Behandelter Abschnitt Eph 2,13-14
Doch in Kapitel 2 gibt es eine viel tiefere Linie: Der Apostel behandelt den Leib Christi und die Versammlung Gottes. Und wir müssen uns daran erinnern, dass zu Beginn des Christentums diese beiden Dinge eng miteinander verbunden waren: Mit anderen Worten, die Versammlung bestand zuerst aus nichts anderem als den Gliedern des Leibes Christi, den wahren Gläubigen, die durch den Heiligen Geist mit Christus vereint waren. Aber bald schlichen sich Einzelne ein, die nicht aus Gott geboren und natürlich auch keine Glieder Christi waren, die aber dennoch in die Versammlung Gottes hineinkamen. So ist mit einem Christen nun jemand gemeint, der weder ein Heide noch ein Jude ist. Daher liest man in Römer 11 von Zweigen, die ausgebrochen werden; daher wird von den eingepfropften Zweigen gesagt, dass sie in der Güte Gottes stehen, und sie werden gewarnt, darin zu bleiben, damit sie nicht auch ausgebrochen werden. Es ist eine Frage des Bekenntnisses, seiner Gefahr und seines sicheren Verderbens, wenn man nicht glaubt. Aber im Epheserbrief gibt es so etwas wie das Ausbrechen nicht, denn dort ist das Hauptthema die Zugehörigkeit zum Leib Christi. Manche reden jetzt davon, den Leib Christi nicht zu zerschneiden; aber es gibt keine solche Formulierung oder Vorstellung in der Schrift. Du wirst Stellen finden, die sehr auf den festen Stand der wahren Gläubigen bestehen, und andere, die davor warnen, dass die Bekenner abfallen oder von Gott gerichtet werden. Es gibt keinen solchen Gedanken, ein Glied des Leibes Christi abzuschneiden. Es gibt ernste Warnungen an die Christen, sich vor dem Bösen zu bewahren, aber keinen solchen Gedanken, sie zu verunsichern.
Wenn man mit dem Kapitel fortfährt, erscheint die positive Seite der Frage. Die Nationen besaßen von Natur aus nicht die Vorrechte der Juden:
Jetzt aber, in Christus Jesus, seid ihr, die ihr einst fern wart, durch das Blut des Christus nahe geworden. Denn er ist unser Friede, der aus beiden eins gemacht und abgebrochen hat die Zwischenwand der Umzäunung (2,13.14).
Hier wird deutlich dargelegt, dass die Anordnungen, die Gott in seinem Umgang mit den Juden gegeben hat, nun niedergerissen sind. Gott selbst hat die Zwischenwand der Umzäunung abgebrochen. Er allein ist dazu befugt. Es wäre für jeden anderen eine Sünde gewesen, das zu versuchen. Auf der anderen Seite wird man Personen finden, die in ihrer Unkenntnis der Schrift argumentieren, dass, weil Gott diese Dinge einmal befohlen hatte, Er sie immer gutheißen muss. Nichts kann unbegründeter sein. Sie schränken Gott völlig ein und verschließen ihre Augen vor den klarsten Aussagen seines Wortes. Durch einen großen Teil des Neuen Testaments hindurch setzt Gott selbst die jüdische Anordnung in allen ihren Teilen außer Kraft. Zweifellos gibt es moralische Prinzipien, die vor dem Gesetz wahr waren – offenbarte Wege Gottes von Anfang an, die immer das Verhalten des Menschen vor Gott regeln müssen; aber diese haben nicht notwendigerweise etwas mit dem Gesetz zu tun. Solche Anordnungen mögen mehr oder weniger im Gesetz verankert sein und die Form von Geboten annehmen; aber ihre Wurzeln liegen viel tiefer als das Gesetz, das Mose gegeben wurde. Es beruht auf diesem Missverständnis, dass, wenn man von der Befreiung des Christen vom Gesetz spricht, manche meinen, man wolle die Moral zerstören und Gottes heiligen Maßstab für Gut und Böse umstürzen. Aber es steht uns nicht zu, das zu beurteilen, was am meisten zur Ehre Gottes ist. Demut wird im Gehorsam gefunden und durch diesen bewiesen; und Gehorsam hängt von der Unterwerfung unter das Wort Gottes ab. Dieselbe Handlung ist unter verschiedenen Umständen eine Pflicht oder ein Verbrechen. Der einzige unfehlbare Test für den Gläubigen ist Gottes Wort. Es war eine Sünde für die Juden, nicht alle Kanaaniter zu vernichten: Gott befahl ihnen, dies zu tun – Er ist der Einzige, der berechtigt ist, zu urteilen, und berechtigt, nach seinem souveränen Willen zu befehlen. Wenn ein Christ jetzt dasselbe tun würde, wäre das eine Verkennung des Willens Gottes. Die Welt ist verpflichtet, mit Mördern heute genauso streng umzugehen wie früher, denn Gott hat in keiner Weise sein Wort über die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens widerrufen. Das ist das, was Gott lange vor dem Gesetz Moses und vor jeder Unterscheidung zwischen Juden und Heiden aufgestellt hatte. Es wird weder durch das Gesetz, das Israel gegeben wurde, noch durch das Evangelium, das jetzt in Gnade zur Welt ausströmt, aufgehoben. Die Regierung unter den Menschen steht auf ihrer eigenen Grundlage und war in dem Auftrag enthalten, der Noah gegeben wurde; aber der Christ steht außerhalb und über alledem.
