Behandelter Abschnitt Jud 22-23
Und die einen, die streiten, weist zurecht, die anderen aber rettet mit Furcht, sie aus dem Feuer reißend, indem ihr auch das vom Fleisch befleckte Kleid hasst (V. 22.23).
Nun kommen wir zu einer Stelle, die ich für ungewöhnlich schwierig zu erklären halte; der Grund ist Folgender: Die ursprünglichen Autoritäten und die besten Autoritäten bieten alle ein Wirrwarr. Das ist sehr selten im Neuen Testament der Fall, aber hier ist es so. Alle großen Autoritäten sind sich uneins über das Zeugnis, das sie von diesen beiden Versen 22 und 23 geben. Und um zu zeigen, wie groß diese ist, betrachtet unsere Version – die Authorized Version – nur zwei Fälle: „Und über einige haben sie Mitleid und machen einen Unterschied“ – das ist die eine Klasse; „und andere rettet mit Furcht und ziehen sie aus dem Feuer; sie hassen sogar das Kleid, das vom Fleisch befleckt ist“ – das ist die zweite Klasse.
Nun glaube ich, dass es drei Klassen gibt, und nicht nur zwei. Das zeigt, wie unsicher es ist. Obwohl ich, wie gesagt, weit davon entfernt bin, mir anzumaßen, mehr als mein Urteil zu geben, soweit der Herr es mir ermöglicht, eines zu bilden. Ich bin sicherlich offen für alles, was das Gegenteil beweisen könnte, aber bis jetzt hat es noch tatsächlich niemand bewiesen. Ich denke, dass die, die es am besten wissen, die sind, die am vorsichtigsten darüber gesprochen haben. Viele, die sich selbst vertrauen, neigen dazu, zuversichtlicher zu sprechen.
Zunächst sagt Judas: „Und die einen, die streiten, weist zurecht“. Der Gedanke ist, „wenn sie streiten“; nicht, „einen Unterschied machen“, wie bei dem Mann, der Mitleid zeigt. Denn Barmherzigkeit gehört zu einer anderen Klasse, nicht zu dieser, soweit ich das beurteilen kann, bei der es darauf ankommt, alle Autoritäten in Erwägung zu ziehen und eine zu nutzen, um eine andere zu korrigieren. Darauf kommt es in diesem singulären Fall an, was bei den großen frühen Zeugen eine sehr außergewöhnliche Sache ist; aber Gott hat in diesem besonderen Fall Gefallen daran gefunden, ihren Unterschied nicht zu verhindern.
Nun, die nächste ist, anstatt die Leute zu „überführen“, so dass sie keine Entschuldigung für ihre streitbare Gesinnung haben, wird eine andere Klasse betrachtet: „die anderen aber rettet mit Furcht, sie aus dem Feuer reißend“; dann eine dritte Klasse: „und andere erbarmen sich mit Furcht, indem sie sogar das vom Fleisch befleckte Kleid hassen“ (V. 23). Das sind also die drei Klassen:
eine streitbare Klasse, die überführt und zum Schweigen gebracht werden soll,
dann die, die gerettet werden sollen, die dem Feuer entrissen werden sollen,
und die anderen, über die man sich mit Furcht erbarmen und das vom Fleisch befleckte Kleid hassen soll.
So wird das Bild der Gefahr für diese Personen vervollständigt. Mittendrin ist die große Bedeutung der Gnade, aber die Wahrheit bleibt in ihrer ganzen Kraft bestehen. Und, man beachte, es ist für dieselben Personen, die sich auf ihren „allerheiligsten Glauben“ erbauen, dies zu tun. Es ist eine Arbeit, die denen Verantwortung auferlegt, die durch und durch glücklich waren und mit Gott wandelten. Das sind die Personen, die in der Lage wären, die Streitsüchtigen zum Schweigen zu bringen, wenn sie von irgendjemandem zum Schweigen gebracht werden sollten. Aber selbst Apostel konnten das nicht immer tun. Der Apostel Johannes spricht von den „bösen Worten“ des Diotrephes (3Joh 10). Diese Worte waren gegen ihn selbst gerichtet, und sogar ein Apostel konnte das nicht ändern. Der Apostel Paulus beklagte sich über „böse Arbeiter“, die vorgaben, genauso, wenn nicht sogar mehr, Apostel zu sein wie er selbst. Er bezieht sich in 2. Korinther 11 ausdrücklich auf sie. Er konnte das nicht verhindern. Und als es die große Versammlung in Jerusalem gab, bei der alle Apostel anwesend waren, gab es dort eine Menge Streitgespräche und Diskussionen. Erst als es in eine laute Versammlung einmündete, gaben Petrus sowie Barnabas und Paulus ihr Zeugnis, und dann fasste Jakobus den Beschluss der Versammlung zusammen (Apg 15).
Ich erwähne das nur, um zu zeigen, dass damals ein ähnlicher Zustand wie heute herrschte. Wir betrachten die Apostel oft als die Maler, die den Herrn darstellen. Wenn man sich die Bilder des Herrn Jesus ansieht, wird er im Allgemeinen so dargestellt, dass Er mit einem Heiligenschein um sein Haupt umhergeht. Nun, wenn das wahr wäre, könnte man erwarten, dass die ganze Menge auf den Knien liegt und zu dem Mann mit diesem goldenen Heiligenschein um ihn hinaufschaut. Aber das ist genau das, was die Phantasie tut. Sie legt einen Heiligenschein um den Herrn, und sie legt einen Heiligenschein um die Apostel; so dass die Menschen die schrecklichen Übel, denen sie sich stellen mussten, gar nicht erkennen. Das war auch der Teil derer, die Gott dienten, sogar in den besten Zeiten. Wie viel mehr dürfen wir es jetzt erwarten! Wie der Psalmist sagte: Es gab eine Zeit, da wurde das Werk des Heiligtums als eine gute Sache angesehen, an die ein Mann seine Hand gelegt hatte: All das feine geschnitzte Werk, all die Pracht des Goldes, das im Heiligtum glänzte; aber nun ist es so gekommen, dass ein Mann gelobt wurde, weil er es alles in Stücke schlug (Ps 74).
Nun, das ist es, was wir in der zunehmenden Gesetzlosigkeit der Christenheit finden, aber lasst uns nicht niedergeschlagen sein. Lasst uns daran denken, dass der Lohn kommt; der Herr wird besonders die ehren, die Ihm an einem bösen Tag treu sind. Der Herr gewähre uns dieses große Vorrecht.