Behandelter Abschnitt Tit 1,5-9
«Deswegen liess ich dich in Kreta, dass du, was noch mangelte, in Ordnung bringen und in jeder Stadt Älteste anstellen möchtest, wie ich dir geboten hatte: Wenn jemand untadelig ist, eines Weibes Mann, der gläubige Kinder hat, die nicht eines ausschweifenden Lebens beschuldigt oder zügellos sind. Denn der Aufseher muss untadelig sein als Gottes Verwalter, nicht eigenmächtig, nicht zornmütig, nicht dem Wein ergeben, nicht ein Schläger, nicht schändlichem Gewinn nachgehend, sondern gastfrei, das Gute liebend, besonnen, gerecht, fromm, enthaltsam, anhangend dem zuverlässigen Worte nach der Lehre, auf dass er fähig sei, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen, als auch die Widersprechenden zu überführen» (Kap. 1,5–9).
Wir haben gesehen, welches die Grundlagen des Christentums sind: Der Glaube der Auserwählten, die Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist, das ewige Leben, das Wort Gottes, und schliesslich die Predigt, welche diese Dinge aus dem Worte schöpft. Alle diese Gegenstände sind in dem enthalten, was als «die gesunde Lehre» bezeichnet wird.
Die soeben angeführten Verse 5–9 befassen sich mit der guten Ordnung in der Versammlung, und diese gute Ordnung kann nicht Platz greifen ohne die gesunde Lehre und die Unterweisung, die sie den Gläubigen vorstellt. Darauf haben wir schon am Anfang dieser Betrachtung hingewiesen.
Diese Unterweisung ist allen denen anvertraut, welchen Gott in der Versammlung eine besondere Verantwortung gegeben hat: zuerst Titus (2,1), den Ältesten (1,9), den alten Frauen, wenn auch in einem sehr begrenzten Masse (2,3), den Jünglingen (2,7). Schliesslich hat die Unterweisung ihr vollkommenes Vorbild in der Unterweisung der Gnade, die in Jesu erschienen ist (2,12).
Die Titus anvertraute Verwaltung bestand darin, die gute Ordnung in den Versammlungen Gottes in Kreta festzulegen, zu regeln und aufrecht zu halten, während die Timotheus anvertraute Verwaltung in der Versammlung zu Ephesus darin bestand, in besonderer Weise über die Lehre zu wachen, damit sie nicht verfälscht würde. Die Verwaltung, die dem Apostel Paulus übergeben wurde, war viel weiter ausgedehnt, als die seiner Delegierten: er hatte die Verwaltung des Geheimnisses des Christus in dieser Welt (Eph 3,2.9; 1,10; 1Kor 9,17), des Geheimnisses, das von den Zeitaltern und von den Geschlechtern her verborgen, jetzt aber durch den Geist geoffenbart war. Dieses Geheimnis war die Vereinigung der Versammlung mit Christo zu einem Leibe. Paulus sollte diese ihre Stellung und ihre Berufung bekanntmachen, und die Verwaltung dieses Geheimnisses war verbunden mit einem unaufhörlichen Wirken und einer beständigen Überwachung, denn der Apostel wünschte, dem Christus Seine Braut als «eine keusche Jungfrau» darzustellen.
Was Titus anbelangt, handelte es sich mehr, wenn auch nicht ausschliesslich darum, die äussere Ordnung in den persönlichen Beziehungen der Christen untereinander aufrechtzuhalten. In dieser Beziehung blieben verschiedene Dinge zu regeln, unter anderem die Einsetzung von Ältesten.
Die Frage der Ältesten, die so oft von denen erhoben wird, die in den protestantischen Kirchen den Klerus verteidigen, ist im Lichte des Wortes geklärt und ist für jeden geregelt, der sich der Autorität der Schriften unterwirft, so dass es unnütz erscheint, hier näher darauf einzugehen. Wir beschränken uns darauf, sie zusammenzufassen.
Die Ältesten, ein Name, der identisch ist mit Bischöfen oder Aufsehern, werden sorgfältig unterschieden von den Gaben des Geistes oder den Gaben, die der verherrlichte Christus Seiner Versammlung gegeben hat. Die Identifikation dieser Gaben mit den Ämtern der Bischöfe (oder Aufseher) und der Diakone (oder Diener) ist ein Kennzeichen des Verfalls der Kirche und hat diese nach dem Verlassen der ersten Liebe sehr bald charakterisiert. Die Ältesten, wie auch die Diakone, sind lokale Ämter, das heisst, sie überschreiten die Abgrenzung einer lokalen Versammlung nicht.
Diese Ämter bestanden, zwar nicht öffentlich, aber ebenso wirklich in den aus dem Judentum hervorgegangenen Versammlungen, während sie in den Versammlungen der Nationen durch den Apostel oder durch seine Beauftragten eingesetzt wurden. Es könnte noch andere gegeben haben, aber nur zwei dieser Beauftragten, Timotheus und Titus, werden in den Briefen als Gesandte des Apostels Paulus erwähnt. Auf alle Fälle sind wir nur ermächtigt, diese, die im Wort erwähnt sind, anzuerkennen. Titus ist der Beauftragte, mit dem unser Brief uns beschäftigt.
