Denn gewisse Menschen haben sich nebeneingeschlichen, die schon längst zu diesem Gericht zuvor aufgezeichnet waren, Gottlose, die die Gnade unseres Gottes in Ausschweifung verkehren und unseren alleinigen Gebieter und Herrn Jesus Christus verleugnen (V. 4).
Nun war diese Haltung umso wichtiger. „Denn“ sagt er, „gewisse Menschen haben sich nebeneingeschlichen“. Judas ist zeitlich nicht ganz so weit fortgeschritten wie Johannes. Als Johannes seinen ersten Brief schrieb, waren die bösen Menschen, die Antichristen, bereits ausgegangen (1Joh 2,19). Aber die Gefahr hier war, dass sie drinnen waren. Gewisse Männer hatten sich sozusagen unbemerkt eingeschlichen. Das heißt, sie hatten anfangs natürlich einen schönen Anschein. Von ihnen heißt es: „die schon längst zu diesem Gericht zuvor aufgezeichnet waren, Gottlose, die die Gnade unseres Gottes in Ausschweifung verkehren und unseren alleinigen Gebieter und Herrn Jesus Christus verleugnen“ (V. 4).
Wir sehen hier das Hervorstechende in den Gedanken des Judas: Sie untergruben unter dem schönen Schein die moralischen Prinzipien und verkehrten die Gnade Gottes in Ausschweifung. Das war das schlimmste Übel, was die Moral betraf, vor dem Judas sie in diesem Brief warnt; aber dieses Übel ist mit einem lehrmäßigen Irrtum verbunden. Sie leugneten zwei Dinge. Bei Petrus leugneten sie nur eins, den souveränen Gebieter, der sie erkauft hatte (2Pet 2,1). Petrus sagt nicht, dass sie erlöst waren. Es ist ein großer Fehler, erkauft mit erlöst zu verwechseln.
Die ganze Welt ist erkauft, aber nur Gläubige sind erlöst. Der universale Kauf ist eine Wahrheit Gottes; die universale Erlösung ist eine falsche Wahrheit. Erlösung beinhaltet, dass wir die Vergebung der Sünden haben. Du siehst das deutlich in den Briefen. Nimm zum Beispiel den an die Epheser: „in dem wir die Erlösung haben durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade“ (Kap. 1,7). Nun ist es klar, dass die große Masse der Menschheit nicht die Erlösung durch sein Blut hat; aber sie sind alle erkauft, und auch der Gläubige ist erkauft, und wir werden deshalb beständig ermahnt, dass wir nicht nur erlöst, sondern auch erkauft sind. Zum Beispiel wird den Korinthern gesagt, dass sie erkauft sind.
Das ist der Grund, warum sie sich nicht so verhalten sollten, als wären sie ihre eigenen Herren. Wir haben keine eigenen Rechte (1Kor 6). Es steht uns nicht frei zu sagen: Ich halte es für richtig, vor ein Gericht zu gehen, um meine Rechte zu wahren. Nein, ich bin verpflichtet, wenn ich als Zeuge vorgeladen werde, zu gehen; ich bin verpflichtet, wenn Leute mit mir vor Gericht gehen wollen, mitzugehen. Aber ich poche im Gegenteil nicht auf mein eigenes Recht! Warum soll ich nicht lieber Unrecht erleiden? So sieht der Apostel Paulus die Sache an. Und wer ist der Apostel? Die Stimme Gottes, die Gebote des Herrn.
Du siehst also, dass ich sofort zur Frage des Glaubens komme, ob ich wirklich glaube, wovon ich vielleicht sehr leichtfertig rede, als ob ich es täte. Die Schwierigkeit ist, den Glauben auf der Erde zu finden. So hat der Herr gesagt: „Doch wird wohl der Sohn des Menschen, wenn er kommt, den Glauben finden auf der Erde?“ (Lk 18,8). Offensichtlich wird also dieses Abweichen vom Glauben durch eben diese Frage unseres Herrn Jesus vorausgesetzt. Nur ist hier die ernste Sache, dass sie auf die zutrifft, die einst den Namen des Herrn trugen. Sie mögen eine Zeitlang, jahrelang, weitermachen; und es mögen nur einige Kleinigkeiten sein, die man hier oder dort bemerkt, oder ihr Niedergang mag nicht eine so schreckliche Form annehmen wie hier, aber die Frage ist: Wo wird es enden? Wenn wir einmal auf die Neigung unserer eigenen Rechte, unseres eigenen Willens kommen; wenn wir einmal seine Souveränität aufgeben, und, mehr als das, dass Er nicht nur souveräner Gebieter, sondern unser Herr ist. Wer kann sagen, was daraus folgen wird?
Hier haben wir nun eine engere Beziehung. Petrus vermutet in seinem Brief nur diese universelle Stellung unseres Herrn. Warum fügt Judas hinzu: „unseren ... Herrn Jesus Christus verleugnen“? Weil er auf die besondere Nachfolge derer schaut, die mit seinem Namen gerufen werden – auf die, die den Namen des Herrn anrufen. Hier finden wir also eine feinere und tiefere Verleugnung als die Verleugnung des souveränen Meisters bei Petrus. Das war natürlich sehr weitgehend und sehr grob – „die Verderben bringende Sekten nebeneinführen werden und den Gebieter verleugnen, der sie erkauft hat, und sich selbst schnelles Verderben zuziehen“ (2Pet 2,1). Aber hier, bei Judas, ist es nicht nur die Verleugnung des souveränen Gebieters der Welt, ja, aller Dinge; sondern unser Herr, der, dem wir an gehören, der, auf dessen Namen wir getauft sind, der, den wir bekennen, zu schätzen und anzuerkennen, dass Er unser Leben und unsere Gerechtigkeit und unser Alles ist – Ihn zu verleugnen!
Wir müssen uns nicht vorstellen, dass das alles in kurzer Zeit offenbar wird. Es gibt einen kleinen Anfang des Aufbruchs; aber wenn du dem Herrn den Rücken zukehrst und auf diesem Weg weitergehst, wo wird dieser Weg enden? Kein Mensch kann das sagen; aber der Geist Gottes kann es und tut es, und er zeigt, dass diese kleinen Abwege in einem furchtbaren Graben des Feindes enden, deshalb sagt er im folgenden Vers: