Behandelter Abschnitt Eph 2,4-6
Und was tut Gott? Denn es besteht die absolute Notwendigkeit, dass Gott handelt, um einen Lichtstrahl in die Mitte dieses hoffnungslosen Wracks und Ruins zu bringen. Aber die Menschen werden nicht glauben, dass sie völlig verdorben sind; sie werden denken, dass es doch eine gute Welt ist und einen Bestand an Dingen, die Gott dem Menschen gegeben hat, um sie zu bewirtschaften, und vergessen, dass Gott den Menschen aus dem Garten vertrieben hat und dass alle Erfindungen des Menschen nur Mittel sind, um seine Blöße zu bedecken, um ihn vergessen zu lassen, dass er ein aus dem Paradies Vertriebener ist. Natürlich können wir diese Erfindungen nutzen, wenn wir sie nicht missbrauchen. Aber lasst uns bedenken, dass unser Leben, unsere Heimat als Christen, nicht hier ist. Wir gehören zu einem anderen Schauplatz, wo Christus ist. Wir sind nicht von der Welt; wir sind erkauft, um den Willen Gottes zu tun, geheiligt zum Gehorsam, zur gleichen Art von Gehorsam wie der unseres Herrn. Wägen wir dies ernsthaft ab und wenden es gewissenhaft an, dass wir zur Familie Gottes gehören, wo auch immer wir hingestellt sein mögen? In unserem Herrn war Leben, und Er war immer glücklich im Bewusstsein der Liebe seines Vaters. Auch der Gläubige hat Leben in Ihm und wird geliebt, wie Christus geliebt wurde. Gott mag die Zehn Gebote gebrauchen, um einen Menschen im Fleisch zu zerbrechen; aber ein Gläubiger ist aufgerufen, zu gehorchen, wie Christus gehorchte, zu wandeln, wie Er wandelte; denn Er hat uns ein Beispiel hinterlassen, dass wir seinen Fußstapfen folgen sollen (1Pet 2,21).
Hier haben wir also dieses mächtige Eingreifen Gottes:
Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, wegen seiner vielen Liebe, womit er uns geliebt hat, hat auch uns, als wir in den Vergehungen tot waren, mit dem Christus lebendig gemacht – durch Gnade seid ihr errettet –, und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus (2,4–6).
Wir sind nicht nur lebendig gemacht – das wäre wahr gewesen, wenn man jeden Gläubigen betrachtet, der jemals auf der Erde gelebt hat. Aber hätten sie auch sagen können, dass alle zusammen mit Christus auferweckt wurden und in himmlische Örter in Christus Jesus versetzt sind? Ist das nicht eine umfassendere Aussage über den Segen, der uns als Christen jetzt gehört, der von niemandem behauptet werden konnte, bis die Auferstehung und Himmelfahrt Christi Tatsachen waren? Unser Herr sagt: „Ich bin gekommen, damit sie Leben haben und es in Überfluss haben“ (Joh 10,10). Warum macht Er den Unterschied zwischen Leben und Leben „in Überfluss“?
Nach welchem Grundsatz also macht Christus überhaupt lebendig? Weil in Ihm, dem Sohn, das Leben ist; und dieses Leben wird das Teil des Gläubigen in Ihm. „Es kommt die Stunde und ist jetzt, da die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie gehört haben, werden leben“ (Joh 5,25). Er war immer die Quelle des Lebens für jeden Menschen, ganz gleich wann und wo, obwohl der sündige Mensch es natürlich nur aufgrund der vorhergesehenen Erlösung empfangen konnte. Vor seinem Tod und seiner Auferstehung jedoch war es einfach Leben. Aber unser Herr fügte gleichsam hinzu: „und ich werde es noch reichlicher geben.“ Die Jünger, die Ihn damals umgaben, hatten bereits Leben, weil sie an Ihn glaubten. Aber als unser Herr von den Toten auferstand, als Er das erste Mal in der Mitte der Jünger erschien, hauchte Er in sie und sagte: „Empfangt den Heiligen Geist“ (Joh 20,22). Was war das? Das war der Geist als die Kraft des Lebens in Fülle (noch nicht als die innewohnende Gabe). Er gab ihnen das Leben, während Er hier war, und als Er auferstanden war, vermittelte Er es in größerer Fülle, das Leben in der Auferstehung.
