Behandelter Abschnitt Tit 1,5-9
Verse 5-9 Älteste
Das Thema „Anstellung von Ältesten“ hat die Gemüter immer wieder bewegt und tut es heute noch. Ständig werden Fragen gestellt wie: „Wer stellt an?“, und: „Wer kann angestellt werden?“, oder: „Gibt es auch heute noch Älteste, und woran kann man sie erkennen?“ Um diese Fragen gut beantworten zu können, musst du einiges beachten. So ist es wichtig, daran zu denken, dass Älteste eine Stellung der Autorität haben und in diese Stellung nur durch eine höhere Autorität eingesetzt werden kön- nen. Überall, wo du in der Schrift etwas über das Anstellen von Ältesten liest (und das ist an drei Stellen der Fall: Apg 14,23; 20,28 und hier), findest du, dass sie von ei- nem Apostel oder ihren Abgesandten angestellt wurden. Die Anstellung erfolgt also nicht durch die Gemeinde. Es wäre schon merkwürdig, wenn die Gemeinde selbst bestimmen sollte, wer Autorität über sie ausübt. Deshalb ist der Brief auch an Titus gerichtet und nicht an die Gemeinde auf Kreta. Nein, Autorität kommt immer von oben.
Titus wurde angewiesen, im Auftrag des Apostels Älteste anzustellen. Das Anstellen von Ältesten war nötig, weil die Gemeinde noch nicht über das gesamte Neue Testa- ment verfügte. Eine offizielle Anstellung gab den Ältesten die Berechtigung, in der Gemeinde solchen entgegenzutreten, die sich als geistliche Führer aufspielten, tat- sächlich aber Verführer waren. Die Gemeinde sollte auf die Ältesten hören, und dann würde sie erfahren, wie gesegnet das ist. In unseren Tagen ist eine offizielle Anstel- lung nicht nötig, weil wir das vollständige Wort Gottes besitzen.
Wenn du bedenkst, dass Älteste also nur durch eine höhere Autorität angestellt wer- den konnten, dann ist die Frage, ob heute noch Älteste angestellt werden können oder sollten, nicht so schwierig zu beantworten. Es gibt keine Apostel mehr und auch niemanden, der im Auftrag eines Apostels handeln könnte. Eine Anstellung von Äl- testen ist deshalb nicht mehr möglich. Das heißt aber nicht, dass es keine Ältesten mehr gibt. In der Bibel wird häufiger von Ältesten gesprochen, ohne dass dabei er- wähnt wird, dass sie offiziell angestellt waren (z. B. Apg 11,30; 1Tim 5,17; Jak 5,14; 1Pet 5,1.2).
Das Wort „Älteste“ weist sowohl im Alten als auch im Neuen Testament auf jeman- den hin, der eine gereifte Lebenserfahrung hat. In diesem Sinn gibt es glücklicherweise immer noch Älteste, wobei du auch an solche denken kannst, die führen, und an die Gnadengabe der Regierung (Apg 15,22; Röm 12,8; 1Kor 12,28; 1Thes 5,12; Heb 13,7.17.24). Sie alle haben zwar keine formale Autorität, du solltest dich ihnen jedoch unterordnen, wenn du merkst, dass sie diese Gabe haben und in Übereinstimmung mit dem Wort Gottes handeln.
Dann folgen die Eigenschaften, die ein Ältester besitzen muss. Die erste Vorausset- zung ist, dass ein Ältester „untadelig“ sein muss. Das bedeutet, dass gegen ihn keine Anklage erhoben und ihm nichts vorgeworfen werden kann. Der erste Bereich, für den das gilt, ist seine Ehe und Familie. Wenn er als Folge seines früheren Lebens in der Sünde mehr als eine Frau hatte, konnte er kein Ältester sein. Und wenn er Kinder hatte, mussten auch sie gläubig sein. Sie mussten jedoch nicht nur gläubig sein, son- dern durften auch nicht als Geld verschwendende Genussmenschen bekannt sein, die von ihrem Vater nicht unter Kontrolle gebracht werden konnten.
Es durfte deshalb nichts geben, was gegen die Familie eines Ältesten vorgebracht werden konnte. Denn wenn er nicht einmal seine eigene Familie richtig führen konnte, wie sollte er dann die Gemeinde führen können (1Tim 3,5)? Meinst du, das wäre zu viel erwartet? Es mag dir vielleicht so scheinen, aber du kannst doch auch nicht erwarten, dass Gott seine Anforderungen herabstuft und unserer Praxis an- passt. Sicher ist es eine Gnade, wenn die Kinder gläubig sind, denn Glauben kann man nicht vererben. Aber es gibt auch die Seite der menschlichen Verantwortung. Gott geht davon aus, dass in einer Familie, wo die Eltern gläubig sind, auch die Kin- der gläubig sind. Es ist seine Absicht, jemanden mit seinem ganzen Haus zu erretten (Apg 16,31; Jos 2,18; 2Mo 12,3; 1Mo 6,18; 7,1). Geistliche Führer sind dafür verant- wortlich, bei ihren Kindern das Verlangen zu wecken, dem Herrn Jesus zu folgen.