Für ihn gilt eine neue Berufung, und die haben wir hier: „Jetzt aber, in Christus Jesus, seid ihr, die ihr einst fern wart, durch das Blut des Christus nahe geworden“ (V. 13). Unsere Aufgabe ist nicht die Aufrechterhaltung der Ordnung der Welt oder die Bestrafung ihrer Unordnung; sondern auf dem erhabenen, heiligen, göttlichen Grund des Blutes Christi wächst ein neuer Bau, durch den wir Gott nahegebracht werden. Es ist auch nicht nur das, was wir nach und nach sein werden, sondern was wir jetzt sind. Wir sind „durch das Blut des Christus nahe geworden“.
Nichts kann deutlicher sein: „Denn er ist unser Friede“; ein höchst wunderbarer Ausdruck. Unser Friede ist nicht nur eine Sache des Genusses in uns, sondern er ist Christus außerhalb von uns; und wenn die Gläubigen nur auf diesem ruhen würden, gäbe es dann Angst um die Fülle des Friedens? Es ist ganz und gar meine eigene Schuld, wenn ich nicht darin ruhe und ihn genieße. Soll ich irgendwie daran zweifeln, dass Christus mein Friede ist? Ich entehre Ihn, wenn ich das tue. Wenn ich einen Bürgen hätte, dessen Reichtum nicht versagen könnte, warum sollte ich dann an meinem Ansehen oder meiner Gunst zweifeln? Es hängt weder von meinem Reichtum noch von meiner Armut ab: Alles hängt von den Mitteln dessen ab, der für mich verantwortlich geworden ist. So ist es mit Christus. Er ist unser Friede, und in Ihm gibt es keine Möglichkeit des Versagens. Wo das Herz sich dem anvertraut, was ist die Wirkung? Dann können wir ausruhen und uns daran erfreuen. Wie kann ich einen Segen genießen, bevor ich daran glaube? Und ich muss mit dem Glauben beginnen, bevor ich genieße. In seiner Gnade schenkt der Herr seinem Volk Zeiten besonderer Freude; aber die Freude kann schwanken. Der Friede ist oder sollte eine beständige Sache sein: Der Christ hat das Recht, ihn immer zu haben; und das, weil Christus unser Friede ist. Er wird nicht unsere Freude genannt, noch wird Gott der Gott der Freude genannt, sondern des Friedens, weil Er selbst es getan hat; und es ruht ganz auf Christus: „Denn er ist unser Friede, der aus beiden eins gemacht und abgebrochen hat die Zwischenwand der Umzäunung“ (V. 14).
Es herrscht die (der Bibel unbekannte) Vorstellung vor, dass Christus unsere Gerechtigkeit geschaffen hat, als Er hier auf der Erde war. Nun war das Leben Christi, das bezweifle ich nicht, notwendig, um Gott und sein heiliges Gesetz zu rechtfertigen sowie sich selbst und seine Liebe zu offenbaren; aber die Gerechtigkeit, zu der wir in Christus gemacht werden, ist ein ganz anderer Gedanke – nicht das von Ihm erfüllte Gesetz, sondern die rechtfertigende Gerechtigkeit Gottes, die sich auf den Tod Christi gründet, sich in seiner Auferstehung zeigt und durch seine Herrlichkeit im Himmel gekrönt wird. Es ist nicht Christus, der einfach unsere Pflicht für uns tut, sondern Gott, der meine Schuld vergibt, meine Sünde richtet, ja, der im Blut Christi eine solche Genugtuung findet, dass Er nun nicht zu viel für uns tun kann. Es wird, wenn ich so sagen darf, eine positive Schuld gegenüber Christus, aufgrund dessen, was Christus erlitten hat. Es wird nicht gesehen, dass das Gesetz die Kraft der Sünde ist, nicht die der Gerechtigkeit. Hätte Christus nur das Gesetz gehalten, hätten weder du noch ich gerettet, geschweige denn gesegnet werden können, wie wir es sind. Wer auch immer das Gesetz gehalten hat, es wäre die Gerechtigkeit des Gesetzes gewesen, und nicht die Gerechtigkeit Gottes, die nicht den geringsten Zusammenhang mit der Befolgung des Gesetzes hat. Sie wird im Wort Gottes nie so behandelt. Weil Christus bis zum Tod gehorsam war, hat Gott eine neue Art von Gerechtigkeit eingeführt – nicht unsere, sondern seine eigene Gerechtigkeit zu unseren Gunsten. Christus ist am Kreuz zum Fluch gemacht worden; Gott hat Ihn für uns zur Sünde gemacht, damit wir in Ihm zur Gerechtigkeit Gottes gemacht würden. Wäre die gängige Lehre zu diesem Thema wahr, könnten wir erwarten, dass es hieße: Er hat das Gesetz für uns befolgt, damit uns die Gerechtigkeit des Gesetzes zugerechnet oder übertragen werden kann. Die Wahrheit aber steht in allen Punkten im Gegensatz zu solchen Vorstellungen. Sicherlich bewirkte Christi Gehorsam gegenüber dem Gesetz nicht, dass Gott Ihn zur Sünde machte. Deshalb heißt es in der so oft zitierten Stelle: „So werden ... durch den Gehorsam des einen die vielen in die Stellung von Gerechten gesetzt werden“ (Röm 5,19). Wie ist sein Gehorsam hier mit dem Gesetz verknüpft? Der Apostel spricht im nächsten Vers von dem Gesetz als von etwas Neuem und Zusätzlichen, das daneben einkam.
