung für das Volk Israel in seinen Tagen benutzt und sogar noch die Geschichte von „Jona im Bauch des Fisches“, von der viele meinen, dass man unmöglich an sie glauben könne, als Tatsache ausspricht, dürfen wir es dann auch nur einen Augenblick wagen, an der Wirklichkeit zu zweifeln? Wer sich dessen schuldig macht, wird es vor dem Richterstuhl Christi zu verantworten haben.
Das Buch Jona ist historisch, und Jona war ein Prophet des Herrn.
Wenn wir nun auf das, was uns dieses Buch mitteilt, hören wollen, so hören wir auf den Einen, der mehr ist als Jona. Gott selbst spricht darin zu uns durch seinen Geist, und es ist der Geist Christi, der uns in diesem wunderbaren Buch begegnet.
Jona ist, soweit wir wissen, der einzige Prophet, der einen bestimmten Auftrag für die Heiden bekommen hatte. Alle Propheten wirkten in Juda oder Israel, überschritten wohl auch zuweilen die Grenzen Israels und beschäftigten sich dort mit einzelnen Personen, aber ihre Verkündigung war nicht direkt für die Heiden bestimmt. Hier nun finden wir einen Mann aus Israel, den der Herr selbst in eine große heidnische Stadt gesandt hat. Er sollte dort das Wort Gottes in aller Strenge und allem Ernst verkündigen, um ihnen schließlich – Jona selbst hat das sehr gut begriffen – wenn sie auf ihn hören sollten, im Namen des Herrn Vergebung anzubieten. Es war also eine frohe Botschaft für die Völker.
Wie wird Jona selbst, wenn er sich später tiefer in die Gedanken Gottes versenkte, die er unter der Leitung seines Geistes niederschrieb, davon ergriffen worden sein! Welch einen ernsten Weg musste Gott mit ihm gehen! Welch ein Gott der Rettung ist dieser Gott Israels!
Das Buch Jona ist ein besonderes prophetisches Buch, ganz anders als die übrigen. Es gehört zu den zwölf kleinen Propheten, aber in keinem der anderen Bücher finden wir fast ausschließlich die Geschichte des betreffenden Propheten. Wir hören lediglich von dem, was Gott ihnen gab, um anderen zu predigen.
In einem geschichtlichen Buch finden wir den Lebensweg einer oder mehrerer Personen beschrieben, ihre Fehler, ihre guten Seiten; nicht so in den prophetischen Büchern. Wir können wohl hier und da – zum Beispiel in Jesaja, Jeremia, Hesekiel und den kleinen Propheten – aus manchen Stellen folgern, welches Lebensalter die Propheten hatten, zu welchem Stand sie gehörten, welcher Arbeit sie nachgingen. Aber ihre Geschichte ist uns darin nicht so mitgeteilt wie bei Jona. Und doch ist sein Buch kein geschichtliches, sondern ein prophetisches Buch, das mit in die Zahl der prophetischen Bücher eingereiht wurde. Warum? Ist es, weil es eine Prophezeiung enthält, die nicht erfüllt wurde, als Ninive auf Jona hörte und sich bekehrte? Nein, weil die Geschichte Jonas, die uns in diesem Buch mitgeteilt wird, eine Prophezeiung ist.
Hier wollen wir einen Augenblick stillstehen, bevor wir das Buch kapitelweise betrachten.
Das ganze Buch Jona mit all seinem Geschehen ist Prophezeiung und zwar sowohl in Bezug auf das Volk Israel als auch auf Christus.
Betrachten wir zuerst das Buch Jona als Prophezeiung über Israel. An dem großen Versöhnungstag lesen die Juden merkwürdigerweise das Buch Jona. Ein Christ fragte einst einen Rabbiner nach dem Sinn dieses Brauches, der, weil es ein Bekenntnis war, leise entgegnete: „Wir sind Jona“.
Das Buch Jona schildert uns Israel als das auserkorene Volk, das zum Segen der Heiden ein Prophet des Herrn hätte sein sollen. Jona bedeutet Taube. Als ein Bote des Friedens hätte Israel seiner Aufgabe entsprechen sollen. Es hätte überall auf den unruhigen Wassern der Welt von dem Frieden, der nur in Gott, in dem Herrn, dem Ewig Treuen, zu finden ist, sprechen sollen. Aber das Volk hat dies nicht gewollt. Es hat sich der Gnade Gottes und seinen Gedanken der Liebe widersetzt und ist ungehorsam gewesen. Es ist von dem Angesicht des Herrn hinweggeflohen und bezahlte „sein Fahrgeld“ (Jona 1,3), überzeugt, das den Umständen entsprechend Richtige getan zu haben. Nun konnte es sich ausstrecken, sich ruhig niederlegen, wie Jona, der mitten im Sturm geschlafen hat.
Als aber Israel von dem Angesicht Jahwes hinwegfloh, fort von Gott, und die Botschaft, die Gott ihm aufgetragen hatte, nicht ausrichtete, kam es ins Meer, in das unruhige Meer der Völker.
Das Schiff, das nach Westen fuhr, stellt die Heiden, die Nationen dar, und das Meer sind die Völker, in die Israel wie ein Ausgestoßener geworfen ist. Wir lesen nun in der Geschichte Jonas, dass, als der große Sturm aufkam und das Schiff zu zerbrechen drohte, die Schiffsleute voll Furcht zu ihren Göttern riefen. Schließlich wandten sie sich jedoch an den wahren Gott. Sie opferten Ihm und taten feierliche Gelübde. Und Gott erbarmte sich über die Heiden, während Israel verstoßen ist.
Wie kostbar stellt uns Paulus diese Tatsache in Römer 11 vor Augen. Gott kann Böses in Gutes verwandeln. Eigentlich hätte das Schiff mit seiner Mannschaft wegen Jonas Untreue umkommen müssen. Doch das stimmte, wie uns diese Geschichte zeigt, mit Gottes Gnadenabsichten nicht überein. Gleicherweise hätte die ganze Welt wegen Israels Untreue umkommen müssen. Aber Gott ist ein Gott der Gnade. Obwohl Er das Böse verurteilt, will Er sich doch wieder über sein Volk erbarmen. In seiner Gerechtigkeit setzt Er Israel für eine Zeit zur Seite, aber nicht für immer, wie uns die weitere Geschichte Jonas beweist. Inzwischen aber empfangen die Völker die Segnungen des Erlösers der Welt, von dem Jona im Fisch ein so deutliches Vorbild ist.
Von Herzen stimmen wir mit dem überein, was Pastor J. G. Kunst einmal über Jona im Sturm und Jona im Fisch schrieb: „Israel war Gottes Volk. Aber es tötete die Propheten und steinigte die von Gott zu ihm gesandt waren und blieb verstockt in seiner Abgötterei. Darum musste seine Verwerfung als Volk Gottes kommen. Israels Gott suchte nun die Heiden. Im Sturm beteten die heidnischen Schiffsleute, während Jona in falscher Ruhe schlief. So wird es mit Israel gehen. Die Heiden kommen und fragen nach der Rettung des Herrn, während Israel in Verstockung verharrt.
