Fritz Binde
Schriften von Fritz Binde
2Kor 3,18 - Unsere Umwandlung in das Bild Christi2Kor 3,18 - Unsere Umwandlung in das Bild Christi
«Nun aber spiegelt sich in uns allen des Herrn Klarheit mit aufgedecktem Angesicht, und wir werden verklärt in dasselbe Bild von einer Klarheit zu der anderen, als vom Herrn, der der Geist ist»
Dieser Vers offenbart uns in klarer Weise den Vorgang unserer Umwandlung in das Bild Christi. Und zwar nennt uns der erste Satzteil die Bedingung für unsere Umwandlung, der Mittelsatz sagt uns, wie wir umgewandelt werden, und der letzte Satzteil enthüllt uns, wer uns umwandelt.
Alle Arbeit des Heiligen Geistes in diesem Zeitalter geht darauf aus, uns das Bild Christi zu verklären, um uns in dasselbe Bild zu verklären. So wie der Sohn Gottes uns das Bild des Vaters offenbart hat (Joh 1,14-18; 12,45; 14,7-10; 17,25-26), so will uns der Heilige Geist das Bild des Sohnes offenbaren (Joh 16,12-15). Darum, wer irgend vom Geist geleitet wird, der wird zum Sohne Gottes hingeleitet, um im Sohne den Vater zu erkennen und dem Sohne gleichgestaltet zu werden. Bekehrung ist die entschlossene Abkehr von unserem eigenen Bilde und die endgültige Hinkehr zu Christi Bild. Gläubig werden heißt, vor Christus, dem erschauten Lichte der Welt, sehend werden. »Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit«, das ist und bleibt das Ergebnis jeder rechten Hinkehr zu Jesus. Das Glaubensleben ist ein Leben nicht nur mit erneutem Sinn (Röm 12,2), sondern auch ein Leben mit erneuten Sinnen (Heb 5,14). Es ist die gottgeschenkte Fähigkeit neu zu hören, zu sehen, zu tasten usw.
Das erneuerte Ohr hört Gott aus den Worten des Sohnes Gottes, das erneute Auge schaut Gott im Sohne Gottes. In ihm ließ Gott aus der Finsternis das Licht scheinen, das hineinschien in unsere Herzen zur Erleuchtung der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesichte Christi (2Kor 4,6). Nun gilt es: »Weil ihr das Licht habt, glaubet an das Licht, damit ihr Söhne des Lichtes werdet!« (Joh 12,36). Nur der Glaube an das Licht schaut das Licht und macht uns im Schauen des Lichtes zu Söhnen des Lichtes, die des Lichtes Widerglanz und Bildnis tragen. Darum ist die Grundbedingung für unsere Umwandlung in Christi Bild die Widerspiegelung der Klarheit oder Herrlichkeit des Herrn mit aufgedecktem Angesicht.
Also schau im Glauben Jesus an! Ohne fleißige und gesammelte Anschauung Christi keine Widerspiegelung seiner Herrlichkeit und keine Umgestaltung in sein Bild! Die Anschauung Christi ist das empfängliche Wachsein für den Eindruck, den er auf uns machen will. Von ihm selbst gehen die umformenden Kräfte aus, die uns der Heilige Geist vermitteln soll; denn der Heilige Geist nimmt es immer von dem, das Christi ist (Joh 16,14). Darum ist alle Leitung durch den Heiligen Geist nichts anderes als das immer neue sanfte Hinwenden unseres Angesichtes zum Angesichte Christi hin. Aber die betrügerische List Satans gipfelt darin, den Gläubigen immer etwas anderes als Christus vor Augen zu halten. Fast alle Kranken am Glauben sind eigentlich krank am Glaubensauge. Sie sehen Jesus nicht recht oder sehen ihn sogar nicht mehr. Entweder ist das innere Licht bei ihnen noch zu schwach, so dass die erleuchteten Augen des Herzens fehlen, um die Paulus für die Epheser flehte (Eph 1,18), oder sie sind aus Trägheit unfruchtbar in der Erkenntnis Christi geblieben und dabei kurzsichtig und blind geworden (2Pet 1,8-9), oder es handelt sich um zeitweilige Verdunklungen des Bildes Christi oder vorübergehende Ablenkungen von seinem Lichte. In allen diesen Fällen hat der Seelsorger nichts anderes zu tun, als Christus wieder vor Augen zu malen (Gal 3,1), damit er wieder den Blick fesseln und dem Herzen Glauben und Vertrauen schenken kann. Und wie ändert sich das Angesicht der Betrübten, Schwachen und Kranken im Glauben, wenn sie Jesu Angesicht wieder leuchten sehen! Sobald sie wieder in seinem Lichte stehen, wird ihr Antlitz strahlend (Ps 34,6). Nun, da sie zur Anschauung Christi zurückgebracht sind, kann der Heilige Geist weitere Arbeit an ihnen tun; denn was der Mensch anschaut, in das wird er verwandelt.
Was deine Augen suchen, das wird dein Leben widerspiegeln. Woran deine Augen hängen, dem wandelst du nach und in das wirst du verwandelt. Wie oft habe ich die Damenwelt vor den Gruppen von Modepuppen der Schaufenster beobachtet. Ei, wie haften da die Blicke der Modesüchtigen an den zur Schau gestellten Kostümen und an der Stellung und Haltung der Puppen! Nur eine Begierde brennt im Herzen und flammt aus den Augen, nämlich so schnell wie möglich auch so eine zu werden, wie die da hinter der Glasscheibe ist. Oh sieh, die Welt formt sich ihre Bilder und Götzen nach dem Betrug ihres Herzens und der Lust ihrer Augen zu ihrem Verderben. Aber, Kind Gottes, wie sollten deine Augen glückselig sich sättigen am schönsten der Menschenkinder! (Mt 13,16; Ps 45,3.) Die ihn für nichts achteten, wandten einst das Angesicht von ihm weg (Jes 53,3), und die sich an ihm ärgern, kehren ihm heute noch den Rücken. Wir aber, die wir wissen, dass nicht nur die Strafe auf ihm liegt, sondern auch der Abglanz der Herrlichkeit Gottes (Heb 1,3), und in ihm verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis Gottes, wir sollten nicht loskommen von dem Angesichte, das immer noch heller leuchtet als die Sonne und immer noch bespien wird vom Munde der Menschheit und geschlagen von den Fäusten der Diener dieser Welt. Wie sollen denn unsere unruhigen, hungrigen Augen von der Eitelkeit alles Sichtbaren genesen, wenn sie nicht haften und satt werden an seinem Bilde? Was soll uns denn erquicken, leiten und halten, wenn nicht das Licht seines Angesichtes? Viel Anregung und Gewinn empfing ich auf einer Konferenz durch die wirklich tüchtigen Redner, aber der lichteste Segen strahlte mir aus dem Spruch entgegen, den ich über meinem Bette vorfand; es war das alte, mir wieder wunderbar neu gewordene Wort: »Habe deine Lust am Herrn, der wird dir geben, was dein Herz wünscht« (Ps 37,4)!
