Auch Vers 25 beginnt mit einem doppelten: „Wahrlich, wahrlich!" Schämen wir uns, daß der Herr ein Wahrlich nach dem andern setzen muß, um unsere Aufmerksamkeit zu wecken und zu fesseln! Unsere Aufmerksamkeit soll so gefesselt werden, daß alles in den Hintergrund tritt. Vers 25: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: die Stunde kommt und ist schon jetzt, da die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie hören werden, werden leben." Der Kommende ist ein Seiender, der jetzt schon ist. Unser Heiland kommt nicht nur; Er ist jetzt schon da. Er ist mit uns, wo wir gehen und stehen. Wo zwei oder drei versammelt sind in Seinem Namen, da ist Er mitten unter ihnen. Da thront Er; da geht Er von einem zum andern. Er wandelt unter den goldnen Leuchtern, richtend, strafend, aufrichtend, erquickend, mit jedem handelnd nach seinem jeweiligen Stande und Bedürfnis. Das gleiche Wort hat eine verschiedene Aufgabe, aber der Herr kommt jedem nahe, der sich unter die Autorität des göttlichen „Wahrlich" stellt und Herz und Ohren offen hat für die Wahrheit.
„Wenn die Toten" — das sind die geistlich Toten; später ist von den leiblich Gestorbenen die Rede — „wenn die Toten Seine Stimme hören" — das kann sich nur auf geistlich Tote beziehen. Geh auf den Kirchhof und rufe die Toten an, die dort unter der Erde liegen, so wirst du keine Antwort bekommen. Da ist kein Echo. Wer ruft den Toten? Für unser einen ist das Torheit; w i r können es nicht, aber Gott kann es. Und wenn wir schon im Sterben liegen, so kann ein Wort Gottes uns noch wecken und lebendig machen. Die Zeit, wo der Herr durch Seinen Geist die Gemeinde regiert, ist da und währt, solange wir in der Gnadenökonomie stehen. Die Stunde ist immer noch, wo geistlich Tote die Stimme Gottes hören, sonst wäre es Torheit, Missionare und Evangelisten auszusenden. Die Stunde war mit dem Auftreten und der Predigt des Herrn Jesu gekommen, wo geistlich Tote die Stimme des Sohnes Gottes hörten und lebten, während diejenigen, die sich der Stimme des Menschensohnes verschlossen, tiefer ins Totenreich sanken — sich vielleicht gar verstockten. Man kann nicht mit dem Herrn in Berührung kommen durch Sein Wort, durch ein lebendiges, geistgesalbtes Zeugnis und bleiben, wie man ist. Entweder geht man einen Schritt in die Verstockung hinein, indem man sich dem Worte verschließt — oder man dringt ins Leben ein, in Erneuerung seines ganzen Seins und Wesens, indem man sich dem Zeugnis öffnet. „Sie werden die Stimme des Sohnes Gottes hören und leben." Sein Wort ist Leben, Wahrheit und Rettung. Es gibt kein wahres Leben ohne durch den Sohn Gottes. „Wer euch hört, der hört mich", sagt Jesus. Wer eure Stimme hört, hört die Stimme des Menschen- und Gottessohnes, und wer diese Stimme aufnimmt, ihr nachgeht, ihr Folge leistet, sich mit allem unter das Wort dieser Stimme stellt, der wird leben. „Meine Worte sind Geist und sind Leben." Vom Lebendigen gehen Lebensworte aus. „Ich bin der ewig Lebendige", kann Jesus sagen. Vers 26: „Denn wie der Vater das Leben hat in Ihm selbst, also hat Er dem Sohne gegeben, das Leben zu haben in Ihm selbst." Wir haben kein Leben in uns selbst. Das heißt: wir haben Leben in uns, sobald wir wiedergeboren sind, aber wir haben es nur durch den Lebenszusammenhang mit Jesu. Sobald wir