Die Schiffsleute gerettet, Jona hinausgeworfen: das zeigt uns an, dass das Hinwenden Gottes zu den Heiden die Verwerfung Israels sein wird. Dabei muss ein Opfer gebracht werden. Jona ins Meer geworfen, zum Opfer gebracht für die Rettung der Seeleute, weist hin auf das eine Opfer, das die Rettung der Welt bedeutet.“Aber Jona, ein Bild des Opfers Christi, was wir später näher betrachten wollen, ist zunächst ein Bild von Israel, das während der Gnadenzeit der Völker unter die Nationen zerstreut ist. Geistig und national befindet sich Israel seit seiner Verwerfung wie in einem Grab. Das Grab sind die Völker.
Indessen reden die Propheten aber auch davon, dass Israel einmal in ferner Zukunft wieder aufleben wird. „Deine Toten werden aufleben, meine Leichen wieder aufstehen . . . die Erde wird die Schatten herausgeben“ (Jes 26,19). Drei Tage und Nächte war Jona im Innern des Fisches und wurde dann auf das Land ausgeworfen. Das sagt uns, dass Israel nach einer Zeit der Züchtigung und Drangsal zur Einkehr kommen wird. Der dritte Tag, der Tag der Auferstehung, wird für Gottes Volk anbrechen (Hos 6,1-3).
Wie schon gesagt: Israel hatte sich verhärtet, es wollte nicht hören und musste umkommen. Bald aber wird ein treuer Überrest sich wieder zu Gott wenden. Der gläubige Prophet ist hiervon ein Vorbild. Zu jeder Zeit gab es einen treuen Überrest für Gott. Und so wird es auch in der Zukunft sein.
Sacharja prophezeit in Kapitel 12 über Jerusalem und Juda, dass es in tiefer Reue seine Schuld bekennen wird, und in Hesekiel wird an verschiedenen Stellen die Wiederherstellung der zehn Stämme angekündigt.
Wenn jener Rabbiner sagte: „Wir sind Jona“, dann ist das nicht allein wahr in Bezug auf die Verwerfung, sondern auch auf die Wiederherstellung Israels (Röm 11,21-27). Jona ist sowohl ein Bild des untreuen Volkes als auch des treuen Überrests, der sich in der Bedrängnis zu Gott wenden wird. Zu Gottes Zeit wird der Überrest wieder erscheinen zum Segen für die Völker.
Im Bauch des Fisches, im Grab der Völker, wird Gott dieses Werk bewirken. Auf Grund des Opfers Christi, von dem Jona ein Vorbild ist, wird auch ihnen die Seligkeit geschenkt. Ganz Israel wird also gerettet werden, weil in der Zwischenzeit die Völker, mit denen sich Gott beschäftigte, ihrerseits das Heil verwarfen und dadurch wieder zur Seite gesetzt werden (Röm 11,15.21.22). Ganz Israel bedeutet den gläubigen Überrest, also das Volk, das übrigbleibt, nachdem der übergroße, ungläubige Teil Israels von Gott verworfen wurde und umgekommen ist. Nachdem sie durch Gott in der großen Drangsal unterwiesen worden sind, sollen sie gerettet werden. Und nicht das allein, sie werden ihre Füße auf das Trockene setzen, um als Friedensboten zu den Heiden zu gehen, um diesen das Wort Gottes zu bringen. Sie werden das ewige Evangelium verkündigen und den Menschen sagen, dass die Stunde des Gerichts gekommen ist und man den anbeten muss, der Himmel und Erde gemacht hat (Off 14,6.7).
In der Prophezeiung Sacharjas (Kap. 8,20–22) wird diese zukünftige Berufung Israels sehr schön beschrieben. Zuerst wird angezeigt, dass Gott Juda, das jetzt ein Fluch der Völker ist, zum Segen für alle Nationen gebrauchen wird.
Danach fährt der Prophet fort: „So spricht der Herr der Heerscharen: Noch wird es geschehen, dass Völker und Bewohner vieler Städte kommen werden; und die Bewohner der einen werden zur anderen gehen und sagen:,Lasst uns doch hingehen, um den Herrn anzuflehen und den Herrn der Heerscharen zu suchen.‘-,Auch ich will gehen!‘ Und viele Völker und mächtige Nationen werden kommen, um den Herrn der Heerscharen in Jerusalem zu suchen und den Herrn anzuflehen.“
Dass Gott mit Israel ist, wird dann so klar sein, dass aus allerlei Nationen zehn Männer den Rock eines jüdischen Mannes ergreifen und sagen werden: „Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist“ (Sach 8,23). Es wird dann so sein, wie in Johannes 21 geschrieben steht, dass das Netz nicht reißen wird, wenn es zu des Herrn Zeit auf die rechte Seite ausgeworfen wird, sondern es wird viele große Fische fassen. Jetzt reißt das Netz noch, wie wir in Lukas 5 lesen. Aber wenn der Herr Jesus einmal die bekehrten Juden gebrauchen wird, um überall das Evangelium verkündigen zu lassen, dann werden alle noch auf der Erde übriggebliebenen Nationen im Netz gefangen werden und Gott und seine Rettung finden.
Betrachten wir nun das Buch Jona als Prophezeiung über Christus. Wie herrlich und groß wird uns dann dieses Buch! Jesus war der treue Diener Gottes. Aber obwohl Er kam, um den Willen Gottes zu erfüllen, und obwohl Er dieser Aufgabe auch in allen Dingen gerecht wurde, musste Er ins Grab und blieb drei Tage und Nächte darin. Doch wenn der Herr Jesus durch das Buch Jona vor unsere Augen tritt, möchte ich erst einige Unterschiede zwischen Ihm und dem Sohn Amittais hervorheben. Denn obwohl es wahr ist, dass Jona prophetisch ein Vorbild des Herrn ist, so besteht doch ein gewaltiger Unterschied zwischen beiden und der Art ihrer Sendung.
Jona hatte eine Botschaft des Gerichts jedoch wollte Gott, wenn die Niniviten Buße täten, das Gericht unausgeführt lassen. Jesus hatte eine Botschaft zur Seligkeit. Er sagte selbst, dass Gott Ihn nicht gesandt habe, damit Er die Welt richte, sondern damit die Welt durch Ihn errettet werde.
Jona kam, um gegen die Stadt Ninive zu predigen. Jesus kam, um alle Mühseligen und Beladenen zu sich zu rufen und ihnen Ruhe zu schenken.
Jona war ungehorsam, als er Gottes Auftrag empfing. Jesus hat stets das getan, was Gott wohlgefällig war.
Jona wurde unwillig, wenn er an den Segen dachte, den das heidnische Ninive durch seine Umkehr empfangen sollte. Er wollte den Segen für Israel allein, für sein eigenes Volk, das er für bevorzugt hielt, als ob es besser wäre als andere Völker.
Mit einem Herzen voll brennender Liebe verlangte Jesus nach den Verlorenen, ob sie nun aus Israel oder den Nationen waren. Wegen einer Samariterin machte Er eine ermüdende Reise, und Er blieb unter den Samaritern, obwohl sie Ihn verächtlich behandelten und nicht aufnehmen wollten, bis sie erkennen mussten, dass Er der Erlöser der Welt war.
