Behandelter Abschnitt Judas 4-7
Der folgende Vers weist auf die Quelle und den Grund der Gefahr hin:
„Denn gewisse Menschen haben sich nebeneingeschlichen, die schon längst zu diesem Gericht zuvor aufgezeichnet waren, Gottlose, die die Gnade unseres Gottes in Ausschweifung verkehren und unseren alleinigen Gebieter und Herrn Jesus Christus verleugnen“ (4).
Wir sehen also die Geschichte und den Charakter dieser zerstörerischen Abtrünnigen. Erstens haben sie sich unbemerkt „nebeneingeschlichen“, das heißt ihr wahrer Charakter wurde nicht erkannt, als sie in die Versammlung gebracht wurden. In den Tagen des Bösen kann es keine ernstere Verantwortung geben als die der „Torhüter“ (2Chr 23,19), die sozusagen die Tore bewachen und deren Pflicht es ist, nur solche hineinzulassen, die einen zweifellosen Anspruch und die Berechtigung zum Eintritt haben. Es gab in diesen Tagen Nachlässigkeit, als zugelassen wurde, dass sich diese Menschen in die Versammlung stehlen; und wie oft gibt es einen solchen bedauerlichen Mangel an Wachsamkeit in der heutigen Zeit. Die Folge, ob damals oder heute, ist Verwirrung und Verfall. Während jedoch die „Torhüter“ versagt hatten, waren diese Männer „längst zu diesem Gericht zuvor aufgezeichnet“2. Sie waren von dem allwissenden Auge des Geistes Gottes vorhergesehen worden, und die Grundlage ihrer Verurteilung war zuvor bestimmt und verkündet worden. In ihrem grundlegenden Charakter waren sie „Gottlose“ – Männer, die die Furcht Gottes nicht vor Augen hatten und ohne Bezug auf Ihn handelten, indem sie Gott in ihren Gedanken, Handlungen und Wegen außen vor ließen (vgl. V. 15).
Dann folgen ihre besonderen Eigenschaften: Sie verkehrten die Gnade Gottes in Ausschweifung und verleugneten den alleinigen Gebieter und unseren Herrn Jesus Christus. Sie nutzten die Gnade als eine Ausrede für die Sünde; sie verharrten in der Sünde, damit die Gnade überströme (Röm 6,1); und sie verwarfen die Autorität Christi, der in Wirklichkeit ihr einziger Gebieter war (vgl. 2Pet 2,1). Kurzgesagt, sie widersetzten sich dem Willen Christi, damit sie frei wären, ihren eigenen Willen zu tun. Es handelte sich also um die Durchsetzung des Menschen in diesem Bereich (dem Bereich der Versammlung), in der Christus und seine Autorität alles ist. Dies ist der Kern aller Gesetzlosigkeit und war damit wahrer Abfall, obwohl sie sich äußerlich noch auf dem Boden des Christentums befanden.
Der Apostel schreibt daher: „Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam; nur ist jetzt der da, der zurückhält, bis er aus dem Weg ist, und dann wird der Gesetzlose offenbart werden“ ( 1Thes 2,7.8). Diese Menschen, die sich unbemerkt unter die Heiligen nebeneingeschlichen hatten, waren also die Vorläufer des offenen Abfalls und der Offenbarung des Menschen der Sünde; denn in ihnen regierte derselbe Geist, der sich in ihm in öffentlicherer Weise zeigen wird. Diese gottlosen Menschen gab es in den Tagen Judas‘, doch es sollte nicht vergessen werden, dass sie ihre Repräsentanten in jedem Zeitalter der Kirchengeschichte haben, und somit auch in unserer Zeit. Wir sind also vorgewarnt und müssen acht geben, eifersüchtig für die Rechte und die Ehre unseres Herrn kämpfen, gegen die geringste Abweichung von seinem Wort oder die geringste Tendenz, die Gnade zu missbrauchen. Der Kern des Abfalls könnte bereits in dem liegen, was eine bedeutungslose Handlung der Durchsetzung des menschlichen Willens in Rebellion gegen den des einzigen Herrn, unseren Herrn Jesus Christus, zu sein scheint.
Als nächstes führt Judas einige Beispiele an, um die Gewissheit des Gerichts über alle zu zeigen, die den Platz der Unterwürfigkeit unter den Herrn verlassen oder in Sünde oder Verderben fallen.