Was ist es denn, das uns dieser einzigen Lust, der keine Reue und kein Verderben folgt, nicht treu bleiben lässt, wie wir es sollten? Es ist die Lust aller Lust des Fleisches, nämlich der Rest der trügerischen Lust an uns selbst. Es ist immer wieder die betrübende Rückkehr zu unserem eigenen Bild und Wesen, in der der Glaubens-Aufblick zu Jesus erschlafft und hinsinkt, bis er zum Trugblick der Selbstbetrachtung heruntergesunken ist. Nichts versteht Satan, der Tausendkünstler, besser, als die Kunst, uns auf eine feine, unvermerkte, taschenspielerische Art vom Angesichte Christi hinweg und zu uns selbst zurückzuleiten. Wohl müssen wir bei der innigsten Jesusanschauung auch Acht haben auf uns selbst (1Tim 4,16), aber Selbstbetrachtung auf Kosten der Jesusanschauung führt beinahe immer zum Hochmut oder zur Schwermut. Hochmütig werden wir gewiss, wenn wir unter des Feindes Trugleitung allmählich wieder Wohlgefallen finden an uns selbst. Der unterm Kreuz von Golgatha vollzogene Einspruch gegen unser entwertetes, verurteiltes und verworfenes Ich verliert nach und nach an Ernst und Schärfe. Die wachsame Glaubensbetätigung, in der wir uns für mit Christus gekreuzigt, gestorben und begraben, Gott aber in Christus lebend wissen, erschlafft und erlahmt mehr und mehr. Selbstverneinung, diese unerlässliche Voraussetzung für jede Jesusanschauung, weicht einer heimlich wachsenden Selbstbejahung, die auch den lockenden Begierden wieder mehr und mehr die alten Rechte verleiht. Bald entspricht der Rausch der Selbstsicherheit dem Betrug der geistentfremdeten Sinne, und man lebt im Hochmut der Selbstgefälligkeit, ohne dass man es eigentlich recht weiß. Wie weit, weit ist man unter Beibehaltung der religiösen Gewohnheiten weg vom Angesichte Christi! Statt Widerspiegelung der Herrlichkeit des Herrn, Selbstbespiegelung im Truglichte der mehr oder weniger bewussten Selbstherrlichkeit! Und erst wenn wir dem wieder ins Angesicht sehen, der kein Gefallen an sich selber hatte (Röm 15,3), waschen Bußtränen unser Angesicht, dass es die Herrlichkeit des Herrn nun umso reiner widerspiegele.
Schwermütig aber werden wir gewiss, wenn der Feind uns allmählich das Licht der Herrlichkeit des Herrn, in dem allein unsere Seele die Fülle der Freude hat (Ps 16,11), zu dämpfen oder zu verdunkeln vermag. Dies wird stets in dem Maße gelingen, als er uns in den finsteren Bannkreis unserer alten Natur zurück zu zaubern vermag. Allmählich oder plötzlich stellt er uns vor das dunkle Bild unserer eigenen Unzulänglichkeit, um unsere Seele in den Abgrund der Verzagtheit zu stürzen. Gewöhnlich knüpft er dabei an geschehene Sünden an, um den Glauben an deren Vergebung zu rauben. Oder er wälzt unübersehbare Sorgenberge zwischen uns und das Angesicht des Herrn, deren Last und kalter Schatten zum Tod und Grab aller Glaubensfreude werden sollen. Oder er sucht die Seele durch Neiden und Streiten zu vergiften und zu verhetzen oder durch Arbeit zu zermürben. Verlassen von Jesus, verwiesen nur noch auf die eigene Kraft und verloren in der eigenen Ohnmacht, sieht der also umstrickte Mensch nichts anderes mehr als sein eigenes jämmerliches Ich, und erstarrt im Käfig der Schwermut, im Schatten seiner fluchvollen Ichbejahung, zu keiner anderen Ichverneinung mehr fähig als zu der der Selbstentleibung. Anstatt Widerspiegelung der Herrlichkeit des Herrn, Selbstbespiegelung im verfluchten Bilde des alten Menschen in schwärzester Selbstverzweiflung. Und nicht eher wird er frei, als bis er über alle düstere Ichenge hinaus das Glaubensauge wieder der Herrlichkeit des Herrn im Lichte des Angesichts Christi zu öffnen vermag.
Nicht wenige Gläubige taumeln aber auch von Hochmut zu Schwermut. Tiefes Mitleid erfasste mich, als mir ein gebildeter Bruder einst beichtete: »Bei mir geht’s immer hinauf und hinunter. Liege ich ächzend und stöhnend im Schatten der Schwermut danieder, so jammere ich so lange, bis mir der Herr hilft, und bin ich wieder froh und frei, so fange ich wieder an, mich zu fühlen, bis ich wieder den Kopf im Hochmut recke und der Herr mich wieder in die Tiefe der Schwermut hinunter demütigen muss!«
Gegen diesen Doppelbetrug unseres Herzens hilft nichts als der Glaubensblick von uns selbst hinweg und über uns selbst hinaus hinauf zu Jesus hin (Heb 12,1ff). Wer unbeirrt auf ihn schauen lernt, wird geheilt von Hochmut und Schwermut. Vor ihm, dem einen, der keinen Gefallen an sich selber hatte, obwohl er der einzige war, der Gefallen an sich hätte haben können, vergeht uns, je länger wir ihn anschauen, desto mehr die Lust an uns selber. Und vor ihm, dem unveränderlich Treuen und Gerechten, der uns immer wieder vergibt, wenn wir nur in glaubenstätiger Ichverneinung und Jesusbejahung zu ihm kommen, muss auch immer endgültiger jede Verzagtheit schwinden. Und genau in dem Maße, als wir zwischen Hochmut und Schwermut hindurch stracks unser Angesicht ihm zuwenden, werden wir die Herrlichkeit des Herrn widerspiegeln.
Ach, wie viele möchten so gerne die Herrlichkeit des Herrn widerspiegeln und als ein Licht im Herrn ihrer Umgebung leuchten! Aber was muss man denn tun, dass sich das liebliche Verslein erfülle: »Leuchten müssen wir, du in deiner Ecke, ich in meiner hier!«? Muss man sich da selber anzünden? Muss man sich etwa Leuchtfarbe aufs Gesicht streichen? Manche gebärden sich ähnlich. Sie machen verzweifelte Anstrengungen, sich selbst licht und leuchtend zu machen. Aber je mehr sie sich in ichgläubiger Selbstbejahung abmühen, zu glänzen und zu strahlen, desto mehr wird nur ihre angeborene Finsternisnatur offenbar. Bis man es endlich lernt: Nichts hast du zu tun, um zu leuchten, als das eine: Tritt aus dem Schatten deiner selbst heraus und in den Lichtstrom der Klarheit und Herrlichkeit des Herrn, der von seinem Angesichte ausgeht, hinein, und siehe, alsbald beginnst du zu leuchten! Was muss man denn tun, um in der Sonne zu leuchten? Jedermann weiß es. Nichts anderes, als die Schattengrenze zu überschreiten und in den Sonnenschein hineinzutreten. Und kommt gar die Sonne zu dir, so hast du nichts anderes zu tun, als dich von ihr bescheinen zu lassen. Genau so ist’s mit dem Glanz des Angesichtes Christi:
Schau Jesum an, sonst nichts! Der größte Sünder wird so nur ein Kind des Lichts.
Aber wo sollen wir denn Jesus anschauen? Nun, seine Herrlichkeit strahlt uns immer wieder am reinsten aus seinem Wort entgegen. Im Lichte seines Wortes sehen wir ihn als Licht. Und zwar schauen wir da die Herrlichkeit des Herrn im siebenfachen Lichtstrahle seines siebenfachen Bildes.