Jona schlief den Schlaf eines Verhärteten, eines schwer Hörenden, und als er wach wurde, musste er sich selbst schuldig sprechen. Jesus schlief inmitten des großen Sturmes, weil Er ganz beruhigt sein konnte, dass kein Leid Ihn treffen würde. Und als Er aufwachte, strafte Er den See und die Jünger, die furchtsam und kleingläubig waren, obwohl Er doch bei ihnen war.
Jona hat sich für die anderen geopfert, doch war es um seiner eigenen Sünde willen. Er erkannte, dass er den Tod verdient hatte. Er konnte die anderen nur retten, indem er sich selbst in den Tod gab. Jesus hat sich für die anderen geopfert, aber er war unschuldig – die anderen verdienten umzukommen, aber Er gab sich für sie in den Tod und stieg für sie in das „Herz des Meeres“ hinab.
Jona übergab sich als der Schuldige. Jesus gab sich aus Gnade, um die Schuldigen zu retten.
Jona unterwarf sich dem Zorn Gottes, bekannte seine Schuld, stand aus den Toten auf und erfuhr die Gnade des Herrn, die er später verkündigte. Auch Jesus unterwarf sich willig dem Zorn Gottes. Alle Wogen und Wellen des Zornes Gottes gingen über sein heiliges Haupt. Er stieg hinab bis in die untersten Örter der Erde (vgl. Eph 4,9). Er war drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde (vgl. Mt 12,40) mit dem wunderbaren Ergebnis, dass nun die Menschen, später auch Israel, Gnade finden und aus dem Meer des Gerichts gerettet werden können. Er ist gestorben und wurde begraben, aber Er ist nicht umgekommen. Er ist von den Toten auferstanden und verkündigt nun die herrliche Rettung für eine verlorene Welt.
Alle, die im Bewusstsein ihrer Schuld zu Ihm kommen und Ihn annehmen, finden Gnade. Wahrlich, welch ein Herr ist er! „Siehe, mehr als Jona ist hier“, konnte Jesus sagen (Mt 12,41). Wer ist Ihm gleich? Er hat nicht auf die Vorrechte seines Volkes geachtet. Er fragte nicht nach persönlichen Gefühlen. Er hat einfach den Willen Gottes erfüllt, und dieser Wille ist, „dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1Tim 2,4).
Wie groß die Unterschiede zwischen Jesus und Jona und ihren Handlungen aber auch sein mögen, in dem Opfer, das gebracht wurde, finden wir völlige Übereinstimmung. Das Meer des Grimmes Gottes wird durch beide gestillt. Freuen wir uns deshalb, in Jona nicht allein ein Vorbild von Israel, sondern auch von Christus zu sehen! Dennoch – Jesus ist mehr als Jona, unendlich mehr. In Jona sehen wir den Schatten, in Jesus die Wirklichkeit. Jona weist hin auf Christus, Christus ist die herrliche Erfüllung. Das Weltmeer wurde durch die Sünde eines Menschen aufgewühlt. Der Sturm wurde durch das Opfer eines Menschen gestillt. Auch das Lebensmeer wird aufgewühlt durch die Sünde eines Menschen, aber der Zorn wird auch durch das Opfer eines Menschen gestillt. Er brachte Versöhnung und Frieden. „Siehe, mehr als Jona ist hier.“
Welch ein Heiland ist Jesus! Der Mensch wollte Gott werden, in Christus wurde Gott Mensch. Der Mensch war hochmütig. Christus erniedrigte sich selbst. Der Mensch wollte zum Himmel aufsteigen. In Christus kam Gott herab, um unter den Menschen zu wohnen. Der Mensch in seinem Hochmut verlangt nach Ehre. Christus erwählte das Kreuz. Wie sollten die Menschen doch auf diesen Jesus hören! Wie sollten doch Christen, Juden und Heiden Ihn lieben, Ihn, der „gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8). Lasst uns die Augen auf Ihn richten und wiederum ausrufen: „Siehe, mehr als Jona ist hier!“
Männer von Ninive werden kommen. Eine Königin des Südens wird aufstehen, um die zu verurteilen, denen Jesus predigte, die aber nicht hören wollten. In ihren Städten hatte Jesus seine Stimme hören lassen, aber sie kehrten nicht zu Ihm um. „Siehe, mehr als Jona ist hier!“
Er ist hier, um zu dir zu reden. Er ist in deinem Haus, denn du hast die Bibel. Er ist in deiner Nähe, denn die Heilige Schrift zeugt von Ihm. Es ist die Stimme des Sohnes Gottes, der Retter der Verlorenen, dessen Barmherzigkeit ein Meer von Sünden vergibt, der von allen Gebrechen heilt! Beugen wir uns vor Ihm, mit dem niemand zu vergleichen ist.
Lasst uns mit dem Dichter gläubig singen: Holdsel‘ger, treuer Friedefürst, wie hat Dich nach dem Heil gedürst‘t, dem Heil verlor‘ner Sünder!
Es floss Dein Blut am Kreuzesstamm, es floss für uns, o Gotteslamm; nun sind wir Gottes Kinder. Freude, Freude!
Durch Dein Sterben sind wir Erben.
Dort am Throne gibst Du uns die Siegeskrone.
Kapitel 1
Jona im Sturm
„Und das Wort des Herrn erging an Jona . . . “ (V. 1). Gibt es etwas Wichtigeres als das Wort des Herrn? Gott spricht, und wir haben auf seine Stimme zu hören. Wir besitzen die ganze Bibel, die wir das Wort Gottes nennen. In früheren Zeiten besaß man nur kleinere oder größere Teile, oft nur ein einzelnes Wort. Es ist aber von untergeordneter Bedeutung, ob es viel oder wenig ist, was Gott zu uns sagt und wie es zu uns kommt. Wichtig für uns ist nur, zu wissen und zu glauben, dass es das Wort aus seinem Mund ist, denn dadurch wird der Mensch leben.
Der Ausdruck „das Wort des Herrn“ wird im Buch Jona mehrmals wiederholt. Zuerst finden wir ihn im ersten Kapitel, Vers 1, und dann zweimal im dritten Kapitel, Vers 1 und 3. Somit finden wir in diesem kleinen Buch dreimal bezeugt, dass Gott sein Wort hören ließ.
Möchten wir doch auf das Wort des Herrn sorgfältig Acht haben, und wenn sein Ruf zu uns kommt – in welcher Art auch immer – willig und gehorsam darauf hören. Tun wir es nicht, dann ist Er uns entgegen – sind wir aber gehorsam, dann wird sein Segen auf uns ruhen. Mancher hört auf die Stimme seines eigenen Herzens, geht dann einen eigenen Weg und endet schließlich wie Jona im Meer.
Das hier ausgesprochene Wort des Herrn war nicht nur ein ernstes Wort, es war auch ein Wort der Liebe. Gott kannte die große Stadt Ninive, eine Stadt, in der allein 120.000 Menschen waren, die nicht zwischen ihrer Rechten und ihrer Linken unterscheiden konnten (also Unmündige), eine Stadt mit vielem Vieh, eine Stadt, die im Ganzen wohl mehrere Millionen Einwohner hatte (Jona 4,11). Ninive, die Weltstadt jener Tage, war eine Stadt von drei Tagereisen (Jona 3,3).
