Behandelter Abschnitt Eph 3,1-5
DER WEG GOTTES, DAS GEHEIMNIS DURCH DEN APOSTEL PAULUS BEKANNTZUMACHEN
In diesem Kapitel gibt es einen wichtigen Exkurs zwischen der lehrmäßigen Wahrheit des Briefes (Eph 1-2) und den praktischen Ermahnungen (Eph 4-6). Hier bekräftigt der Apostel seine Autorität, „das Geheimnis des Christus“ zu lehren. Paulus wusste, dass die Juden einige ernsthafte Missverständnisse über das, was er lehrte, haben würden. Deshalb wendet er sich in einem Einschub der Wahrheit des Geheimnisses ausführlicher zu. Zudem erklärt Paulus den einzigartigen Charakter seines Auftrags, dieses Geheimnis den Gläubigen zu bringen. Sein Ziel war es, einige Missverständnisse auszuräumen, die die Juden naturgemäß mit seiner Lehre haben würden.
Bisher hat Paulus in seinem Brief von dem Neuen gesprochen, das Gott bei der Bildung der Versammlung tat, in der es keinen Unterschied zwischen Juden und Heiden gibt (Eph 2,14-16). Er hat auch gelehrt, dass diejenigen, die an dieser neuen Sache teilhaben, vor Gott eine höhere Stellung haben als die Gläubigen des Alten Testamentes: Sie sind an Christi Platz vor Gott (Eph 1,4-6). Verständlicherweise würden diese Dinge für die Juden ein Stolperstein sein. Ihre Gedanken und Gefühle waren von den alttestamentlichen Schriften geprägt, die verheißen hatten, dass ihr Messias auf der Erde über Israel herrschen und die heidnischen Völker unter sich haben würde. Was Paulus lehrte, schien alles außer Kraft zu setzen, was die alttestamentlichen Schriften vorhergesagt hatten. Für sie war es unvorstellbar, dass Gott etwas aufheben würde, was Er aufgebaut und lange Zeit gutgeheißen hatte. Außerdem hörte es sich so an, als spräche Paulus abfällig über die Großen des Alten Testamentes: Abraham, Isaak und Jakob usw. Wie könnten die Heiden einen höheren Platz vor Gott einnehmen als Abraham? Und wenn das alles wahr wäre – was wäre dann mit den Verheißungen? Waren sie null und nichtig? Für das jüdische Denken, das von jüdischen Hoffnungen durchdrungen war, schien es, als wäre Paulus ein Abtrünniger, der Dinge lehrte, die eindeutig im Widerspruch zum Wort Gottes standen.
Die Aufhebung des Unterschieds zwischen Juden und Heiden in der Gemeinde (Gal 3,28; 6,15; Kol 3,11) war zu viel für den jüdischen Gläubigen. Es war den Juden besonders verhasst, weil es sie mit den Heiden auf dieselbe Stufe stellte. Dies berührte ihren Nationalstolz. Infolgedessen wurden sie zu den Hauptgegnern von Paulus bei seiner Verkündigung des Geheimnisses. Es war, als ob sie zu Paulus sagten: „Wenn du weiter lehrst, dass die Heiden einen besseren Platz im Himmel haben werden als Abraham, Isaak und Jakob, werden wir dich töten!“ Ihrer Meinung nach war jemand, der zu den Heiden geht und solche Dinge verkündet, nicht würdig, am Leben zu bleiben (Apg 22,21.22). Die Juden erreichten genau das, indem sie die Römer gegen Paulus aufhetzten, die ihn schließlich töteten. Hätte er ein Evangelium gepredigt, das den Heiden einen geringeren Platz im Segen einräumt als den Juden, wäre er nicht so heftig angegriffen worden.