Zuerst im Vorbilde des wandelnden und handelnden Meisters. Ihm gilt unser erster Glaubensblick, damit unser alltäglicher Lebensgang nach seiner Gesinnung ausgerichtet werde (Phil 2,5) und wir Sanftmut und Demut von ihm lernen (Mt 11,29-30), um beides widerszuspiegeln.
Der zweite Glaubensblick erhebt sich zum Bilde des Gekreuzigten, damit wir über unser mannigfaltiges Fehlen hinaus immer wieder glaubensfroh sagen lernen: »All Sünd’ hast du getragen, sonst müssten wir verzagen!« und ihn als Mitgekreuzigte widerspiegeln.
So sehen wir ihn mit dem dritten Glaubensblick im Bilde des Auferstandenen, damit wir den Sieger über Sünde, Krankheit und Tod im Gedächtnis behalten, mit dem auch wir auferstanden sind (Kol 3,1), damit die Kraft seiner Auferstehung, mit der der Vater ihn aus den Toten auferweckt hat, auch in uns, den Glaubenden, wirke, um sich als Neuheit des Lebens widerzuspiegeln (Eph 1,20; Phil 3,10; Röm 6,4-5).
Mit Christus auferstanden und durch seine Auferstehung wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung, sucht nun unser vierter Glaubensblick das, was droben ist, nämlich das Bild des Erhöhten, damit wir ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt sitzen sehen zur Rechten der Majestät, als Haupt und Heiland seines Leibes und als barmherzigen Hohepriester und Fürsprecher, der immerdar lebt und für uns bittet, und zu dem wir aufsehen, um im Empfang der Kraft des Heiligen Geistes unseren himmlischen Wandel widerspiegeln zu können im Kampf, der hier unten noch vor uns liegt (1Pet 1,3; Kol 3,1; Heb 2,9; Eph 1,20-23; 5,23; Heb 7,25; 5,15-16; 1Joh 2,1; Phi. 3,20; Heb 12,2).
So nach und von oben lebend, heben wir unsere Häupter hoch als Wartende, deren fünfter Glaubensblick dem Bilde des Wiederkommenden gilt, den wir dann sehen werden, wie er ist, und der unseren Leib der Niedrigkeit dem Leibe seiner Herrlichkeit gleichgestalten wird, damit wir beim Empfang unseres Lohnes und Erbes im Bilde des Himmlischen ihm gleich sein werden, um mit ihm offenbar zu werden in seiner Herrlichkeit, und damit die Liebe, mit der wir ihn lieben, obgleich wir ihn jetzt noch nicht sehen, und die Freude, mit der wir ihm dienen und ihn erwarten, bis dass er kommt, sich widerspiegele auf unserem fröhlich in Hoffnung erhobenen Angesicht (1Joh 3,2; Phil 3,21; Off 22,12; 1Pet 1,4; 1Kor 15,49; Kol 3,4; 1Pet 1,8; Lk 21,28).
Der sechste Glaubensblick aber ist gerichtet auf das Bild des gerechten Richters, der vor der Türe steht, und der kommen wird, die bewohnte Erde zu richten in Gerechtigkeit. Ihn sieht das Glaubensauge, wie er mit Frohlocken die Seinen vor das Angesicht seiner Herrlichkeit stellt, um sie offenbar werden zu lassen in den Werken, die die Gnade in ihnen wirken konnte. Ihn sieht es auch, wie er ein Belohner alles dessen sein wird, was man den Seinen getan hat. Und ihn sieht es aber auch, wie er in machtvoller Herrlichkeit durch die Erscheinung seiner Ankunft mit dem Zorne des Lammes seine Feinde richten und die Zügel der Weltregierung in seine Hand nehmen wird. Bis dahin hat der feste Grund Gottes dieses Siegel: »Der Herr kennt die Seinen«, und: »Es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennt«, und die Frucht der Gerechtigkeit wird widergespiegelt in der Geduld der Heiligen (2Tim 4,8; Jak 5,9; Apg 17,31; Jud 24; 1Kor 3,13-15; 2Kor 5,10; Mt 25,31-46; 2Thes 2,8; Off 19,11-21; 20,11-15; 2Tim 2,19; Phil 1,11; Off 14,12).
Am weitesten endlich trägt der siebente Glaubensblick, der den Herrn der Herrlichkeit (1Kor 2,8) bereits als allgewaltigen Herrscher, dem der Vater den Erdkreis unterworfen hat, auf dem Throne seines Reiches sieht, so dass alle Knie sich vor ihm beugen und alle Zungen bekennen, dass er der Herr ist, dem man Ehre geben muss und der spricht: »Siehe, ich mache alles neu! Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende.« Und noch weiter trägt dieser letzte Blick. Noch ein ganz ferner Strahl der Herrlichkeit des Herrn fesselt und leitet ihn. Er kommt aus dem Neuen Jerusalem, der Goldenen Stadt, die keiner Sonne noch des Mondes bedarf; denn die Herrlichkeit Gottes, der nun alles in allen geworden ist, erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm (Phil 2,10-11; Off 21,5 und 23; 1Kor 15,28). Und ein Goldstrahl von dieser äußersten und reichsten Herrlichkeit des Herrn, als ewig leuchtendes Lamm in der Goldenen Stadt, spiegelt sich auf eines jeden Gläubigen Angesicht, das das Jerusalem, das droben ist, unser aller Mutter, sucht.
So schaut das erleuchtete Glaubensauge des Herzens die siebenstufige Herrlichkeit des Herrn in seinem Worte, damit sie unser Angesicht zur Verherrlichung des Herrn immer herrlicher widerspiegele.
Was ist denn nun die Herrlichkeit des Herrn? Es ist die durch den Heiligen Geist im Neuen Testament geoffenbarte und enthüllte Lebenswürde des Sohnes Gottes. Es ist das erklärte Wesen und Wirken Christi im Lichte des ganzen Gotteswortes. In der Klarheit des Wortes erklärt der Heilige Geist den Sohn Gottes, um ihn in uns zu verklären; denn die Klarheit
wird zur Erklärung, und die Erklärung zur Verklärung. Die Enthüllung der Lebenswürde des Herrn offenbart seine Herrlichkeit vor uns zu seiner Verherrlichung in uns und durch uns. Er ist erschienen als der Abglanz der Herrlichkeit Gottes, damit wir der Widerglanz seiner Herrlichkeit würden (Heb 1,3). Er sagt: »Ich bin das Licht der Welt«, um dann zu den Seinen zu sagen: »Ihr seid das Licht der Welt« (Joh 8,12; Mt 5,14). Die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes Gottes soll zum Reichtum der Herrlichkeit Gottes werden in den Söhnen Gottes (Joh 1,14; Eph 3,16; Phil 4,19). Denn nicht nur der einzelne Gläubige soll diese Herrlichkeit anschauen und widerspiegeln, sondern »wir alle aber« schreibt Paulus. Die ganze Gemeinde aller Jahrhunderte soll stehen vor der im Gottesworte aufgetanen Herrlichkeit des Herrn, um sie unter der Erklärung des Heiligen Geistes anzuschauen und sowohl als einzelnes Glied wie als Gesamtheit widerzuspiegeln. Ja, es wird dies hingegebene Anschauen und Widerspiegeln der Herrlichkeit des Herrn so recht zum eigentlichen Dienst des Einzelnen und der Gemeinde auf Erden. Denn die Widerspiegelung wird zur Wiedergabe und Weitergabe der Herrlichkeit des Herrn; und eben darin besteht doch unser Dienst auf Erden. Es ist der Dienst der Diener des Neuen Bundes als herrlicher, freimütiger Dienst des Geistes mit aufgedecktem Angesicht.