Gott kannte die Stadt und zwar nicht nur wegen ihrer Größe. Er kannte auch den Herzenszustand jedes einzelnen der vielen Menschen darin. Abertausende Seelen waren dort, die ohne Gott dahinlebten, aber vielleicht doch für ein gutes Wort zugänglich waren. Wörtlich übersetzt steht in Kapitel 3,3: „. . . eine Stadt, groß für Gott.“ Offenbar hat dieser hebräische Ausdruck, der etwas sehr Großes bezeichnen will, noch eine besondere Bedeutung für uns. Eigentlich war Jerusalem die Stadt Gottes.
Aber Gott sah in der Stadt Ninive das Bild der Heidenwelt, der Er in seiner unendlichen Liebe begegnen wollte, und darum nennt Er sie „eine Stadt, groß für Gott“. Gott hatte ein großes Volk in dieser Stadt. Ähnlich hatte Er einst in Korinth den Apostel Paulus ermutigt, indem Er ihm durch ein Gesicht in der Nacht von dieser weltlichen, sündigen Stadt sagen ließ: „Ich bin mit dir, und niemand soll dich angreifen, um dir etwas Böses zu tun; denn ich habe ein großes Volk in dieser Stadt“ (Apg 18,10).
Gott wollte sich über die große heidnische Stadt Ninive erbarmen und viele dort zur Bekehrung bringen, damit man Ihn erkenne und anbete. Das ist auch geschehen. Die Predigt in Ninive hat Frucht getragen. Wohl war es keine bleibende Frucht, denn hundert Jahre später war Ninive doch zerstört worden, und noch heute können wir Trümmer dieser einst so gewaltigen Stadt sehen.
Durch Jonas Verkündigung ist es aber zur Umkehr des Volkes gekommen, und Gott konnte so, dem heißen Verlangen seines liebevollen Herzens entsprechend, sich der Bewohner von Ninive erbarmen. Sein mitleidiges Herz, das sowohl über das Los der stummen Kreatur als auch der kleinen Kinder erregt war, hatte auch Erbarmen mit den Hunderttausenden, die dort wohnten und nach der Lust ihres Herzens dahinlebten.
Jona bekam den Befehl, sich aufzumachen und gegen die Stadt zu predigen. Es sah wirklich nicht gut aus in der großen Stadt, denn ihre Bosheit war zu Gott hinaufgestiegen. Wohl hat Gott ein Herz voll Liebe, denn Er ist Liebe. Aber das will nicht sagen, dass Er das Böse nicht sieht und nicht verurteilt. Gott ist auch Licht. Er sah alles, was die Bewohner Ninives verübten und nahm all ihre Bosheit wahr. Es war so schlimm geworden, dass das Böse nicht in der Stadt geblieben war, sondern sich wie ein Berg, entsetzlich hoch, bis vor das Angesicht des Herrn, aufgehäuft hatte.
Gott musste nun sein Gericht ankündigen, es ging nicht anders. Er hätte ohne Ankündigung das Gericht plötzlich ausüben können, doch das tat Er nicht, weil Er Liebe ist. Wohl kommt das Gericht bald über die Welt, weil sie nicht auf Gott hört, doch zuvor hat Gott Jahrhunderte hindurch gewarnt und den Menschen Gelegenheit gegeben, sich zu bekehren, damit Er das Gericht vielleicht noch abwenden könne.
Man achte jedoch darauf, dass es bezüglich Ninive um die letzte Botschaft ging. Es steht hier nicht, dass zu jenen Menschen oder für sie gesprochen wurde, sondern gegen sie. Ja, Gott war gegen ihre Bosheit, gegen ihre schlechten Taten! Man bedenke auch, dass, obwohl die ganze Stadt verderbt war und gegen sie gepredigt werden musste, doch jeder für sich persönlich verantwortlich war.
Gott sieht alles. Nichts ist vor Ihm verborgen. Er kennt auch unsere großen Städte und die Menschen, die darin wohnen. Er weiß, wie viel Bosheit auch in unseren „christlichen“ Städten gefunden wird. Gott aber lässt täglich seine gute Botschaft verkündigen und die Menschen vor dem Gericht warnen. Wenn das Böse aber zunimmt, zeugt Er gegen die Menschen und lässt ihnen sagen, dass, wenn sie sich nicht bekehren, sie für ewig verloren gehen und Gott ihre Stadt treffen wird.
Jona, der Sohn Amittais, hat gut begriffen, dass es Gott nicht darum ging, Ninive zu verderben, sondern die Stadt zu schonen und zu retten. Als daher das Wort des Herrn zu ihm geschah: „mach dich auf, geh nach Ninive, der großen Stadt, und predige gegen sie; denn ihre Bosheit ist vor mir heraufgestiegen“, verstand er gut, dass er nicht nur das Gericht ansagen sollte (V. 2). Gott wünschte das Zeugnis seines Boten, damit Stadt und Bewohner gewarnt und gerettet würden. So ist es immer gewesen. Gott will persönliche und nationale Umkehr. Und es ist zu seinem Wohlgefallen, wenn dadurch Leid und Elend abgewendet werden können.
Wie anders ist jedoch der Mensch in seiner Gesinnung. Seine sittliche Verderbtheit ist so tief, dass manche von Gott empfangenen Vorrechte seine Verworfenheit nur in ein umso grelleres Licht setzen. Man denke nicht, dass der religiöse Mensch von heute viel besser sei. Der Jude nahm einen bevorzugten Platz unter den Völkern ein. Gott selbst hatte ihm diesen Platz gegeben. Er sollte sich von den Völkern abgesondert halten, und dadurch den Heiden gegenüber Zeugnis geben von Gottes Liebe und Heiligkeit inmitten einer Welt, die sich gegen Ihn auflehnte. Aber statt diese Absonderung zu verwirklichen wurde er hochmütig. Er rühmte sich, den Herrn und sein Gesetz zu besitzen. Aber zu gleicher Zeit verunehrte er Gott, indem er das Gesetz nicht hielt (vgl. Röm 2,23).
Jona war auch einer vom Volk Israel. Er gehörte sogar zu den Propheten Israels, war also besonders bevorzugt. Seine Natur war jedoch schnell bereit, Vorteil daraus zu ziehen und den Vorzug für sein eigenes Volk zu missbrauchen. Jona war wohl ein wahrer Gläubiger, doch selbst dieses größte aller Vorrechte bewahrt nicht immer vor fleischlicher Gesinnung. Die Korinther hatten Gaben von Gott erhalten. Statt sie aber zu Gottes Ehre zu gebrauchen, bedienten sie sich ihrer zur eigenen Verherrlichung. Sie blähten sich auf, verdrängten andere, die vielleicht bescheidenere Gaben besaßen. Und doch war ein Mann in ihrer Mitte gewesen, der mehr von Gott empfangen hatte als sie alle zusammen und der ausrufen konnte: „Ich will lieber fünf Worte reden mit meinem Verstand, um auch andere zu unterweisen, als zehntausend Worte in einer Sprache“ (1Kor 14,19). Dieser Mann hatte die Gesinnung Christi.