Außerdem hätte Adam die Bedeutung von „das Gesetz“ nicht gekannt, obwohl er zweifellos unter einem Gesetz stand, das er brach. Was hätte Adam in seiner Unschuld zum Beispiel mit dem Wort „du sollst nicht begehren“ anfangen können? Ein solches Empfinden lag nicht in seiner Erfahrung. Dementsprechend wurde, wie wir sehen, erst nachdem der Mensch gefallen war, das Gesetz zur rechten Zeit gegeben, um den Ausbruch der Sünde zu verurteilen. Aber Christus ist für und unter der Sünde gestorben – unserer Sünde. Und was ist die Konsequenz? Alle Gläubigen, ob Juden oder Heiden, werden nun in Christus Jesus an einen völlig neuen Platz gebracht. Der Heide wird aus seiner Entfernung von Gott herausgebracht; der Jude aus seiner Nähe in der Haushaltung; beide genießen einen gemeinsamen Segen in Gottes Gegenwart, den sie nie zuvor besessen haben. Die alte Trennung löst sich auf und macht durch Gnade dem Einssein in Christus Jesus Platz. Wann hat dies begonnen? Eine wichtige Frage, denn sie ist eigentlich die Antwort auf die Frage: Was ist die Versammlung nach der Schrift? Viele Kinder Gottes, würden antworten: Die Gesamtheit aller Gläubigen. Aber ist das der Leib Christi, wie er uns hier gezeigt wird? Es gab von Anfang an Gläubige, alle, die aus Gott geboren wurden; aber wurden sie zu einer vereinigten Versammlung auf der Erde geformt? Hat irgendetwas im Alten Testament dem einen Leib entsprochen? Man hat nie davon gehört, außer als etwas Verheißenes, bis zum Pfingsttag. Alles wartete auf das Kreuz Christi. Da hob Gott die Feindschaft auf. Zuvor hatte Gott dem Juden geboten, sich von den Nationen zu trennen; und unser Herr hielt dies mit aller Kraft aufrecht, als Er auf der Erde war. Er gebot seinen Jüngern, nicht auf einen Weg der Nationen oder in eine Stadt der Samariter zu gehen (Mt 10,5). Er sagte der Frau aus Syro-Phönizien, dass Er nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt sei (Mt 15,24). Sie war auf dem Boden der Verheißungen gekommen, aber Er zeigt ihr, dass sie weder Teil noch Los an den Verheißungen hatte. Hätte sie Ihn als Sohn Gottes angesprochen, hätte unser Herr sie dann warten lassen? Sie wandte sich an Ihn als den Sohn Davids; und das war seine Verbindung mit Israel. Sie musste lernen, sich nicht auf Verheißungen zu berufen, auf die sie keinen Anspruch hatte. Und das ist oft der Grund, warum Menschen keinen Frieden genießen. Sie berufen sich auf Gottes Verheißungen; aber was, wenn ich nicht sagen kann, dass es Verheißungen für mich sind? Muss ich mich wundern, dass die Antwort ausbleibt? Daher kommt es auch, dass es im Allgemeinen wenig gefestigten Frieden gibt. Wie gut für die arme Frau, wie gut für uns, zu wissen und zu bekennen, was wir wirklich sind! Sie gesteht, dass sie weder ein Kind noch ein Schaf war. „Und doch fressen die Hunde!“ Sie sieht, warum sie nicht bekommen konnte, was sie wollte: Sie befand sich auf dem falschen Boden der Vorrechte, die sie nicht besaß. Sie wird dazu gebracht, sich einzugestehen, dass sie überhaupt keine Verheißungen hatte; und dann gibt es keine Grenze für den Segen in der Gnade Christi. „Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: O Frau, dein Glaube ist groß; dir geschehe, wie du willst“ (Mt 15,28).
In beiden Beispielen, in denen der Herr den Glauben derer lobt, die zu Ihm kamen, handelt es sich um Heiden – der Hauptmann und die Syro-Phönizierin. Unser Herr kann seine Liebe nicht verleugnen, und sie wussten das. Folgerichtig drängten sie auf seine Hilfe. Sie waren in völliger Unwissenheit. Aber dann war ihr Auge einfältig, und der, auf dem es ruhte, segnete über alles Denken hinaus. Der Segen konnte folglich nicht verlorengehen, und obwohl er verzögert wurde, war er unendlich groß.