Nach der Familie geht es um die persönlichen Qualitäten des Aufsehers. Merkst du, dass Paulus in Vers 5 über Älteste und in Vers 7 über Aufseher spricht? Wie bereits früher erwähnt (siehe die Erklärung zu 1. Timotheus 3,1-5), geht daraus hervor, dass Älteste und Aufseher dieselben Personen sind. Als erstes persönliches Merkmal, ab- gesehen von der Familie, wird erneut gesagt, dass es nichts geben darf, dessen ein Aufseher bezichtigt werden könnte. Weiter muss er sich darüber im Klaren sein, dass es um eine Aufgabe im Haus Gottes geht. Er ist dort Verwalter und nicht Eigentümer. Ihm ist etwas zur Verwaltung anvertraut worden, was einem anderen, nämlich Gott, gehört. Für seinen Umgang damit ist er Ihm deshalb auch verantwortlich.
Wenn der Aufseher sich dessen bewusst ist, wird er sich nicht anmaßend verhalten. Er wird keine Autorität beanspruchen und keinen Gehorsam fordern, ohne dass nach dem Grund dafür gefragt werden dürfte. Er wird anderen das Recht zugestehen, dass man ihnen erklärt, warum etwas gut ist oder nicht. Wenn Fragen aufkommen, wird er nicht wie von einer Wespe gestochen aufbrausend reagieren, selbst wenn er dahinter böse Absichten vermutet. Er lässt sich nicht schnell zum Zorn reizen, son- dern kann sich gut beherrschen. Diese Selbstbeherrschung zeigt er auch im Blick auf seine Gelüste. Er lässt sich nicht vom Alkohol verleiten. Es ist nichts dagegen einzu- wenden, wenn man gelegentlich ein Glas Wein trinkt (1Tim 5,23). Verkehrt ist es al- lerdings, wenn man süchtig danach wird. Ein Aufseher ist auch kein Schläger. Es geht ihm nicht darum, über andere zu herrschen, weder mit den Fäusten noch mit dem Mund. Auch übt er sein Amt nicht aus, um daraus finanziellen Vorteil zu zie- hen.
Nach den sieben Kennzeichen in Vers 7 (von denen sechs negativ sind), stellt Paulus Titus in den Versen 8 und 9 sieben positive Kennzeichen vor. Christsein ist nicht durch das Fehlen von negativen Dingen gekennzeichnet, sondern durch das Vorhan- densein von positiven Dingen, die es weiterzuentwickeln gilt. Statt eigene Interessen zu verfolgen und auf eigenen Vorteil bedacht zu sein, geht es dem Ältesten darum, für andere da zu sein. Das zeigt sich in erster Linie in Gastfreundschaft. Er lädt nicht nur Freunde zum Kaffee ein, sondern hat ein offenes Herz für hilfsbedürftige Gläu- bige, die ihm vielleicht sogar unbekannt sind.
Als jemand, der das Gute liebt (oder ein Freund der Guten ist), hat er ein Herz, das für alles weit offen steht, was gut und nützlich ist. Das lässt ihn nicht leichtsinnig werden und macht ihn nicht zu jemandem, der sich ohne Unterschied für alles leicht erwärmen lässt. Er verhält sich sittsam oder besonnen und ist ausgeglichen in seinen Ansichten und in seinem Handeln. Anderen gegenüber verhält er sich gerecht und ist im Umgang mit ihnen ehrlich und aufrichtig. Er ist fromm (oder heilig), d. h., es geht ihm in allem um die Ehre Gottes und er lebt in Ehrfurcht vor Ihm. Was ihn selbst angeht, so ist er enthaltsam. Das ist mehr, als nur Mäßigung beim Trinken zu zeigen. Gemeint ist, dass er sich selbst beherrschen kann und seine Wünsche oder Gelüste im Griff hat. Ein Ältester muss also in Bezug auf seine Mitmenschen gerecht, in Bezug auf Gott heilig und in Bezug auf sich selbst enthaltsam oder selbstbe- herrscht sein.
Ein Ältester wird es auch mit „Widersprechenden“ zu tun bekommen, vor allem von jüdischer Seite („die aus der Beschneidung“, V. 10). Diese Leute sind überall und ständig dabei, sich der Wahrheit zu widersetzen. Auf listige Weise versuchen sie, die Menschen gedanklich zu verwirren. Der Aufseher sollte nicht versuchen, diesen Menschen mit seinen eigenen Worten zu widerstehen, sondern mit einem Wort, das mit der Lehre des Apostels in Übereinstimmung ist. Er sollte ermahnen und überfüh- ren oder widerlegen mit dem Wort Gottes, das allein wirklich zuverlässig ist, weil es von Gott kommt. Es war das Wort, das Paulus weitergegeben hatte. Der Aufseher hat zwar Autorität, steht aber selbst auch unter Autorität, nämlich unter der Autori- tät des Wortes Gottes, das der Apostel gelehrt hatte. Dieses Wort wird als die „ge- sunde Lehre“ bezeichnet. Es ist in sich selbst gesund und nicht mit fremden, mensch- lichen Gedanken vermischt. Es ist auch gesund in seiner Auswirkung. Wenn du da- rauf hörst, wirst du dadurch gesund im Glauben.