Das Wort des Herrn wurde an Jona, den Propheten gerichtet, damit er eine Botschaft des Gerichts gegen Ninive ausrufe. Jona wusste aber, dass das Herz dessen, der ihn aussandte, voll Erbarmen ist (Die Mitteilung in 2. Könige 14 war ihm dafür wohl ein treffendes Beispiel.). Gott wollte das Elend der Sünde wegnehmen. Hatte man auch das Gericht verdient, so wollte Er doch noch einmal sein Erbarmen zeigen. Aus Jona 4,2 geht deutlich hervor, welche Gedanken in Jonas Herz waren, als das Wort des Herrn zu ihm kam. „War das nicht mein Wort, als ich noch in meinem Land war? . . . Denn ich wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langsam zum Zorn und groß an Güte, und der sich des Übels gereuen lässt.“
Spricht Jona durch diese Worte nicht die Überlegungen seines Herzens aus? Kann er, ein Jude, es ertragen, dass Heiden bevorzugt werden und teilhaben sollen an der Gnade Gottes? Konnte Jona, ein Prophet Israels, es ertragen, dass seine Prophezeiung nicht in Erfüllung gehen sollte, und das angesichts Unbeschnittener?
Es ist tief traurig, aber es muss ausgesprochen werden, dass das Herz des Menschen, trotz frommer Worte, zu jeder Zeit hochmütig gewesen ist. Wäre Jona demütig gewesen, dann wäre er gehorsam dem Wort des Herrn gefolgt, überzeugt, dass der Meister besser als sein Knecht wissen musste, was gut ist. Und für alle Knechte Gottes, egal in welcher Zeit, gilt dasselbe. Wie oft passiert es, dass der Diener auf die Aufforderung des Meisters: „Geh nach Ninive“, nach Tarsis entweicht! Alle müssen lernen: „Nicht mein Wille, sondern der deine geschehe“ (Lk 22,42).
Von den Engeln lesen wir in Psalm 103,20.21: „Ihr Gewaltigen an Kraft, Täter seines Wortes, gehorsam der Stimme seines Wortes . . . Ihr, seine Diener, Täter seines Wohlgefallens!“. Ohne zu widersprechen, gehen sie dorthin, wo Gott sie hinsendet, und führen das aus, was der Meister gebietet. Aber Jona handelte nicht so. Es heißt wohl, dass er sich aufmachte. Soweit gehorchte er. Dazu ist der Mensch schnell genug bereit. Aber wir lesen nicht, dass er sich aufmachte, um zu gehen.
Im Gegenteil, es heißt, er machte sich auf, um zu fliehen. Statt hinüber nach Ninive zu gehen, will er über das Meer nach Tarsis, das in Spanien lag und damals als das Ende der Erde galt. Er wollte so weit weg wie möglich. Es heißt auch, dass er vom Angesicht des Herrn hinwegfloh, weil er nicht gehorsam sein wollte. Er zog die Fremde der Heimat, das Unbekannte dem Bekannten vor. Hierin erkennen wir den alten Adam, der sich zwar nicht ängstlich hinter Bäumen verbirgt, nein, aber auf einem Handelsschiff über das mittelländische Meer flüchtet. Und wie Adam sollte auch er erfahren, dass der Lohn der Sünde der Tod ist. Einfache, aber ernste Wahrheit!
Jona hatte einen schönen Namen. Jona heißt Taube. Eine Friedenstaube hätte er sein können, ein Friedensbote für Ninive. Doch machte er seinem Namen keine Ehre. Wie Simon Petrus, der Sohn Jonas, aus Furcht vor einer Dienstmagd leugnete und floh, so auch Jona in seinem Ungehorsam. Wie ganz anders Christus! Im Alten Testament (3Mo 14) geben zwei Vögel, wahrscheinlich Tauben, ein Bild von dem Erlösungswerk Christi; der geschlachtete Vogel spricht von Jesus Sterben, der lebende, der in das Blut des geschlachteten getaucht wurde und dann auf offenem Feld freigelassen werden musste, deutet auf seine Auferstehung hin. Die Taube ist das Bild des Unschuldigen, der willig war zu jedem Dienst, und der auch später, als Er zum Himmel aufgefahren war, allen den Frieden verkündigte.
Um mit dem Schiff Tarsis zu erreichen, musste Jona nach Joppe oder Japho, dem damals einzigen Hafen Palästinas, gehen. Das ist ein beachtenswerter Ort, denn später hielt sich ein anderer Jude dort auf, der auch eine Botschaft an die Heiden erhalten hatte: Petrus, der sich im Haus Simons des Gerbers aufhielt. Aus Cäsarea kam der Ruf des Kornelius, dem Gott gesagt hatte, dass er durch Boten Petrus holen lassen sollte. Zuvor jedoch hatte Gott Petrus durch eine himmlische Erscheinung willig machen müssen, diesem Ruf zu folgen. Sonst wäre nicht einmal er, der Christ, bereit gewesen, mit den Unreinen zu gehen, weil er durch seine jüdischen Vorurteile noch gebunden war.
Paulus hat viel mit dem nationalen Selbstgefühl der Juden zu kämpfen gehabt. Er spricht häufig darüber, dass die Juden ihren eigenen Vorrechten so großen Wert beimessen und es nicht vertragen können, wenn andere, die Heiden, so viel Segen wie sie selbst empfangen (Apg 13,44-52; 17,5-9; 18,12 usw.; 1Thes 2,14-16).
Jona floh, als er den Heiden predigen sollte. Desgleichen kostete es viel Mühe, Petrus zu überzeugen, dass die Gnade des Herrn auch den Heiden gilt, dass Gott auf die Gebete und Almosen des Kornelius geachtet hatte und den Herzenszustand der vielen kannte und Gnade schenken wollte.
Doch Gott dürstet nach dem Heil der Verlorenen. In dieser Hinsicht ist da kein Platz für Vorrechte. Die Frage ist nur, ob man sich vor Gott als Sünder erkennt. Dann ist bei Ihm Barmherzigkeit zu finden. Verurteilen wird Ihm schwer, Er tut es nur notgedrungen. Sein Herz sehnt sich, zu retten. Er will nicht, dass die Menschen verloren gehen, vielmehr, dass sie errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Lasst uns in dieser Gesinnung durch diese Welt gehen und uns mit einem weiten Herzen der Verlorenen annehmen, obwohl wir wissen, dass viele nicht hören wollen und dadurch das Urteil auf sich laden.
Jona machte sich auf, um vom Angesicht des Herrn hinweg nach Tarsis zu fliehen, kam nach Joppe und fand ein Schiff bereit für die große Reise nach Tarsis. Vielleicht hat er gedacht: Wie merkwürdig leicht kommt alles in Ordnung. Ich kann einfach einsteigen. Er gibt sein Fährgeld, steigt in den Schiffsrumpf hinab und legt sich ruhig zum Schlafen nieder. Ja, sicher, es war Gottes Fügung, dass dort ein Schiff bereitlag für Tarsis, wie anders jedoch waren seine Gedanken dabei! Zweimal sagt der Geist Gottes: „. . . vom Angesicht des Herrn weg“ (V. 3). Jona wollte mit diesem Schiff Gott entfliehen – aber gerade auf diesem Schiff trat ihm Gott entgegen.