„Denn gewisse Menschen haben sich nebeneingeschlichen, die schon längst zu diesem Gericht zuvor aufgezeichnet waren, Gottlose, die die Gnade unseres Gottes in Ausschweifung verkehren und unseren alleinigen Gebieter und Herrn Jesus Christus verleugnen. Ich will euch aber, die ihr ein für alle Mal alles wisst, daran erinnern, dass der Herr, nachdem er das Volk aus dem Land Ägypten gerettet hatte, zum anderen die vertilgte, die nicht geglaubt haben; und Engel, die ihren ersten Zustand nicht bewahrt, sondern ihre eigene Behausung verlassen haben, hat er zum Gericht des großen Tages mit ewigen Ketten unter der Finsternis verwahrt. Wie Sodom und Gomorra und die umliegenden Städte, die sich, ebenso wie jene, der Hurerei ergaben und anderem Fleisch nachgingen, als ein Beispiel vorliegen, indem sie die Strafe des ewigen Feuers erleiden“ (4–7).
Es gibt ohne Zweifel einen zweifachen Grund für die Anführung dieser sehr unterschiedlichen Beispiele für Gericht. Erstens ist es, um am Beispiel Israels zu zeigen, dass das Gericht auf der Grundlage dessen vollzogen wird, dass sie den Platz des Volkes Gottes eingenommen hatten. Darüber hinaus scheint es – und dies wird später im Brief deutlicher zu sehen sein – dass der Zustand dieser Menschen zum Ende hin charakteristisch für die öffentliche Christenheit sein wird. Dann finden wir in diesen drei Beispielen die Eigenschaften (die Formen der Sünde und Schuld), die in diesem „Träumern“, von denen Judas spricht, zum Vorschein kommen. So wurden in der Wüste diejenigen Israeliten vertilgt (und nur zwei von denen, die aus Ägypten herausgeführt worden waren, wurden verschont – Kaleb und Josua), die nicht glaubten. Sie waren Kinder, in denen kein Glaube war.
„Welchen aber schwor er, dass sie nicht in seine Ruhe eingehen sollten, wenn nicht denen, die ungehorsam gewesen waren? Und wir sehen, dass sie nicht eingehen konnten wegen des Unglaubens“ ( Heb 3,18.19). Die Sünde der Engel, die ihren ersten Zustand nicht bewahrt hatten, war eher die des Ungehorsams, denn eine Eigenschaft derer, die verschont wurden, ist dass sie „gehorsam der Stimme seine Wortes“ waren (Ps 103,20). Schließlich war es bei den Bewohnern von Sodom und Gomorra der Wille des Fleisches, Eigenwille in ihren Begierden, die sich „. . . der Hurerei ergaben und anderem Fleisch nachgingen“. Hier sollte die moralische Reihenfolge beachtet werden: Zuerst Unglaube, dann Ungehorsam, und schließlich die Ermächtigung des Fleisches – eine Reihenfolge, die im Wort Gottes immer wieder an Beispielen erklärt wird.
Auf zwei weitere Dinge sollte hingewiesen werden. Die gefallenen Engel, wie wir aus diesem Abschnitt und aus 2. Petrus 2,4 lernen, sind zum Gericht des großen Tages mit ewigen Ketten unter der Finsternis verwahrt. Sie sind also eine Gruppe neben dem Teufel und den Dämonen des Neuen Testaments, die so oft mit ihren bösen Werken auf der Erde beschäftigt gefunden werden. Auf diese gefallenen Engel könnte sich Paulus in 1. Korinther 6,3 beziehen. Darüber hinaus wird die Zerstörung von Sodom und Gomorra und der anliegenden Städte als Beispiel aufgeführt, die die Strafe des ewigen Feuers erleiden. Diese Städte liegen regungslos unter dem Gewicht ihrer Verdammung, aufgezehrt durch das Gericht, von dem sie überfallen wurden. Der Geist Gottes führt dies sowohl als ein warnendes Beispiel, eine Warnung vor der Gewissheit des kommenden Gerichts, als auch als eine Illustration seines ewigen Charakters an. Wehe also solchen, wie den Verderbern der Gnade Gottes und Rebellen gegen die Autorität Christi!
2 Das Wort „Gericht“ ist dasselbe wie in 1. Korinther 11,29 und meint „nicht die Handlung des Gerichts, sondern den Gegenstand oder die Anklage, auf Grundlage derer und für die sie gerichtet werden“.↩︎