Das will zunächst sagen: Wir haben es nicht mehr mit Mose zu tun, durch den das Gesetz gegeben wurde, sondern mit Christus Jesus, durch den die Gnade und Wahrheit geworden ist (Joh 1,17). Nicht mehr die vergängliche Herrlichkeit des Antlitzes Moses leuchtet uns mit unerträglichem Glanze an, so dass es einer Verhüllung bedürfte (2Mo 34,29-35), sondern die Erleuchtung mit der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesichte Jesu Christi hat es in unserem Herzen und auf unserem Antlitz licht werden lassen (2Kor 3,7 ff und 2Kor 4,6). Vor diesem Gnadenangesicht brauchen wir unser Sünderangesicht nicht mehr zu verhüllen. Nicht mehr dem in Stein eingegrabenen tötenden Buchstaben des Gesetzes gilt unser Dienst, als ein Dienst der Verdammnis und des Todes, sondern mit dem hellen Licht des Evangeliums der Herrlichkeit Christi haben wir einen Dienst des Geistes und der Gerechtigkeit aus Gnaden empfangen, dass wir nun allezeit in Christus triumphieren und den Geruch seiner Erkenntnis an jedem Ort offenbaren können (2Kor 4,4; 3,8-9; 3,14). Auch ist Satan, der Gott dieses Zeitalters, der einst unsere Sinne verblendete, nicht mehr unser Herr, sondern der Geist. Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit, nämlich sowohl Freiheit vom tötenden Buchstaben des Gesetzes vom Sinai, mit dem uns Gott verurteilte, als auch Freiheit vom in uns wohnenden Gesetz der Sünde, mit dem Satan uns knechtete (2Kor 3,17; Röm 8,1-2). Also dürfen wir mit aufgedecktem Angesichte die Herrlichkeit des Herrn widerspiegeln, um sie im Dienste des Geistes und der Freiheit wieder- und weiterzugeben.
Aber das Wort vom aufgedeckten Angesicht hat doch auch noch eine weitere Bedeutung für das rechte Anschauen und Widerspiegeln der Herrlichkeit des Herrn. Und das ist die: So wie uns Gott in rückhaltloser Gnade im Angesichte Christi anschaut, so lasst uns auch ihn in rückhaltloser Aufrichtigkeit anschauen, nämlich nichts mehr vor ihm zu verbergen, bedecken und verhüllen suchen! Wir wissen, Christus bringt nicht nur Gnade, sondern auch Wahrheit, und man kann nicht eins ohne das andere haben. Eben, weil er die Wahrheit ist, ist er auch das Licht, das die Lüge als Finsternis straft. Nur wer aus der Wahrheit, das heißt nicht lichtscheu ist, kommt zu ihm in sein Licht und kann sein Licht widerspiegeln, um in Licht verwandelt zu werden. Er erwartet von uns, dass wir uns nicht irgendwie seinem Lichte entziehen. Nicht um seinetwillen zumeist, denn vor ihm ist ja doch nichts unsichtbar, sondern alles bloß und entdeckt (Heb 4,13), und er hat es verkündigt: »Es ist nichts verborgen, dass nicht offenbar werde, und ist nichts Heimliches, das nicht hervorkomme«
(Mk 4,22), sondern vor allem um unsertwillen, denn wer sich dem Licht nicht gibt, dem kann sich das Licht nicht geben.
Ich kam einst in ein, wie man mir gesagt hatte, gläubiges Haus. Man hieß mich im besten Zimmer Platz nehmen und warten. Da fiel mir ganz beiläufig auf, dass die Vase mit den künstlichen Blumen nicht in der Mitte des Tisches stand, an dem ich saß. Unwillkürlich zog ich sie mitsamt dem Deckchen unter ihr nach der Mitte zu. Aber oh weh! Auf der nun entblößten Stelle des Tischläufers erblickte ich einen großen Tintenfleck. Anstatt den befleckten Tischläufer zu entfernen, um ihn reinigen zu lassen, hatte man also ein gehäkeltes Deckchen auf den Fleck gelegt, eine Vase auf das Deckchen gestellt und in diese Vase künstliche Blumen gesteckt. Sofort befürchtete ich, diese Handlungsweise könnte dem Charakter des ganzen Hauses entsprechen. Und so war es. Jedes Glied dieses Hauses lebte hinter sorgsam verbergenden Schutzdeckchen und sprach in künstlichen blumigen Redensarten: Das ganze Haus hatte kein aufgedecktes Angesicht!
Niemals können wir in das Bild der Klarheit des Herrn verklärt werden, wenn wir nicht zuvor im Lichte seiner Klarheit geklärt werden. Denn gerade nachdem wir in sein Licht hineingetreten sind, zeigt uns dies Licht immer deutlicher und klarer, was an uns noch Finsternis ist. Nun erst beginnt die überführende, klärende und reinigende Wirkung des Wortes und Geistes Gottes. Es ist immer bezeichnend, wie Neubekehrte erst im Lichte Christi frohlocken, dann allmählich erschrecken und schließlich rein verzweifeln. Nach ihrem Bankrott in der Buße sehen sie zunächst nichts als das rettende Licht der Gnade im Bilde des Heilandes. Bald aber fängt dasselbe Licht an, ihnen Unstimmigkeiten zwischen seinem Bilde und ihrem Bilde zu zeigen, die sie immer mehr beunruhigen, und weiterhin entdecken sie Finsternis in sich, die sie nie für möglich gehalten haben, und die sie zu qualvollsten Zweifeln an ihrer Bekehrung veranlasst. Und doch ist dieser Vorgang der deutlichste Beweis für das Vorhandensein des neuen Lebens, als Leben im Lichte Christi; denn im alten Leben der Finsternis hätten sie sich nie so erkannt.
Nun handelt es sich darum, den belichtenden und richtenden Wirkungen des Lichtes Christi weiter standzuhalten, nämlich seinen Strahl nicht verzagt und schwermütig zu fliehen, noch ihn leichtfertig zu übersehen oder, wieder selbstsicher und hochmütig geworden, ihm zu widerstehen Nein, sondern jetzt hat die fortlaufende Reinigung einzusetzen, die darin besteht, jede im Lichte als Unstimmigkeit, Verfehlung, Vergehung, Übertretung, Befleckung belichtete, erkannte und gerichtete Sünde sofort unter das Blut Christi zu bringen, um da Vergebung und Reinigung zu empfangen.
Die große General-Reinigung unserer Sünden ist auf Golgatha gemacht. Sie geschah ohne unser Zutun durch Gottes Gnade in Christus Jesus, und ihr können wir nichts hinzufügen. Alle, die in ichverneinender Buße und bejahendem Glauben der erlösenden Liebestat Gottes am Kreuz recht geben, wissen: Wir sind abgewaschen, wir sind geheiligt, wir sind gerecht geworden, wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung unserer Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade (Röm 8,32; 1Kor 6,1; Eph 1,7); Christus hat gemacht die Reinigung unserer Sünden durch sich selbst (Heb 1,3). Aber die Reinigung der nach unserer Bekehrung geschehenen Sünden müssen wir fortlaufend selbst besorgen.