Die Gaben werden bis zum Ende bestehen (Eph 4,11-14). Von den Ämtern wird das nie gesagt. Ihr gegenwärtiges Fehlen (denn wir können die in offenem Widerspruch zum Worte Gottes eingesetzten Ältesten in keiner Weise anerkennen), ist ein ebenso greifbarer Beweis des Verfalls der Kirche, wie ihre Einsetzung ohne die Sanktion der Schriften. Tatsächlich, wo befindet sich heute die Autorität, um sie einzusetzen? Gewiss gibt es der Herr den Seinen ins Herz, da wo sie nach dem Worte versammelt sind, sich der Notwendigkeit der Aufsicht, die inmitten der Versammlungen vorhanden ist, zu unterziehen, aber jede Einsetzung oder Weihe von Ältesten, die auf eine andere Weise als in der geschieht, die das Wort lehrt, ist im Widerspruch zum Gedanken des Geistes Gottes. Die Christen, die dem Worte unterworfen sind, werden sich strikte an seine Unterweisungen halten, sowohl in diesem wie auch in jedem anderen Punkt.
Die Gabe und das lokale Amt können bei der gleichen Person vorhanden sein, aber in der Schrift werden sie nie miteinander vermischt. Ob so oder so, waren die Ältesten alle dazu bestimmt die Herde zu weiden, aber es gab Älteste, die nicht am Worte dienten. Ausser ihren Funktionen, die darin bestanden, die Herde zu überwachen und zu pflegen, sollten die Ältesten fähig sein, zu unterweisen, dem Worte anzuhangen nach der Lehre, damit zu ermahnen und die Widersprechenden zu überführen, aber mit dem Wort in dem Werke zu arbeiten und zu lehren war nicht unerlässlich für ihr Amt. Siehe 1. Timotheus 5,17, wo gesagt wird: «sonderlich die da arbeiten in Wort und Lehre».
Wir finden also in den Versen 6–9 die von den Ältesten geforderten Eigenschaften, damit Titus sie einsetzen konnte. Es handelt sich in erster Linie um Eigenschaften äusserlicher Art (V. 6), weil sie von allen festgestellt werden können. Sie zeigen sich beim Ältesten im Verhalten seines Hauses und im Leben seiner Familie. Der Älteste musste in dieser Beziehung untadelig sein. Wie hätte er andere zurechtweisen können, wenn er selber der Zurechtweisungen bedurfte? Er sollte verheiratet sein und konnte nicht zwei Frauen haben, was nicht gemäss der göttlichen Ordnung war, eingesetzt bei der Schöpfung, aber gebräuchlich unter den Nationen und üblich bei den Juden, die eine Frau entliessen, die ihnen nicht gefiel, um eine andere zu nehmen.
Der Älteste sollte seiner eigenen Familie gottgemäss vorstehen (um Ältester zu sein, war es nötig, dass er Kinder hatte), wenn nicht, wie konnte ihm da die Aufsicht über die Versammlung anvertraut werden? Seine Kinder sollten gläubig sein. Das setzte bei ihnen Bekehrung, Glauben, Gottseligkeit voraus. Es ging nicht an, dass seine Kinder der Ausschweifung angeklagt werden mussten, das heisst, der Unbeherrschtheit und des schlechten Lebenswandels. So war es einst bei den Söhnen Elis. Diese dienten ihrem Vater zum Fall, weil er nicht streng gegen sie war und seine Söhne mehr ehrte als Jehova. Daher hatten ihre Ausschweifungen über sie und ihren Vater ein schreckliches Gericht herabgezogen. Die Kinder der Ältesten sollten nicht den Vorwurf der Zügellosigkeit auf sich laden, indem sie die Autorität ihres Vaters über sich missachteten. An diesen Wesenszügen konnte die Welt erkennen, dass in der Familie des Ältesten eine Gott gemässe Ordnung aufrechterhalten wurde.
Der 7. Vers stellt uns den Ältesten selbst bezüglich seiner inneren und persönlichen Eigenschaften vor. Wenn er in seinem Familienleben untadelig sein musste, so sollte er es auch als Verwalter Gottes sein. Er war weder gegenüber dem Apostel verantwortlich, der seine Einsetzung angeordnet, noch gegenüber Titus, der ihn angestellt hatte, sondern Gott gegenüber, der ihm die Verwaltung Seines Hauses anvertraute. Wir finden hier also drei Grade in der Verwaltung: zuerst den Apostel, dann Titus, sein Abgeordneter, dann den Ältesten, aber ihrer aller Verantwortlichkeit war gegenüber Gott allein. Wie wichtig ist es, dies festzuhalten!
Welches auch immer die Aufgabe sein mag, die Gott uns anvertraut hat, wir sollen sie im Blick auf Ihn verrichten. Wie wir gesehen haben, sind die Verwaltungen sehr verschiedenartig; ein Ältester konnte nicht übergreifen auf die Aufgabe des Titus, noch ein Titus auf die des Apostels. Ein solches Handeln des einen oder des andern hätte verwerfliche Selbstgefälligkeit und Unabhängigkeit bewiesen, die in diesen verschiedenen Verwaltungen zu einer völligen Unordnung geführt hätte. Aber es blieb dabei nicht weniger wahr, dass die Verantwortung eines jeden – hier des Ältesten – vollständig und keineswegs abgeschwächt war gegenüber Gott, weil er sich in einer untergeordneten Stellung befand. Hier war diese Verwaltung zweifellos äusserlich, aber es gibt nichts Nebensächliches, wenn es sich um das Haus Gottes handelt.