Es wird jedoch neben dem König des Nordens und des Südens und dem falschen Messiaskönig zu Jerusalem noch andere feindselige Mächte geben. Mit allen wird gehandelt werden, denn „in jener Zeit“ – so erklärt der erste Vers von Kapitel 12 – wird Gott sein Handeln mit Israel in Gnade wiederaufnehmen. Michael, der Erzengel, ist beauftragt, zu ihrem Nutzen zu wirken, und er steht auf, um diesen Auftrag zu erfüllen. Zwei große Ereignisse treten ein. Zuerst wird das Volk Daniels eine völlige Errettung erfahren.
Diese Zeit schlimmster Not entspricht offensichtlich der „großen Drangsal“, die der Herr in seiner prophetischen Rede erwähnt (Mt 24,21), nachdem Er von dem „Gräuel des Verwüstung“ gesprochen hat, „von dem durch Daniel, den Propheten geredet ist“. Damit bezieht Er sich auf Daniel 12,11 und nicht auf Daniel 11,31, wenngleich Ähnliches deutlich mit dem zu tun hat, was unter Antiochus Epiphanes geschah. Dieser Vers in Daniel 12 ist die erste bestimmte Prophezeiung über diese furchtbare Zeit einer Trübsal, die bevorsteht.
Und es ist der Beachtung wert, dass diese erste Vorhersage eindeutig den Juden meint, übereinstimmend mit der Weissagung des Herrn in Matthäus 24 und Markus 13. Sie wird der Höhepunkt sein in den Regierungswegen Gottes mit diesem Volk, das den Messias verwarf und kreuzigte, obgleich nach Offenbarung 3,10 die ganze Erde davon betroffen sein wird, da die Heiden als eine zweite Macht beim Tod Christi mitgewirkt haben. In jener Drangsal werden nicht nur entsetzliche Untaten geschehen, die von Menschen und Satan ausgehen, sondern Gottes Zorn wird sich entladen, wie Offenbarung 16 enthüllt. Als Christen haben wir die Sicherheit, dass „Gott uns nicht zum Zorn gesetzt hat, sondern zur Erlangung der Seligkeit durch unseren Herrn Jesus Christus“ (1Thes 5,9).
Unsere Schriftstelle sagt uns, dass ein auserwähltes Israel aus der Drangsal errettet werden wird – „ein jeder, der im Buch geschrieben gefunden wird“, dem Buch des Lebens, wie das Neue Testament davon spricht. Mancher Jude wird schlafen in der Beziehung auf seinen Gott und im Staub der Nationen begraben sein. Sie werden erwachen, die einen, gekennzeichnet durch Glauben, um in das ewige Leben des Tausendjährigen Reiches einzugehen; andere verharren im Unglauben und kommen ins Gericht. Es wird ihnen ergehen wie den heidnischen Völkern, wie der Herr es in Matthäus 25,31-46 ankündigt.
Es wird auch – nach Daniel 12,3 – eine Zeit der Belohnung sein für die Verständigen und Eifrigen in ihrem Dienst für Gott. Lasst uns das nicht übersehen, denn die Grundsätze Gottes im Umgang mit seinen Dienern ändern sich nicht. Es gibt also eine Belohnung für die „Verständigen“, jene, die eine von Gott gegebene Einsicht in seine Wahrheit und seine Wege haben, um auch andere zu unterweisen; und dann auch eine Belohnung für solche, die eifrig sind, Seelen zu gewinnen und sie auf den Weg der Gerechtigkeit zu leiten. Was wir die besinnliche Seite christlichen Lebens und die tätige Seite im Dienst nennen können, sollte im Verhältnis zueinander ausgeglichen sein.
Daniel 12,4 schließt die prophetische Mitteilung ab, die mit Kapitel 11 begann; und er bestätigt die Feststellung, dass wir von Daniel 12,36 ab offenbarte Ereignisse haben, die sich zur „Zeit des Endes“ zutragen werden. Obgleich sie Daniel gezeigt und von ihm berichtet wurden, sollte es sich um ein verschlossenes Buch handeln, bis die Zeit des Endes gekommen wäre. Während der letzten 100 Jahre etwa sind diese Weissagungen viel erforscht worden, und ihr Licht hat sich ausgebreitet. Das sollte uns gewiss machen in dem Gedanken, dass das Ende des Zeitalters nahe ist.
Und die letzten Worte dieses Verses bestärken uns darin noch mehr: „Viele werden es durchforschen, und die Erkenntnis wird sich mehren.“ Von beiden Merkmalen sind unsere Tage auffallend gekennzeichnet. Unsere Reisemöglichkeiten zu Land, auf See und in der Luft haben in einer Weise zugenommen, von der unsere Vorfahren nicht zu träumen wagten. Aber alles ist nur ein Hin und Her. Wir fliegen hin und kehren zurück an den Ausgangspunkt. Wir enden, wo wir begannen. Unser Wissen vermehrt sich ungeheuerlich; auf dem Gebiet der Atomkraft ist es geradezu furchterregend, wie jeder weiß. Wissen – ja, aber Weisheit – nein. Der Mensch ist noch dasselbe sündige Geschöpf wie vor alters, den Täuschungen des Widersachers immer wieder unterliegend.