Wenn wir uns vom Angesicht des Herrn entfernen, können wir nie das Heil erwarten. Es kann sein, dass wir alles so vorfinden, um uns ruhig zum Schlafen hinlegen zu können. Doch Gott verliert uns nicht aus den Augen. In einem Augenblick erweckt Er einen großen Sturm, in dem wir umkommen müssten, wenn Er sich nicht wiederum unser erbarmte.
Wie viel Mühe machen viele Gläubige ihrem Gott! Sie verlassen seinen Weg, den Weg der Wahrheit, den Weg des Gehorsams, und dann denken sie noch, in der Nachfolge des Herrn zu sein. Sie sind scheinbar ruhig. Sie beten auch. Aber Paulus schreibt an die Epheser: „Alles aber, was bloßgestellt wird, wird durch das Licht offenbar gemacht; denn das Licht ist es, das alles offenbar macht. Deshalb sagt er: Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, und der Christus wird dir leuchten! Gebt nun Acht, wie ihr sorgfältig wandelt, nicht als Unweise, sondern als Weise, die die gelegene Zeit auskaufen, denn die Tage sind böse. Darum seid nicht töricht, sondern verständig, was der Wille des Herrn sei“ (Eph 5,13-17). Dies wird zu Gläubigen gesagt. Es heißt nicht von ihnen, dass sie tot sind, wie bei Sündern, wohl aber, dass sie, wenn sie eingeschlafen sind, aufgeweckt werden müssen. Die Welt schläft den Schlaf des Todes. Bei Gläubigen kann es den Anschein haben, dass sie ebenso schlafen.
War das nicht bei Jona der Fall? Er schlief tief und fest. Er musste aber erwachen und aufstehen, Gott wollte ihm leuchten.
Selbst Diener Gottes können in diesen Zustand verfallen, wie wir es hier sehen. Lasst uns doch wachsam sein und stets ein offenes Herz und Ohr für das Wort des Herrn haben. Wenn wir schlafen, sind wir nicht nur ohne Segen für andere, wir bringen uns selbst in Gefahr. Manche sollten auf der Reise sein zu Orten, wohin der Herr sie rief, wo verlangende Herzen sind. Dort sollten sie arbeiten in Wort und Schrift zum Heil vieler Tausender. Aber sie folgen ihren eigenen Gedanken, suchen Anerkennung, sind mit Selbstsucht oder Selbstzufriedenheit erfüllt und überhören so ihre Berufung.
Möchte Jonas Geschichte ein abschreckendes Vorbild für viele sein, damit sie durch den Geist Gottes aufgeweckt werden, vom Schlaf aufstehen und Menschen werden, die sich zur rechten Zeit zum Heil und Segen für andere von Gott gebrauchen lassen.
Die Küste war schon lange außer Sicht, die Wellen des Mittelmeers umspülten den Bug des Schiffes. Da warf Gott einen heftigen Wind auf das Meer, ein großer Sturm erhob sich, wie so oft auf den Meeren. Welch einen entsetzlichen Sturm hat doch auch Paulus auf dem gleichen Meer mitgemacht! Das Schiff drohte zu zerbrechen. Da fürchteten sich die Schiffsleute und beteten. Aber der Knecht des Herrn betete nicht, er schlief. Der Wind tobt, doch Jona liegt in tiefem Schlaf.
Begriff Jona denn nicht, dass wenn er vor dem Angesicht des Herrn floh, Gott ihm doch nachgehen würde? Begriff er nicht, dass er niemals dem Herrn entfliehen konnte? Er kannte doch sicher Psalm 139, wo David sagt, dass der Herr überall ist, dass es vor Ihm weder Ost noch West, weder Süd noch Nord gibt. Er ergründet uns, Er kennt uns. Er weiß unser Sitzen und Aufstehen, versteht unsere Gedanken von fern. Wenn das Wort noch nicht auf unserer Zunge ist, weiß Er es ganz. „Wohin sollte ich gehen vor deinem Geist und wohin fliehen vor deinem Angesicht?
Führe ich auf zum Himmel: Du bist da; und bettete ich mir im Scheol: Siehe, du bist da. Nähme ich Flügel der Morgenröte, ließe ich mich nieder am äußersten Ende des Meeres, auch dort würde deine Hand mich leiten und deine Rechte mich fassen“ (Psalm 139,7-10). „Und gehe ich von Gath-Hefer nach Japho und von Japho nach Tarsis“, hätte Jona sagen können, „auch dort wird deine Hand mich finden.“ „Und spräche ich:,Nur Finsternis möge mich umhüllen, und Nacht werde das Licht um mich her‘ – auch Finsternis würde vor dir nicht verfinstern, und die Nacht würde leuchten wie der Tag, die Finsternis wäre wie das Licht“ (Psalm 139,11.12), so fährt der Psalmist fort.
Der Hauptgedanke dieser Verse ist: Gott zu entfliehen ist unmöglich, denn Gott ist überall. Durch Jeremia spricht Gott in demselben Sinne: „Bin ich ein Gott aus der Nähe, spricht der Herr, und nicht ein Gott aus der Ferne? Oder kann sich jemand in Schlupfwinkeln verbergen, und ich sähe ihn nicht?, spricht der Herr. Erfülle ich nicht den Himmel und die Erde?, spricht der Herr.“ (Jer 23,23-24).
In der letzten Zeit habe ich mehrere ergreifende Fälle gehört von jungen Menschen, die früher bekannten, ein Eigentum des Herrn zu sein und dann vom Angesicht des Herrn flohen. Sie fanden das sogar angenehm, denn nun konnten sie tun, was sie wollten. Aber das Ende war traurig. O, ich kann es nicht beschreiben, wie unendlich traurig es gewesen ist. Ich musste zu mir selber sagen: „Ich möchte alle jungen Leute ernstlich ermahnen, zu bedenken, dass Gott sie überall sieht.“ Er ist nicht nur ein Gott der Nähe, auch ein Gott der Ferne und ein heiliger Gott. Du kannst Ihm nicht entfliehen, Er widersteht dir. Er lässt dich nicht gehen und wird dich an seinem Tag finden.
Ich denke an einen jungen Mann, der einst sogar Sonntagsschule hielt und regelmäßig zum Tisch des Herrn kam. Er suchte dann aber eigene Wege und wollte Gott entfliehen. Gott suchte ihn heim mit einer ernsten Krankheit. Kurz vor dem Ende durfte er wieder die Gnade des Herrn erfahren, doch sein Zeugnis für die Welt war verloren. Ich denke ferner an ein junges Mädchen, eine frühere Sonntagsschülerin, die durch allerlei Umstände Gott aus den Augen verlor. Sie studierte, bestand ihr Examen, war geachtet, beliebt und erfolgreich. Doch auf der Höhe des Glücks wurde sie niedergeworfen; da erst fragte sie wieder nach der Bibel. Gott ist voll Erbarmen. Er vergilt uns nicht nach unseren Sünden. Und doch – ihr Leben war für den Herrn ein verlorenes. Ich denke noch an Arbeiter im Werk des Herrn, die früher mit viel Segen wirkten. Sie hörten aber nicht auf die Stimme des Herrn, auch nicht, als Gott ernst mit ihnen redete. Dann wurden sie zur Seite gesetzt.