Warum wohl diese fortlaufende Selbstreinigung? Weil sie erstens dem Achthaben auf den Herrn in der Anschauung seiner Klarheit und dem Achthaben auf uns selbst entspricht. Wir haben immer nur so viel Selbsterkenntnis als wir Christuserkenntnis haben. Nur in der unausgesetzten Vergleichung unseres Bildes mit seinem Bilde lernen wir, wer wir sind und wo es uns fehlt. In dieser Vergleichung gipfelt also der erzieherische Hauptzweck aller Christusanschauung, durch die wir in dasselbe Bild verklärt werden. Wer immer nur im Anschauen der Herrlichkeit des Herrn selig schwelgen, aber nicht von ihr gerichtet sein will, um sich dann selbst zu reinigen, der wird nie in Christi Bild verklärt werden können.
Zweitens entspricht diese fortlaufende Selbstreinigung unserer hohen Stellung als Kinder Gottes. Wir sind nicht mehr in der Finsternis Umherirrende, die nicht zu vernehmen vermögen, was des Geistes ist (1Kor 2,14). Wir sind wissende Kinder des Geistes und des Lichtes, die vom Geist geleitet werden (Röm 8,14). Wir können und müssen wissen, was Sünde ist. Da soll sich der Geist der Kindschaft darin in uns erweisen, dass wir als wissende Kinder unsere Sünden erkennen und als gehorsame Kinder sie dem Vater bekennen, um durch den Fürsprecher Vergebung und Reinigung zu empfangen (1Joh 1,9; 2,1). Und gerade an der Wachsamkeit und heiligen Besorgnis, mit der wir in Furcht und Zittern uns vor dem Betrug der Sünde hüten, und gerade an der glaubensmutigen Freimütigkeit, in der wir mit den geschehenen Sünden zum Gnadenthron hintreten, zeigt es sich, wie weit wir unsere hohe Berufung und Erwählung erkannt haben und sie immer wieder neu festmachen.
Drittens hat die fortlaufende Selbstreinigung zu geschehen um der Verwirklichung der Verheißungen Gottes und um unserer Hoffnung auf den wiederkommenden Herrn willen. Denn wenn schon alle Gottesverheißungen Ja und Amen in Christus Jesus sind, so sollen sie es doch auch Gott zur Herrlichkeit durch uns werden (2Kor 1,20). Gott will uns nicht nur in Christus, sondern auch Christus in uns, als Hoffnung der Herrlichkeit sehen (Kol 1,27). Deshalb ermahnt Paulus so brünstig: »Da wir nun solche Verheißungen haben, Geliebte, so lasst uns uns selber reinigen von aller Befleckung des Fleisches und Geistes, das Geheiligt- sein vollendend in der Furcht Gottes« (2Kor 7,1). Und Johannes mahnt: »Und jeder, der diese Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie jener (Christus) rein ist« (1Joh 3,3). Beide Schriftstellen reden klar von der fortlaufenden Selbstreinigung auf dem Grunde des Geweihtseins und der nun wachsenden Erkenntnis Christi als Frucht seiner beständigen Anschauung.
Wir sehen also, wie diese fortlaufende Selbstreinigung geradezu die Probe auf den Wert unserer Christusanschauung bedeutet. Wer sie versäumt oder gar meidet, wird sich als träge und fruchtlos in der Erkenntnis Christi erweisen (2Pet 1,8-9) und weder die Früchte des Geistes (Gal 5,22) bringen noch die Züge Christi annehmen. Sein Glaubensleben wird kalt und dunkel werden. Die ungereinigten Befleckungen werden die Augen seines Herzens trüben, so dass er nicht mehr klar sehen kann. Weder Licht noch Wärme werden in ihn hinein noch aus ihm heraus strahlen, und die Gefahr besteht, dass das letzte Licht in ihm Finsternis werde (Mt 6,23). Immer mehr spiegelt er das Bild eines Gläubigen wider, mit dem es nicht stimmt. Und je mehr er sich bemüht, seinen Schaden zu bedecken und zu verbergen, desto unwahrer und zweifelhafter wird seine Erscheinung werden.
Gewöhnlich sucht man sich auf folgende viererlei Art und Weise der fortlaufenden Selbstverneinung zu entziehen. Erstens, man will die geschehene Sünde gar nicht als Sünde gelten lassen, wobei man sich nicht scheut, das Wort Gottes zu verdrehen. Zweitens, man entschuldigt seine Sünde mit der Sünde anderer: Der und die tun das auch, und wenn die es tun, darf ich es auch tun! Drittens, man will Vergebung ohne Buße. Anstatt die Sünde im Lichte der Klarheit des Herrn erst belichten und richten zu lassen, will man sie gleich unters Blut bringen. Viertens, man will die Sünde selber gutmachen, indem man sie mit dem Feigenblatt wohltätiger Werke zu bedecken sucht.
Alles dies duldet der Heilige Geist nicht. Mit welcher unvergleichlich zarten Treue warnt er vor jeder Sünde, sei es durch innere oder äußere Ermahnungen oder durch Umstände und Ereignisse. Beachtet man in wachsamer, ichverneinender und Jesus bejahender Glaubensbetätigung diese treue Warnung, so erfährt man dann auch, wie der Heilige Geist im Kampf des Glaubens in den Versuchungen hilft, so dass wir »durch den Geist« (Röm 8,13) des Fleisches Geschäfte zu töten und im Geist zu leben vermögen. Missachten wir aber die Warnung, indem wir über sie hinweg zur Sünde schreiten, so straft uns der Heilige Geist durch unvergleichlich schmerzliche Betrübnis (Eph 4,30), um uns ins Licht und Gericht der Klarheit des Herrn zu führen, damit wir da sofort die Reinigung im Blute Christi suchen und empfangen. Wagen wir es aber sogar, auch die Strafe durch den Heiligen Geist und seine Betrübnis zu missachten, so schalten wir damit mehr und mehr seine Zucht und Leitung aus unserem Leben aus und berauben uns dadurch des Lichtes vom Angesichte Christi, und immer weniger Herrlichkeit des Herrn wird sich auf unserem mit der Decke des Unglaubens und Ungehorsams bedeckten Angesicht spiegeln.
Darum hüte dich vor solcher Verdunkelung und Verarmung deines Glaubenslebens! Denn, siehe, wie leicht ist doch die fortlaufende Selbstreinigung zu besorgen! Du brauchst nur den sündigen Gedanken der Selbstsucht, der Lieblosigkeit, der Unreinheit, den du soeben entgegen der Warnung des Heiligen Geistes gedacht hast, sofort als Befleckung des Geistes im Lichte des Angesichtes Christi belichten und richten zu lassen, und die Reinigung im Blute zu erbitten, und es ist geschehen. Du brauchst nur das Wort und den Satz, die eben der Warnung des Geistes entgegen aus deinem Munde gingen, ebenso dem Lichtgerichte und Blute Christi preiszugeben, und es ist geschehen. Ebenso hast du jede Tat und jedes Werk, die nicht dem Worte und Geist Christi in der Zucht des Heiligen Geistes entsprechen, sobald du ihren Unwert erkannt hast, sofort als Befleckung des Fleisches ins Gericht der Klarheit des Herrn und unter die reinigende Kraft seines Blutes zu bringen, und es ist geschehen. Dabei musst du wissen: Befleckungen im Geist sind alle die Sünden, die der Gedanken- und Gesinnungswelt angehören (Phil 2,5; 2Kor 10,5); Befleckungen im Fleische hingegen betreffen die Sünden, die durch Vermittlung unserer äußeren Glieder geschehen (Röm 6,13 und 19; Kol 3,5). Es mag dir diese fortlaufende Selbstreinigung zuerst vielleicht mühevoll erscheinen, aber sobald du innerlich gewillt bist, auf sie einzugehen, wird sie immer mehr eine Kurwirkung der göttlichen Natur werden, der du durch die Innewohnung Christi im Heiligen Geist teilhaftig geworden bist (2Pet 1,4), die sich in der Kraft Christi nach dem Lebensgesetz Christi (Röm 8,2) in dir vollzieht. Dabei wird es dein stetes Bitten werden:
Entdecke alles und verzehre,
was nicht in deinem Lichte rein.