Wenn wir an Gottes Gerichte denken, steigt die Frage auf: Wie lange noch? So lautete auch die Frage im Gespräch der Engel, die in Gestalt von Menschen Daniel die Prophezeiung übermittelt hatten. Daniel 12,7 enthält die Antwort darauf, und sie zeigt klar, dass die Frage auf das Ende der Drangsalszeit zielte, nachdem diese einmal begonnen hatte. Die Antwort gibt an: „eine Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit“. Wir verstehen darunter dreieinhalb Jahre, und zweifellos handelt es sich um die zweite Hälfte der 70. Jahrwoche, die Kapitel 9 anzeigt. Wenn jene letzte Woche vorüber ist, wird alle Kraft des „heiligen Volkes“ geschwunden sein; gemeint ist damit der gottesfürchtige Überrest in Israel. Sie werden in einem Zustand äußerster Schwachheit geraten, während ihre Widersacher zu höchster Macht gelangen. Dann aber wird der Herr plötzlich in Herrlichkeit und Macht erscheinen, seine bedrängten Heiligen retten und die Widersacher endgültig zerschmettern.
So ist es immer gewesen, und so wird es noch wieder sein. Nimm als Beispiel Israel in Ägypten. Als Jakob in den Tagen Josephs nach Ägypten kam, waren er und seine Kinder geehrte Leute. Die Jahre vergingen, und sie sanken tiefer und tiefer, bis sie ein Haufen von Sklaven unter der Peitsche ihrer Treiber waren. Dann handelte Gott im Gericht: Sein kraftloses Volk wurde gerettet, der mächtige Feind vollständig geschlagen. So wird Israel es zu Beginn des Tausendjährigen Reiches erfahren; und wir erwarten nicht, dass es anders sein wird, wenn die Gläubigen zur Herrlichkeit entrückt werden, wie es 1. Thessalonicher 4 vorhersagt. Sie werden keineswegs einen Zustand geistlichen Reichtums von der Art erreicht haben, dass die Engel zu denken versucht sein könnten, sie hätten die Befreiung verdient. Ganz im Gegenteil. Es wird ein göttliches Werk sein, das nicht etwa Verdienste auf des Menschen Seite, wohl aber seine Barmherzigkeit krönt, worauf Judas 21 hinweist.
Die Frage Daniels in Vers 8 findet einen Widerhall in unser aller
Herzen (Dan 12,8). Sie betrifft jetzt nicht die Zeit des Endes, sondern
das letztendliche Ergebnis all dieser menschlichen Bosheit und des
Handelns Gottes. Daniel verkörperte den Typ eines gottesfürchtigen
Juden, und als solchem war ihm zu jener Zeit verborgen, was
„verschlossen und versiegelt“ bedeutete. 1. Petrus 1,12 sagt, dass die
alttestamentlichen Propheten von Dingen sprachen, die sie selbst nicht
verstanden, da zu ihrer Zeit die Erlösung noch nicht vollbracht und der
Heilige Geist nicht gegeben war. Was Daniel wissen sollte, war, dass
Gott noch immer ein Volk für sich selbst aufrechterhalten würde, das
durch seine Fügungen gereinigt und weiß gemacht, „geprüft“ und
„geläutert“ werden würde, während die Gottlosen ihren bösen Weg im
Finsteren noch weiter verfolgen würden. Nur die Verständigen würden es
verstehen. Diese ernste Tatsache finden wir sehr deutlich in
So hatte Daniel seinen Weg fortzusetzen, ohne dass er eine klare Antwort bekam. Jedoch erhielt er eine zusätzliche Information hinsichtlich der letzten Zeiten, denn in den Versen 11 und 12 werden die beiden Zeitabschnitte von 1290 und 1335 Tagen angeführt. Nach jüdischer Rechnung umfasste ein Jahr 360 Tage, und deshalb würden „Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit“ (laut Dan 12,7) 1260 Tage ausmachen. 1290 Tage würden einen weiteren Monat umfassen. 1335 Tage wäre darüber hinaus ein noch um eineinhalb Monate verlängerter Zeitabschnitt. Was Daniel wissen konnte, war, dass derjenige, der mit Ausharren das Ende der längsten Periode erwartete, in die Segnung eingehen sollte.
So ergibt sich hier doch noch mit einem Wort eine Antwort auf die Frage in Daniel 12,8. Daniel mochte keine Einzelheiten erfahren, aber er konnte versichert sein, dass für Gottes Volk der
Segen am Ende des Weges lag. Uns gilt dieselbe Zusage, doch haben wir sie vielfach erweitert, auch in den Einzelheiten. Wie sehr auch immer Gottes Gerichte das Böse im Menschenleben erforschen mögen, für den demütig Harrenden ist immer endlicher Segen aufbewahrt. In diesen Worten ist eine andere Tatsache eingeschlossen. Gott handelt, ob in Gericht oder in Segen, in Etappen. Er verfuhr so mit Israel in Ägypten. Und so geschah es, als die Kirche eingeführt wurde. Während vierzig Tagen wiederholte der Herr seine Offenbarungen als der Auferstandene; es folgten zehn Tage des Wartens und danach die Bildung der Kirche durch die Ausgießung des Heiligen Geistes.
Es wird auch so in den letzten Tagen sein, wenn das Reich Gottes mit offenbarter Macht aufgerichtet wird. Das letzte Wort an Daniel ist voller Zuversicht. Bis es eintrifft, ist Ruhe sein Teil, nach einem Leben ungewöhnlicher Unruhe und Anstrengung. Und wenn es eintrifft, fällt ihm sein bestimmtes „Los“ zu, zu dem er hinzutreten wird – und wir wagen es anzunehmen, dieses „Los“ wird kein geringes sein.
Und auch wir, ein jeder von uns hat am Ende sein „Los“. Teilhabend an dem Platz und dem Teil der Kirche, wissen wir, dass es wunderbar sein wird. Wie steht es aber um unser „Los“ in dem kommenden Reich unseres Herrn? Das wird abhängen von unserer Treue im Dienst hier. Wenn unser „Los“ im Reich in etwa mit dem Daniels vergleichbar sein soll, so müssen wir, wie er, in heiliger Absonderung und Hingabe an Gott durch diese gegenwärtige Welt gehen.