Gott lässt manchmal alles für eine Weile nach Wunsch gehen. Er hätte auch Jona gleich zurückhalten können, doch tat Er es nicht. Er ließ ihn einen Platz auf dem Handelsschiff finden, ließ ihn ein Ruhebett aufsuchen und einschlafen. Das alles ließ Gott zu. Aber dann!
O, wenn du vielleicht denkst: „Bis jetzt geht alles vortrefflich, ich habe Erfolg über Erfolg“, geh nur so weiter, vielleicht werden dir auf deinem eigenen Weg noch angenehmere Dinge zuteilwerden. Doch wisse, dass Gott auf einmal Schluss machen wird; es kommt plötzlich ein Ende für all dein Tun.
Gott ist überall! Denke nicht, dass Gott auf uns achtet, um uns zu bestrafen. Nein, sondern um uns zu sagen: „Bekehre dich! Wenn du widerstrebst, muss ich dich bestrafen, und das ist mir schmerzlich.“ Gott hasst die Sünde, aber Er liebt den Sünder. Denke auch nicht, dass Gott den Gläubigen gehen lässt, weil er sein Kind ist. Nein, Gott fängt mit dem Gericht in seinem eigenen Haus an. Wenn Er bei seinen Kindern das Böse übersehen würde, wie könnte Er dann alle seine Geschöpfe gerecht richten?
„Jerusalem, Jerusalem!“ (Lk 13,34) rief der Herr aus, und dann weinte er. Zweimal wird uns nachdrücklich gesagt, dass der Herr Jesus weinte. Einmal am Grab des Lazarus und dann als Er sich Jerusalem näherte (Joh 11,35; Lk 19,41). Im Urtext werden für diese beiden Fälle verschiedene Worte gebraucht. Bei Lazarus ist es ein Wort, das bedeutet: Still vor sich hin weinen; bei Jerusalem ein Wort, das heißt: Klagerufe ausstoßen. Das letztere schwebt mir jetzt vor Augen.
In Lukas 19,41-42 lesen wir: „Und als er sich näherte und die Stadt sah, weinte er über sie und sprach: Wenn du doch erkannt hättest – und wenigstens an diesem deinem Tag –, was zu deinem Frieden dient!“ Er klagte, Er weinte, als Er Jerusalem in seiner Sünde sah. Jerusalem, das doch von Gott so besonders bevorzugt worden war. Und was sagte Er über Kapernaum, der Stadt, in der Er wohnte? Was würde Er von unseren Städten sagen, in denen wir des Christentums wegen von so vielen Segnungen umgeben sind?
Christus ist die Offenbarung des Vaters. In Ihm sehen wir Gottes Gesinnung. So sehen wir denn hier Gott, der über Ninive weint. Aber Jona kümmert sich nicht um das Los der großen Stadt. Er hat sich hingelegt und schläft. Plötzlich wird er unsanft durch den Obersteuermann aufgerüttelt. „Was ist mit dir, du Schläfer? Steh auf, rufe deinen Gott an! Vielleicht wird der Gott unser gedenken, dass wir nicht umkommen“ (V. 6).
Während Jona schlief, hatten die Schiffsleute nicht nur gearbeitet und Geräte über Bord geworfen, um das Schiff zu erleichtern, nein, sie hatten auch gebetet, jeder zu seinem Gott. Es waren Schiffer aus verschiedenen Ländern, die ihre eigenen Götter hatten. Alle waren sich jedoch bewusst, hier kann uns nur eine höhere Macht helfen, darum beteten sie nicht nur, sie schrien zu ihrem Gott.
Wie beschämend für Jona! Mag es auch wahr sein, dass sie den wahren Gott nicht kannten, dass sie nur angesichts ihrer Not beteten und den Rachegott besänftigen wollten, so ist es andererseits wahr, dass Jona überhaupt nicht betete. So schläft oft, geistlich gesprochen, der gläubige Knecht des Herrn, während Seelen in der Welt in Not sind und zu Gott rufen. Könnte man sich nicht darüber entrüsten, dass Jona bei all dem Toben des Sturms so ruhig blieb, als ob nichts geschehen wäre? Wie hart ist doch das Herz des Menschen! Wie viel Mühe hat Gott mit ihm, bis er zur Besinnung kommt und sich schuldig fühlt.
Nun kommen die Schiffsleute dazu, das Los zu werfen. Sie waren der damals allgemein verbreiteten Ansicht, dass das Böse wegen der Schuld eines Menschen komme. Das ist häufig wahr, aber durchaus nicht immer. Der Herr Jesus hat dies verschiedentlich gezeigt. Die Juden haben diese heidnische Denkweise auch auf Ihn angewandt. Man verachtete Ihn und hielt Ihn sogar als von Gott geschlagen (vgl. Jes 53,4). So wollten die Schiffsleute wissen, um wessentwillen dieses Unglück über sie kam. Sie warfen das Los und dieses fiel auf Jona. Gott bestellte nicht nur den starken Wind und den großen Sturm, sondern Er lenkte auch das Los, wie wir das in den Sprüchen lesen (Spr 16,33).
Jemand sagte mir neulich: „Ich hatte in der letzten Zeit alles selbst bestimmt. Zwei Monate vorher schon war alles fest besprochen und geregelt. Aber alles wurde durch eine Krankheit plötzlich umgeworfen.“ Das ist lehrreich für uns alle. Der Mensch denkt, und Gott lenkt. Vom menschlichen Standpunkt aus besehen, könnten wir sagen, dass es ein Zufall ist. Wir wissen jedoch, dass alles stets nur geschieht, weil Gott es zulässt oder Er es so geführt hat.
Wohl bildet sich der Mensch ein, dass er die Dinge lenkt, doch fasst er nur Pläne, während Gott es ist, der alles lenkt. Der Mensch meint, dass er über das zu Gebote stehende frei verfügen könne, über sein Geld, seine Zeit, seinen Glauben. Doch dann tritt Gott ihm plötzlich entgegen. Der Mensch aber, statt dankbar zu sein, klagt erbost Gott an, weil Er seine Pläne durchkreuzt hat. Dennoch ist es wahr, Gott liebt uns.
An der Furt des Jabbok rang der Herr mit Jakob, weil dieser verkehrt handelte und in seiner Kraft gebrochen werden musste (1Mo 32,25). „Gegen den Verkehrten erzeigst du dich entgegenstreitend“ (Psalm 18,27). Den verlorenen Sohn ließ der Vater zu größter Armut und größtem Elend herabsinken. Das alles geschah aber nur zu seiner Errettung und zu seinem späteren Segen. – Dass man doch mehr auf Gottes ernsten und doch so freundlichen Ruf hören möchte!
Die Schiffsleute suchen den Schuldigen. Nun muss Jona selbst vor den Heiden bekennen, dass er, der Jude, der Schuldige ist. Als sie nach einer Erklärung fragen, weshalb sie dieses Unheil treffe und woher er komme, antwortet er: „Ich bin ein Hebräer; und ich fürchte den Herrn, den Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht hat“ (V. 9). Schon hatte er ihnen berichtet, dass er von dem Angesicht dieses Gottes hinweggeflohen sei, deshalb wächst ihre Furcht. Sie rufen aus: „Was sollen wir mit dir tun, damit das Meer von uns ablässt?“ (V. 11). Das Meer war unterdessen immer stürmischer geworden. Da ruft er: „Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird das Meer von euch ablassen; denn ich weiß, dass dieser große Sturm um meinetwillen über euch gekommen ist“ (V. 12).