Wenn mir’s gleich noch so schmerzlich wäre!
Die Wonne folget nach der Pein.
Du wirst mich aus dem finstern Alten
in Jesu Klarheit umgestalten!
Freilich gehört dazu noch mehr als ein gelegentliches Kommen ins Licht der Klarheit des Herrn, aus der man nach geschehener Reinigung der Sünde wieder in die Finsternis zurückläuft, nein, es gehört dazu der Wandel im Licht. Der Anfang aber vom Wandel im Licht ist das Bleiben im Licht, und das Bleiben im Licht ist gleichbedeutend mit dem Bleiben im Geist und im Glauben und in der Liebe in Christus: Es ist die unausgesetzte, wache Ichverneinung und Jesusbejahung. Manche Gläubige haben die Gewohnheit, alle ein oder zwei Jahre einmal ins Licht der Klarheit des Herrn zu kommen. Dann wollen sie gewöhnlich vor dem fremden Evangelisten, der nun in ihrem Wohnort arbeitet, ihren aufgetürmten Sündenhaufen »auspacken« und »abladen«. Solches Sündenbekenntnis vor Menschen, so nötig es zuweilen sein mag, nützt erfahrungsgemäß sehr wenig, wenn die betreffende Seele nicht zum Bleiben und zum Wandel im Lichte gelangt. Was soll das heißen: Vor Menschen haufenweise auspacken wollen und vor dem Herrn im Einzelnen und Ganzen jahrelang alles verbergen? Das ist eine eigenwillige, böse Art. In der Finsternis wandeln und dann mit einem gelegentlichen Sprung ins Licht hinein und wieder heraus sich zum Lichtskind machen wollen, welch ein Selbstbetrug! »Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir aber im Lichte wandeln, wie er im Lichte ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von jeder Sünde« (1Joh 1,6-7).
Was ist denn die Gemeinschaft mit Christus anderes als das Bleiben in seinem Licht und Leben! Gelegentliche Besuche in seinem Licht reichen nicht aus zur Gemeinschaft mit ihm. Aber auch ein bloßes Stehenbleiben in seinem Lichte genügt nicht zur Gemeinschaft mit ihm; denn er will mit uns weiter gehen. Die stehen bleiben sind eben die, die nicht weiter und vorwärts kommen im Lichte. Sie lernen nicht wandeln im Lichte. Deshalb machen sie auch keine Fortschritte in der fortlaufenden Selbstreinigung; denn diese ist nur möglich im fortlaufenden Wandel im Lichte. Sie machen immer wieder dieselben Befleckungen und kommen nicht von den sie umstrickenden Sünden los (Heb 12,1). Sie sonnen sich nämlich lieber im Lichtstrahl, als dass sie der Lichtquelle weiter entgegen wandeln; sie bleiben gerne bei ihrer Bekehrung und Rechtfertigung liegen. Oder sie sind so mit ihren Befleckungen beschäftigt, dass sie darüber Licht und Reinigung versäumen. Der Wandel im Lichte aber bedeutet: Vom Lichte geleitet, im Lichte vorwärts schreiten und immer hellerem Lichte entgegengehen. Es ist die Nachfolge Jesu ein fortschreitendes Bleiben in seiner Gemeinschaft, wohin immer er uns führe. Es ist der Wandel ihm nach und ihm entgegen. Und genau in der Weise, wie wir im Lichte seiner Klarheit ihm nach und ihm entgegen wandeln, werden wir in sein Bild verwandelt. Der Wandel im Licht führt zur Verwandlung in Licht. Und zwar so, wie der Mittelsatz unseres Textwortes es sagt, nämlich: »Wir werden verklärt (umgewandelt, umgeformt, umgestaltet) von einer Klarheit zur andern« oder von Klarheit zu Klarheit - von Herrlichkeit zu Herrlichkeit.
Welch eine Fülle von Arbeit des Heiligen Geistes liegt in diesen Worten! Welch ein Reichtum von Beziehungen und Möglichkeiten! Unmöglich, sie alle in einer Bibelstunde zu behandeln! Nur das Hervortretendste sei genannt. Unsere Umwandlung in Christi Bild geht stufenweise vor sich. Wir werden da geführt von Licht zu Licht, nämlich von Helligkeit zu Helligkeit. Lichtstufe um Lichtstufe muss erreicht und durchwandelt werden. Leuchtet dir jetzt die erste Klarheit des Herrn und durchschreitest du in ihr den ersten Lichtkreis, so wirst du allmählich inne werden, dass du an seinem Ende anlangst, wo das empfangene Licht wie aufgebraucht erscheint. Dann erschrickst du; denn zwischen zwei Lichtsklarheiten pflegt gewöhnlich eine Unklarheit, eine Art beängstigender Dämmerung zu liegen, durch die du nun hindurch musst. Ja, die Dämmerung kann zur Nacht werden; es geht wie durch einen Tunnel. Aber fürchte dich nicht, glaube nur! Es geht nur einem helleren Lichtkreis mit höherer Fernsicht entgegen. Aber du wirst die nächste Lichtstufe nur erreichen, wenn das Licht der vorherigen seine umwandelnde Arbeit an dir hat tun können. Soviel Licht du da empfingst, in so viel Licht solltest du wandeln und verwandelt werden. Ist das unter steter Selbstreinigung geschehen, so hat der Heilige Geist seine erste verwandelnde Arbeit an dir tun können, und die zweite im zweiten Lichtkreis beginnt. So geht es im Lichtswandel weiter von Licht zu Licht, aber damit auch von Dunkel zu Dunkel, so dass es oft ganz finster um dich und in dir sein wird, ehe dir das neue Licht gnadenvoll aufgeht. Aber das ist nur die Glaubensprobe, in der du lernen sollst, nicht zu zweifeln an dem, was du nicht siehst (Heb 11,1). Nachher leuchtet dir die Klarheit des Herrn umso heller, bis du im Lichte wandelst, wie er im Lichte ist. Dabei werden wir geführt von Erkenntnis zu Erkenntnis, d. h.: von Lichtstufe zu Lichtstufe wird uns das Bild, Wesen und Werk Christi und Gottes immer mehr verdeutlicht werden, damit wir das immer klarer im zunehmenden Lichte erkannte Bild auch immer klarer widerspiegeln und erkennbarer wieder- und weitergeben können in immer treuerem Dienst. Denn diese wachsende Erkenntnis ist ja nichts Geringeres als das sich steigernde Teilhaben am ewigen Leben und Wesen Christi und Gottes! »Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen« (Joh 17,3). Nur wie wir von Klarheit zu Klarheit im Lichte wandeln, wer- den wir auch von Klarheit zu Klarheit in der Erkenntnis wachsen. Denn was ist Erkenntnis anderes als Schauen des Lichtes im Lichte! Und was ist Wachstum anderes als ein aufbauender Umgestaltungsvorgang durch tätige Lichts-Lebenskräfte! Darum kann niemand im Lichte der Erkenntnis Christi wandeln und dabei bleiben wie er ist. Ihn im Lichte erkennen, heißt seine Lebenskräfte in uns aufnehmen, durch die wir erneuert werden zu der Erkenntnis nach dem Ebenbilde des, der uns geschaffen hat (Kol 3,10). Alles, was den Gläubigen an Christusähnlichkeit