Behandelter Abschnitt Hld 4
In Kapitel 4 sehen wir, wie der Herr wirkt, um die Liebe Seines Volkes zu wecken. Und hier haben wir eine wunderbare Anrede, die der Glaube an jenem Tage verstehen wird. Sie werden wissen, dass es der Messias ist, der dies von ihnen sagt, und es wird ein großer Trost für sie sein. „Siehe, du bist schön, meine Freundin, siehe, du bist schön. Deine Augen sind Tauben hinter deinem Schleier. Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die an den Abhängen des Gebirges Gilead lagern“. Und so beschäftigt Er sich ausführlich mit ihrer persönlichen Anmut und Schönheit. Ich kann natürlich nicht alle Einzelheiten behandeln; aber alles wird aufgeführt, was ihr in besonderer Weise eigen ist. Nicht, was sie tat es waren nicht ihre Taten; denn das ist es nicht, was ein Herz vollkommen zur Ruhe bringt.
Wir können nicht immer etwas tun, und wir mögen uns oft wegen der Armut unseres Tuns mit Gewissens-Vorwürfen überhäufen. Wenn wir Seine Liebe uns gegenüber betrachten – wenn Seine Liebe voll ans Licht kommt, offenbart, nicht nur als eine Sache des Empfindens, nicht als eine vorübergehende Vision oder etwas dergleichen, sondern gemäß dem unerschütterlichen, unveränderlichen Wort Gottes, wie gesegnet für die Seelen, die erwacht sind zu sagen: Das ist Seine Sprache mir gegenüber; das ist es, was Er uns gegenüber empfindet. Und dies wird ihnen an jenem Tage eindringlich vor Augen stehen. Wir sehen da den Unterschied zwischen Israel und uns.
Auch sie spricht. Es ist ein Austausch ihrer gegenseitigen Zuneigung hier die Liebe der Braut zum Bräutigam. Aber ich will doch etwas Bemerkenswertes, einen überraschenden Unterschied, herausstellen: Wenn Er spricht, spricht Er stets zu ihr. Sie aber spricht immer von Ihm, nicht zu Ihm. Und genau so sollte es sein. Man kann fühlen, wie angemessen das ist und wie völlig passend für die Beziehung, in der sie zueinander stehen; denn sie möchte ja Gewissheit darüber haben, dass Er, dieser Heilige, dieser Vollkommene, sie lieben konnte, sie, die von sich selbst (im ersten Kapitel) anerkennen musste, genau das Gegenteil gewesen zu sein. Die Gnade hatte gewirkt; sie wusste es und leugnete es nicht. Aber noch wünschte sie zu wissen, was Er empfand. Und Er spricht es aus; Er lässt es sie wissen.
In der ersten Hälfte des Kapitels bringt der Bräutigam dann zum Ausdruck, wie schön sie in seinen Augen ist. Dann kommt etwas anderes: Er kennt und anerkennt völlig die Gefahr, in der sie sich befand die Fallstricke und die Feinde, die sie umringten. Das ist die Bedeutung des Wortes: „Mit mir vom Libanon herab, meine Braut, mit mir vom Libanon sollst du kommen“ (Vers 8). Das wird noch klarer, wenn Er fortfährt: „Vom Gipfel des Amana herab sollst du schauen, vom Gipfel des Senir und Hermon, von den Lagerstätten der Löwen“.
In der Heiligen Schrift gibt es nichts ohne eine gesegnete Bedeutung; stets wendet sie sich in vollkommener Gnade an den Leser, der darauf rechnet, dass Gott ihm Sein Wort auftut. „Von den Lagerstätten der Löwen, von den Bergen der Panther“. Das sind ganz klare Bilder von der größtmöglichen Gefahr. Sie deuten an, dass sie gewissermaßen in der Höhle des Löwen gewesen war. Und so war es ja auch gewesen. Die Bilder zeigen, dass sie umgeben war von diesen grausamsten Feinden, die nur darauf aus sind, sich auf ihre Beute zu stürzen. „Von den Bergen der Panther. . . “. Sie war also auf den Bergen der Panther gewesen! Aber: „Komm mit Mir“! Er ruft sie hinweg, gibt ihr die Gewissheit der Befreiung; denn wer ist Er? Hat ER nicht die Vollmacht, das zu tun? Kann Er versagen? Unmöglich. Dies ist deshalb nicht nur ein Schrei ihres Herzens. Das ist nicht der Charakter. Nicht sie beklagt hier ihre Not. Nicht sie bittet deshalb, von den „Lagerstätten der Löwen“ und den „Bergen der Leoparden“ befreit zu werden. Es ist vielmehr Er, der für sie empfindet – Er ist es, der da sagt: „Komm mit mir vom Libanon herab“! Und darin liegt kein Vorwurf.
Wie war sie denn dahin gekommen? Sie war von Ihm weggegangen! Wie konnte sie in den „Bergen der Panther – gefunden werden? War Er dort? Keineswegs. Ging sie dorthin, um Ihn zu finden? Ihr Eigenwille trieb sie, ihr böses Herz voller Unglauben, das sich von dem lebendigen Gott losgesagt hatte (Heb 3,12). Das war es, was das Unglück über Jerusalem gebracht und die Juden in alle Teile der Welt zerstreut hatte. Ohne Zweifel waren sie dort gewesen; und selbst dann, wenn sich dieser Gesang erfüllt und sie in Jerusalem sein werden, werden sie noch leiden. Sie werden wieder an demselben Platz sein, demselben Schauplatz, aber noch nicht in der ausgesprochenen Gunst und unter dem herrlichen Schutz von Jehova stehen. Weit davon entfernt. Die Löwen und die Panther werden noch mit ihnen zu tun haben, obwohl sie nicht länger unter den Heiden zerstreut sein mögen. Aber die Löwen und die Panther werden ihre Hand über ihnen haben wir können auch sagen: ihre Pranke; denn wie wir wissen, werden die heidnischen Mächte in den Propheten so beschrieben als Tier. Ich führe dies an als ein offensichtliches Bindeglied zwischen diesem Buch und z. B. den Psalmen.
Aber die Psalmen beziehen sich mehr auf persönliche Übungen. Ein Psalm, nämlich der 45. es mag auch andere Andeutungen geben – bildet ein Übergangsglied zwischen dem Buch der Psalmen und diesem wundervollen Hohenliede. In jenem Psalm habe wir die Braut, und zwar dieselbe Braut, von der hier die Red ist. Ich gebe diesen Hinweis nur, weil er vielleicht Seele helfen kann, die das nicht genügend berücksichtigt haben Nun, der Herr redet weiter zu ihr und lädt sie ein, dies böse und gefährliche Umgebung zu verlassen, und wieder spricht Er davon, was sie für Ihn ist. Ein sehr liebliches Wort wird hier hinzugefügt – und das, nachdem Er von ihr als in den Lagerstätten der Löwen, auf den Bergen der Panther gesprochen hat: „Honigseim träufeln deine Lippen, meine Braut, Honig und Milch ist unter deiner Zunge, und der Duft dein Gewänder wie der Duft des Libanon“ (Vers 10–11). D2 stimmt genau mit dem Geist in den Propheten überein – hier vielleicht etwas ausgeprägter: Während Jerusalem wirklich als das untreue Weib entlassen ist, wird der Herr s doch wie in der Trauer einer Witwe betrachten. Er wird s nicht tadeln, dass sie nun als ein schuldiges Weib verworfen ist, sondern mit Zärtlichkeit und Gnade wird Er zu ihr sprechen, so, als sei sie eine trauernde Witwe.