Aus dieser Redeweise erkennen wir, dass Jona wirklich ein Glaubensmann war. Wie mancher in dieser Welt hätte sich unter diesen Umständen das Leben genommen! Auch Saul ertrug es nicht, von seinen Feinden getötet zu werden, und stürzte sich daher selbst ins Schwert. Jona springt aber nicht selbst ins Meer, sondern unterwirft sich der Strafe für seinen Ungehorsam.
Das ist die Pflicht des Sünders. Er hat sich unter Gottes Gerechtigkeit zu beugen und das verdiente Urteil anzuerkennen. Aber er braucht das Leben nicht selbst zu lassen: Das einzige hinlängliche Opfer ist gebracht worden durch das Lamm Gottes. Wir sollen auch nicht versuchen, uns selbst zu retten, wenn wir verkehrt gehandelt haben, wie dies das Volk Israel versuchte, nachdem es das Zeugnis des Glaubens von Josua und Kaleb verworfen hatte.
Als es den Unwillen des Herrn sah, wollte es entgegen seinem Befehl doch nach Kanaan hinaufziehen und wurde geschlagen bis Horma hin (4Mo 14). Stattdessen sollen wir im Geist des Glaubens die Strafe für unsere Sünden annehmen und uns demütig beugen unter die mächtige, züchtigende Hand des Herrn. Dann wird Heilung für uns da sein, wie geschrieben steht: „Wenn dann ihr unbeschnittenes Herz sich demütigt und sie dann die Strafe ihrer Ungerechtigkeit annehmen, so werde ich meines Bundes mit Jakob gedenken“ (3Mo 26,41.42).
Auf Grund des einen Opfers ist immer Vergebung für uns da. Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist Gott treu und gerecht, dass Er uns vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit. „Nehmt mich und werft mich ins Meer“, damit erkannte Jona seine Schuld an und übergab sich in die Hände des Gottes des Himmels, der ihm die Strafe sandte. Die Folge war, dass er wiederhergestellt wurde und zwar auch in seinem Dienst. Die Könige Ussija und Asa handelten nicht so, und deshalb war Gottes Segen nicht länger auf ihnen. David hingegen beugte sich. Er rief aus: „Gegen dich, gegen dich allein habe ich gesündigt“ (Psalm 51,6). Er wurde nicht zornig auf Nathan, den Propheten, der ihm die Wahrheit sagte, sondern verurteilte sich selbst. Darum konnte Gott ihn in seinem Königreich lassen.
Es ist merkwürdig, dass die Männer nicht sogleich nach seinen Worten handeln, obwohl Jona sich gleichsam zum Opfer anbietet. Sein Bekenntnis machte tiefen Eindruck auf sie. Sie wollen ihn retten und versuchen, das Schiff zu halten, ohne Jona über Bord zu werfen. Doch das Meer wird immer wilder. Da begreifen sie, dass Gott Jona widersteht und somit auch ihnen. Sie verstehen auch, dass sie nach Jonas Worten handeln müssen. Sie werfen ihn ins Meer, doch nicht ohne sich zuerst vor dem Herrn wegen dieser Tat zu entschuldigen. Nun rufen sie nicht mehr jeder seinen Gott an. Nein, sie haben jetzt ein Bewusstsein von der Allmacht des einen Gottes des Himmels und der Erde. Wie ein Mann schreien sie zu dem Herrn: „Ach, Herr, lass uns doch nicht umkommen um der Seele dieses Mannes willen, und lege nicht unschuldiges Blut auf uns! Denn du, Herr, hast getan, wie es dir gefallen hat“ (V. 14). Nach diesem Gebet nehmen sie Jona und werfen ihn ins Meer und – es hört auf mit seinem Wüten.
Daraufhin werden die Schiffsleute mit großer Furcht vor Gott erfüllt. Zuerst fürchteten sie den Wind, die zunehmende Wut des Sturmes, doch jetzt fürchten sie, wie Jona, den Herrn. Dieses geschieht nicht nur mit dem Mund. Nein, sie beten von Herzen den allein wahren Gott an und geben Ihm die Ehre. Schlachtopfer und Gelübde weihen sie dem, der Rettung gegeben, der aber auch seine Allmacht, Allwissenheit und Heiligkeit gezeigt hat. Jona hatte den Heiden nichts von Israels Vorrechten mitteilen wollen. Aber waren wohl die Heiden hier auf dem Schiff nicht weiter als selbst der gläubige Prophet aus Israel? Widerstand Gott nicht dem Jona, während Er sich zu den Schiffsleuten bekannte? Und dies, weil sie nach ihrer Erkenntnis treu waren, er aber untreu? Jona sollte gegen Ninive predigen, aber predigte Gott nun nicht gegen Jona?
Die Schiffsleute fuhren auf ruhigem Meer unter Gottes freundlichen Sonnenstrahlen weiter. Jona sank in die Tiefe. Aber Gott ließ Jona dennoch nicht umkommen. Er lenkte es so, dass in dem Augenblick, da Jona ins Wasser fiel, ein Fisch ihn verschlang, ohne ihn zu verletzen. Drei Tage und drei Nächte war er im Bauch des Fisches, die Tiefe hatte ihn umschlossen, Meergras sich um sein Haupt geschlungen (Jona 2,6).
Konnten die Heiden in Ninive in einem elenderen Zustand sein als Jona hier? War er, der Beschnittene, nicht eigentlich wie ein Unbeschnittener? Er, ein Prophet Israels, befand sich wegen des Zornes Gottes in der Tiefe des Meeres. Wahrlich, in einem solchen Zustand hört man auf, sich (besonderer Vorrechte) zu rühmen. Das Verachten anderer ist nun vorbei. Stolzer Adam, der sich hinter den Bäumen verbirgt! Stolzer Jona, der sich im untersten Schiffsraum versteckt!
Alle Selbstgerechtigkeit und Engherzigkeit muss verurteilt werden. Dann wird das Herz erfüllt von der Wahrheit, dass Gott Licht und Liebe, heilig und gnädig ist. Der Herr erklärt den Schuldigen keineswegs schuldlos. Lasst dies unsere erste Lektion sein, die wir lernen. Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Gerechtigkeit üben? Sollte Er es nicht vor allem dann tun, wenn es die Seinen und im Besonderen seine Knechte betrifft? Unsere zweite Lektion ist diese: Zucht bringt Heil; Gott straft nur, um wiederherzustellen.
Jonas Sünde ist in der Tiefe des Meeres geblieben; er selbst wurde gerettet, so wie Adam seine Schuld und seine Feigenblätter bei den Bäumen ließ, um nun wieder die Gegenwart Gottes und seine Segnungen zu genießen.
Wo ist ein solcher Gott wie Du, voll Langmut, Macht und Gnade! Führst Sünder ein in Deine Ruh von des Verderbens Pfade.
Durchdrangst mit Macht der Sünde Nacht, gabst hin den Eingebornen zur Rettung der Verlornen.