fehlt, fehlt ihnen an Erkenntnis Christi. Und alles, was ihnen an Erkenntnis Christi fehlt, fehlt ihnen an Selbstreinigung im Wandel im Licht in der Anschauung Christi. Aber auch in der Erkenntnis geht’s nur stückweise vorwärts, wobei zwischen zwei Erkenntniskreisen eine Zone der verblassenden und verschwindenden Deutlichkeit zu liegen pflegt, die die nächste Erkenntnis, wenn wir die vorhergehende recht gebraucht haben, einleitet. Dabei wird uns zuteil Gnade um Gnade. Manche kommen deshalb nicht weiter in Christi Bild hinein, weil sie die bisher empfangenen Gnadensegnungen nicht wieder loslassen wollen. Auf jeder weiteren Lichts- und Erkenntnisstufe erwarten uns neue Gnaden- und Segenskräfte, die wir der Wiedergabe und Weitergabe des Bildes Christi dienstbar machen sollen. Sind die jeweiligen Gnadensegnungen getreu dem zu ihnen gehörigen Licht der Erkenntnis dazu verwertet worden, so verebben ihre Kräfte, weil neue kommen sollen (Jes 40,31). Anstatt nun auf die neuen Kräfte zu harren, indem man die alten preisgibt, will man die bisherigen Segnungen und Seligkeiten selbstsüchtig festhalten. Eine Schwester jammerte mir einst vor, ehe sie nicht die Segnungen wieder bekomme, die sie gehabt habe, werde sie nicht mehr froh. Ich fragte sie einfach: »Wenn Sie aber nun Größeres bekommen sollen, als Sie hatten?« Da lernte sie vergessen, was dahinten ist, und sich nach dem strecken, was da vorne ist (Phil 3,13). Der Herr hat immer noch Größeres als das, was er uns schon gegeben hat (Joh 1,43-51). Er hat die Fülle, aus der wir alle empfangen sollen: Gnade um Gnade (Joh 1,16), aber alles nur für den Dienst der Wieder- und Weitergabe des Bildes Christi. Dabei werden wir gebracht von Erneuerung zu Erneuerung. Denn wunderbar! Wie wir von Klarheit zu Klarheit wachsen in der Erkenntnis Gottes und Christi und uns Gnade und Friede dabei vermehrt werden (2Pet 1,2), so wächst nun ein ganz Neues in uns. Das wunderbare Neue aber, das langsam doch sicher in uns Gestalt gewinnt, ist eben der Christus in uns (Gal 4,19; Kol 1,27). Wie das Sämlein auf dem Felde schon die zukünftige Pflanze keimartig in sich birgt und nach dem ihr innewohnenden Lebensgesetz zur Gestaltung bringt, so lebt im unverderblichen Samenkorn der Wiedergeburt, das wir als lebendiges Wort Gottes bei unserer Bekehrung aufnahmen, bereits das Leben Christi (1Pet 1,23). Durch das Wort der Wahrheit gezeugt, entfaltet sich nun eine Neuschöpfung in uns (Jak 1,18; 2Kor 5,17); es ist der »neue« Mensch, der »innere« Mensch, der nach Gott geschaffen ist in Gerechtigkeit und Heiligkeit der Wahrheit (Eph 4,24). Durch das Licht und den Geist des Wortes in der steten Anschauung Christi genährt und gestärkt (1Pet 2,1; Eph 3,16-17), nimmt die Lichtschöpfung in uns mehr und mehr zu: Christus wohnt in uns durch den Glauben. Wunderbar: Wir tragen das Geheimnis des Glaubens, wir tragen das Leben Christi in uns! Dieses neue Leben in uns wird mehr und mehr erneuert durch jeden neuen Schritt, den wir tun im Lichtwandel und in der Selbstreinigung. Denn derselbe Geist, der dem Fleische und allem, was nicht Christus ist, nach dem Leben trachtet (Röm 8,13; Gal 5,17), führt dem neuen Menschen aus seiner lichten Himmelsheimat immer mehr Licht- und Lebenskräfte zu, um ihn weiter nach dem Ebenbilde dessen zu erneuern, der ihn geschaffen hat (Kol 3,10). So bekommt der neue Mensch nach und nach immer mehr die Lebensübermacht in uns, und wir frohlocken mit Paulus: »Ich lebe, aber nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir!« (Gal 2,20) Und diese Innewohnung Christi durch den Geist wird auch unserem sterblichen Leibe erneuernde Kräfte bringen. Nicht dass der Leib dadurch vor dem unvermeidlichen Abbruch errettet würde, nein, sondern damit er der Tempel des Geistes und das Werkzeug des Geistes sei (1Kor 6,19; 9,27; Röm 6,12-13) und ein lebendiges Opfer für Gott werde (Röm 12,1). Getötet in seinen fleischlich-sündigen Geschäften durch den Geist, lebt er nun durch denselben Geist für Gott, auf dass Gott und Christus an ihm gepriesen werden (1Kor 6,20; Phil 1,20) und, wenn er verfällt, wir nicht ermatten, sondern wissen, der innere Mensch wird doch von Tag zu Tag weiter erneuert (2Kor 4,16). So muss unsere Umwandlung in Christi Bild also auch bis in die Gebärden unseres Leibeslebens hinein Ausdruck und Gestalt gewinnen, und mit Recht hat ein alter Christ gesagt: »Wie weit Christus in einem Menschen wohnt, das will ich daran sehen, wie er die Türklinke in die Hand nimmt!« Bei unserer Umwandlung in Christi Bild muss uns der Heilige Geist aber auch führen von Leiden zu Leiden. Es handelt sich ja um die Durchstreichung und Entwertung des Bildes unserer eigenen Natur und um den Abbruch unseres fleischlichen, unwilligen Wesens. Das kostet die mannigfaltigsten Schmerzen. Da wird der Gegensatz zwischen unserem Willen und Gottes Willen zur Quelle vieler Leiden; denn Leiden heißt den Willen Gottes erleiden. Diese Leiden sind nur zu erdulden im Hinblick auf ihren zeitlichen Läuterungs- und ewigen Herrlichkeitswert. Paulus wusste, nichts hilft so ins Bild Christi hinein, wie die Leiden. Wie hatte er sich zeigen lassen, was er leiden sollte um Christi Namens willen (Apg 9,16)! Und noch immer mehr wollte er erkennen von der Gemeinschaft seiner Leiden und sogar dem Tode Christi gleichgestaltet werden (Phil 3,10). Und wie hat er dabei die Klarheit des Herrn widergespiegelt! Auch wir wissen, das Bild des Herrn wird in diesem Leben am deutlichsten von uns widergespiegelt, wenn wir im Schmelztiegel liegen, über den der Meister sich beugt. Es geht aber von Leiden zu Leiden. Das heißt, die Versuchungen, Trübsale und Leiden steigern sich. Da liegt unsere Seele oftmals wie unter einem Trümmerhaufen und möchte jämmerlich verzagen. Kein Licht scheint mehr, alle Erkenntnis ist wie weggenommen, alle Gnade wie abgeschnitten, alle erlebte Erneuerung scheint Täuschung. Aber sobald dir der Geist das heilige: »Dennoch!