Die Juden mussten verstehen, dass die Lehren von Paulus in keiner Weise die Verheißungen Gottes für Israel in Frage stellten, wenn ihr Messias in der kommenden Welt regieren würde. Gott hat Israel nicht vergessen und wird sich wieder mit ihnen befassen, um sie gemäß den Verheißungen des Alten Testamentes in den Segen zu bringen. Was Paulus lehrte, setzte diese Hoffnung nicht im Geringsten außer Kraft. Er lehrte, dass Gott in der Zwischenzeit Gläubige aus den Juden und Heiden herausrief, um ihnen einen besonderen, himmlischen Segen und eine besondere Bestimmung mit Christus in der Gemeinde zu geben, wenn Christus an einem kommenden Tag regiert. Der Schlüssel zu diesem Geheimnis liegt darin, zu verstehen, dass Gott die Verheißungen an Israel nicht durch die Berufung der Kirche ersetzt – dies ist eine Irrlehre, die „Ersatztheologie“ genannt wird. Er führt auch nicht gleichzeitig die Berufung der Gemeinde zur himmlischen Herrlichkeit und die Berufung Israels zum tausendjährigen Segen auf der Erde ein. Israels Berufung ruht gegenwärtig, weil das Volk seinen Messias verworfen hat, während die himmlische Berufung der Kirche ihren Lauf nimmt (Röm 11). Dies machte eine weitere Erklärung erforderlich, daher dieser Exkurs.
Die Autorität von Paulus für das Lehren der Wahrheit des Geheimnisses (3,1-5)
Eph 3,1-5: 1 Deshalb ich, Paulus, der Gefangene Christi Jesu für euch, die Nationen – 2 (wenn ihr nämlich gehört habt von der Verwaltung der Gnade Gottes, die mir in Bezug auf euch gegeben ist, 3 dass mir durch Offenbarung das Geheimnis kundgetan worden ist – wie ich es zuvor in kurzem beschrieben habe, 4 woran ihr beim Lesen mein Verständnis in dem Geheimnis des Christus wahrnehmen könnt –, 5 das in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden ist, wie es jetzt offenbart worden ist seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist: …
Das Kapitel beginnt damit, dass Paulus von dem Preis spricht, den er gezahlt hat, um den Heiden die Wahrheit über „das Geheimnis“ zu bringen. Die unmittelbare Auswirkung seines Dienstes brachte ihn in die Kritik der religiösen Welt, was dazu führte, dass er ins Gefängnis geworfen wurde. Obwohl er gefesselt war, bezeichnete er sich nicht als Gefangener Neros (des römischen Kaisers), sondern als „der Gefangene Christi Jesu“. Darin drückt sich eine bewusste Würde und ein Verständnis für die Bedeutung der von ihm verkündeten Lehren aus und dass das Leiden, das er auf sich nahm, unvermeidlich war.
In einem Einschub (Eph 3,2-21) erklärt Paulus, woher er die Wahrheit des Geheimnisses hat – Gott selbst hatte sie ihm „durch Offenbarung“ gegeben (Eph 3,3). Darin lag seine Autorität, sie zu lehren. Der Einwand, den die Juden gegen die Lehre des Paulus hatten, war, dass er keine biblischen Quellen anführen konnte. Und sie hatten völlig Recht! Die Wahrheit des Geheimnisses stand nicht in den alttestamentlichen Schriften; sie war eine ganz neue Offenbarung Gottes. Sie war „in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden“ (Eph 3,5), sondern „in Gott verborgen“ (Eph 3,9; Röm 16,25; Kol 1,26). Es wurde erst jetzt „offenbart“. Wenn die Juden dies logisch betrachteten, hätten sie keine
Schwierigkeiten mit dieser Erklärung haben dürfen, denn Mose konnte ebenfalls keine Schrift für die Offenbarungen vorlegen, die Gott ihm gab, als er den alten Bund einführte, der die Grundlage für alles bildete, was sie glaubten. Es war auch etwas Neues, als Mose den Israeliten den Bund gab.
Die Tatsache, dass diese Wahrheit „seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist“ offenbart wurde, zeigt, dass es sich nicht um eine private Auslegung von Paulus handelte – auch anderen Aposteln und Propheten waren diese Offenbarungen gegeben worden (Eph 3,5). Es wurde ihnen zwar offenbart, aber nicht von ihnen verkündet. Es war der besondere Auftrag von Paulus, diese himmlische Wahrheit zu verkünden. Er ist der einzige Schreiber des Neuen Testamentes, durch den Gott sie bekannt gemacht hat.