diesen Lebenszusammenhang irgendwie unterbrechen, läßt das Leben nach. Dann kommen Verhärtungen, Schwerhörigkeit, Taubheit und dergleichen. In der Glaubensverbindung mit dem, der da ist Leben und Wahrheit, haben wir Leben; darum gilt es darüber wachen, daß wir in Gemeinschaft mit Ihm bleiben — es gilt wachen, daß die Verbindung mit Ihm nie unterbrochen werde — die Verbindung mit der oberen Welt nie aufhöre. Dazu gehört, daß wir alle Beziehungen mit der unteren Welt, Tun und Lassen, unseren Verkehr mit anderen, unsere Korrespondenz und Lektüre — kurz alles — tun im Namen Gottes, durch alle irdischen Geschäfte hindurch die Verbindung mit der oberen Welt festhalten, und wo sie je unterbrochen werden sollte, sogleich zum Herrn zurückkehren; denn ohne Ihn können wir nichts tun. Alles, was wir aus uns selbst tun, reift Frucht fürs Verderben. Da muß man sich seines Lebens wehren, besonders in gewissen Stunden, wenn ein kalter Wind weht. Wenn wir einen kalten Luftzug spüren, hüllen wir uns fester in den Mantel, um uns nicht zu erkälten. So können auch andere mit erkältendem Wesen an uns herantreten — dann gilt es, sich durch eine Rückzugsbewegung zum Herrn tiefer bergen in Seinem Gezelt. Das heißt: „ein mit Christo in Gott verborgenes Leben" führen.
„Der Vater hat dem Sohne gegeben, das Leben zu haben in Ihm selbst." Wer sich also der Stimme des Sohnes öffnet, der hat Leben — aber der Sohn offenbart sich uns nicht und teilt sich uns nicht mit, ohne uns zugleich zum Vater zu führen. „Niemand kommt zum Vater denn durch mich" — aber auch umgekehrt — niemand kommt in lebendige Verbindung mit dem Sohne, ohne daß der Vater ihn immer wieder zum Sohne zöge. „Ich und der Vater sind eins." Wer zum Sohne kommt, den führt Er zum Vater und öffnet ihm ewiges, unerschöpfliches Leben — eine Fülle, aus der wir nehmen können Gnade um Gnade, die sich nie erschöpft, sondern sich nur immer weiter auftut, je mehr wir schöpfen.
„Und" — Vers 27: — „wie der Vater Ihm das Leben gegeben hat, so hat Er Ihm auch Macht gegeben, Gericht zu halten, weil Er des Menschen Sohn ist." Das ist der große, durchschlagende Unterschied zwischen uns und unserem Herrn. Seinem Sohne hat Gott anvertraut, Leben zu haben in sich selbst. Er hat Ihm Autorität, Macht, Gewalt gegeben, Gericht zu halten, darum daß Er des Menschen Sohn ist. Wir wollen von unsereinem gerichtet sein. Die Engel können uns nicht richten. Der Herr Jesus mußte Menschensohn werden, um uns richten zu können. Er mußte leben wie unsereiner, mußte sich aus persönlicher Erfahrung in unsere Lage versetzen, um recht richten zu können — leidend, schweigend — versucht in allen Dingen gleichwie wir und durch alles siegreich hindurchgehend. Damit hat Er Macht, zu richten, als Einer, der überwunden hat. In Dinge, die man nicht selbst durchgemacht hat, hat man keinen Einblick und kann folglich auch nicht darüber urteilen oder gar richten — man hat die Elemente nicht in der Hand und weiß nicht genau über alles Bescheid. Deshalb hat Gott Seinen eigenen Sohn Mensch werden lassen und Ihm das Gericht übergeben, weil Er sich mit jedem Menschen verständigen kann und den vollen Einblick und Durchblick in jedes Menschenherz hat. Darum haben wir ewiges Leben, wenn wir durch Gericht hindurch zum Sohne kommen und durch den Sohn zum Vater.