« entgegen aller dich umgebenden Dunkelheit hat abringen können, umleuchten dich wieder die ersten Strahlen der Klarheit des Herrn und leiten dich durch die Nacht, wie lange sie auch noch dauern möge. Und endlich kommt der erquickende Freudentag, der zwischen zwei Leidensnächten zu liegen pflegt. Du wandelst wieder in vollem Licht; aber dein Angesicht hat sich verändert: Du bist stiller, du bist einsamer, du bist innerlicher, du bist christusähnlicher, denn du bist leidenswilliger geworden. Im Dunkeln hat dir der Meister neue Lichtszüge aufgeprägt. Nun leitet dich der Geist weiter von Reinigung zu Reinigung. Das war der Segen des Leides, dass du im tiefsten Dunkel einige Lichtstrahlen finden solltest, die in jener Dunkelkammer dein eigenes unzulängliches Bild malen mussten. Umso sorgsamer achtest du nun auf die Vollendung deines Geheiligtseins, das heißt Gottgeweihtseins, durch weitere Selbstreinigung im Lichtwandel. Dabei wirst du folgende sonderbare Erfahrung machen: Du wirst nämlich deinen eigenen Augen immer unreiner, den Augen deiner Beobachter aber immer reiner vorkommen. Und das geht so zu: Hast du gemäß dem empfangenen Licht deine Befleckungen erkannt und treulich im Blute Christi gereinigt und bist dabei den Warnungen des Heiligen Geistes immer folgsamer geworden, so werden es der groben verdunkelnden Flecken in deinem Bilde immer weniger geworden sein, so dass die anderen die Früchte des Lichtes in deinem Lichtwandel wahrnehmen und den Vater im Himmel darüber preisen (Mt 5,16). Du aber, je näher du der Lichtquelle entgegen schreitest und in immer schärfere Beleuchtung gerätst, wirst immer mehr kleinere und noch kleinere Fleckchen und Pünktchen an dir entdecken, die doch noch feine und feinste Äußerungen deines fleischlichen Ichwesens bedeuten, so dass du dabei gezwungen bist, immer geringer von dir zu denken und in immer gründlicherem Misstrauen gegen dich selbst wie Paulus sagen musst: »Ich weiß, das in mir, das ist in meinem Fleische, wohnt nichts Gutes« (Röm 7,18). Und das ist gut; denn es bewahrt dich davor, entgegen den Worten des Paulus zu denken und zu sagen, du seiest bereits der Vornehmste unter den Heiligen und der Geringste unter den Sündern geworden (Eph 3,8; 1Tim 1,15). Gerade so wird es mit dir umso sicherer von Reinigung zu Reinigung gehen, bis du in der Herrlichkeit rein bist, gleichwie er rein ist (1Joh 3,3). Aber diesen Abschluss deiner Reinigung kannst nicht du feststellen, sondern nur Christus, der gerechte Richter, vor dessen Thron du offenbar werden wirst (2Kor 5,10). Denn »es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist« (1Joh 3,2). Das wird Herrlichkeit sein. So werden wir also tatsächlich umgewandelt von Herrlichkeit zu Herrlichkeit in dasselbe Bild. Ja, die Herrlichkeit des Herrn wird am Tage seiner Offenbarung (1Pet 1,13) kund werden in seinen Heiligen. Was sich hier unten als Herrlichkeit des Herrn auf unserem aufgedeckten Angesichte widerspiegelt, ist wesentlich Leidensherrlichkeit. Aber eben diese Leidensherrlichkeit wird vor dem wiederkommenden und richtenden Christus in Lebensherrlichkeit verwandelt werden (Röm 8,17; 2Kor 4,17). Da erst wird offenbar werden, was der Heilige Geist in den Tagen unseres Fleisches hinter der Hülle unseres Leibes hat formen und bilden können. Und dann wird auch die Hülle selbst in Herrlichkeit umgewandelt werden, damit wir auch dem Leibe nach ihm, dem Auferstandenen und Verklärten, bei seiner herrlichen Ankunft gleich seien (Phil 3,21). Denn wir werden ihm gleich sein. Beide Apostel sagen es. Das heißt, wir werden als strahlende Teilhaber seines Lichtwesens und Lichtlebens offenbar werden. Alle, die seine Erscheinung lieb hatten und von seinem Lichte auf Erden lebten, werden dazu gehören (2Tim 4,8). Und doch wird die Herrlichkeit, in der wir offenbar werden, eine verschiedenartige sein. Ich glaube, es wird jedes in dem Lichte offenbar werden, in dem es hier unten gewandelt ist. Da werden die einen die Lichtherrlichkeit der Sonne, die andern die des Mondes, die anderen die der Sterne haben (1Kor 15,41-42; Mt 13,43). Außerdem wird jedes in einer ganz persönlichen Weise des Herrn Bild widerstrahlen. Das wird ein unvergleichliches Widerspiegeln sein! Nicht mehr wie hier unten im Spiegel eines Rätsels (1Kor 13,12), sondern nun im enthüllten Schauen von Angesicht zu Angesicht. Denn mit frohlockender und verherrlichter Freude (1Pet 1,8) werden wir nun den, um den sich unser ganzes Leben drehte, sehen, wie er ist.
In anbetendem Staunen werden wir alle vor ihm wissen, dass nicht wir uns in sein Bild umgewandelt haben, sondern dass er es gewirkt hat, er, der Herr, durch den Heiligen Geist. Was wir dabei tun konnten, war nur: unter dem sanften Ziehen des Heiligen Geistes immer wieder das Glaubensauge auf ihn zu richten und die umformenden Kräfte seines Lichtes und Lebens durch sein Wort und durch den Geist an uns wirken zu lassen. Wir durften durch seine Gnadenmacht Glauben halten, nämlich immer wieder uns absagen und ihm zusagen; das war alles.
Und in diesem Glauben (Phil 1,6; Kol 1,22.23) wollen wir stehen bleiben, wenn wir nun im Lichte weiter wandeln. Wir dürfen glauben, welche Seligkeit! Sehe ich mich elenden, erbärmlichen Menschen an, mit meinen unzähligen Unzulänglichkeiten, die mir alle Tage schmerzlicher offenbar werden, so finde ich auch nicht das Geringste an mir, was mir Mut machen könnte, zu glauben, ich könnte einmal dem verklärten Sohne Gottes gleich werden. Aber da schlage ich die Bibel auf und lese, was der Geist des Herrn einst Paulus verkünden hieß, dass er es jenen Korinthern schriebe: »Nun aber spiegelt sich in uns allen des Herrn Klarheit mit aufgedecktem Angesicht, und wir werden verklärt von einer Klarheit zu der andern, als vom Herrn, der der Geist ist«, und lese aus zweitem Zeugenmund das übergewaltige, triumphierende Johanneswort dazu: »Wir wissen aber, dass wir ihm gleich sein werden!« Dann vermag ich überall mein armseliges Denken, Fühlen und Tun hinaus dem gelesenen Gottesworte recht zu geben und zu sagen: Ich glaube es, und im Glauben weiß ich es: Auch ich werde ihm einst gleich sein! So bete und bitte ich:
Komm, all dein Wesen in mich lege,
komm, für die Ewigkeiten
präge mir deines Lebens Bildnis ein!
Und so mache auch du es, teures Gotteskind, und zweifle nicht länger mehr daran, dass auch du dazu bestimmt bist, dem Ebenbilde seines Sohnes (Röm 8,29) gleichgestaltet zu werden!