Nun könnte man fragen, was der Unterschied zu uns ist. Er ist unermesslich! Denn die Hauptsache ist der Unterschied in den Gedanken Gottes und wie dieser sich auf seine Herrlichkeit auswirkt. Deshalb möchte ich mich, ob ich es nun verstehe oder nicht, vor Gott verneigen und Ihn preisen, in der vollen Gewissheit, dass es einen weisen und guten Grund für alles gibt, was Er tut und sagt. Wir sollen nach und nach von den Toten auferweckt werden: Unser Körper ist zurzeit noch unverändert. Der Leib des Gläubigen verwest und zerfällt wie der des Ungläubigen, aber er hat das Auferstehungsleben Christi, dieses Leben „in Überfluss“. „Wie der Vater mich ausgesandt hat, sende auch ich euch“ (Joh 20,21) war nicht nur ein Wort für die Zwölf. Zweifellos hatten sie einen Auftrag, den keiner von uns hat. Aber während dies wahr ist und niemand jetzt mit ihnen als Apostel auf eine Stufe gestellt werden kann, behaupte ich doch gleichzeitig, dass sie neben ihrem besonderen apostolischen Charakter auch Aufgaben der Verwaltung hatten, und in diesen Aufgaben, nicht in ihrem apostolischen Charakter, haben sie Nachfolger. Unser Herr begegnete an jenem Tag, an dem Er auferstand, „den Jüngern“, was einen weitaus umfassenderen Gedanken beinhaltet. Es war die damalige christliche Gemeinschaft, alle, die da waren, ob Männer oder Frauen, wenn sie Jünger waren. In diese hauchte Er. Sie alle sollten sein Leben in Überfluss haben. Die Wirkung ist, dass alle in die Freiheit gebracht werden (vgl. Röm 8,1.2).
Ich gehe nicht weiter auf die sehr besonderen Begleiterscheinungen dieses neuen Lebens ein, sondern bemerke nur, dass von der Auferweckung und dem Mitsitzen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus alles gesagt wird, was jetzt für den Gläubigen gilt. Damit ist keine mystische Vorstellung gemeint, dass wir hier nicht auf der Erde oder in unserem Körper sind. Alles in der Heiligen Schrift ist das genaue Gegenteil von Überspanntheit. Mystik ist die Nachahmung der Geheimnisse durch den Teufel und der bloße Nebel der menschlichen Phantasie. Das Geheimnis bedeutet in der Schrift nichts Unbestimmtes, sondern eine Wahrheit, die der menschliche Verstand nie entdecken würde, die aber, wenn der Heilige Geist sie der neuen Natur mitteilt, vollkommen verständlich ist. Manche Dinge haben einen tieferen Charakter als andere, und es mag Dinge geben, die jenseits aller Erkenntnis liegen, wie zum Beispiel das Wesen des Sohnes Gottes. „Niemand erkennt den Sohn als nur der Vater“, und vom Sohn wird nicht gesagt: „wem der Vater ihn offenbaren wird“ (Mt 11,27). Der Vater bewahrt mit heiliger Eifersucht die unerforschliche Herrlichkeit der Person seines Sohnes. Aber abgesehen davon sind die Geheimnisse der Schrift Wahrheiten, die einst unbekannt waren, jetzt aber offenbart und dazu bestimmt sind, erkannt zu werden, und in der Tat sind sie das Teil und die Freude des Gläubigen.
Wir haben bereits einen Blick auf den starken Gegensatz geworfen, der zwischen dem Zustand des Menschen in den ersten drei Versen und dem darauffolgenden mächtigen Eingreifen der Gnade Gottes besteht. Wir haben gesehen, wie die Heiden in dem dunklen Bild der elenden moralischen Verderbtheit und des sinnlosen Götzendienstes dargestellt wurden, wobei der Heilige Geist alles in ein paar mächtigen Einzelheiten bloßlegte. Sie waren „tot in Vergehungen und Sünden“, völlig dem Fürsten dieser Welt unterworfen. Sie folgten allein dem Zeitlauf dieser Welt, waren Kinder des Ungehorsams, ohne Bezug zu Gott in ihren Wegen. Hier ist kein Gedanke daran, die schrecklichen Formen menschlicher Frömmigkeit oder die Verderbtheit und Erniedrigung, in die der Mensch durch Satans Anstiftung gefallen ist, in Einzelheiten darzustellen. Dennoch haben wir hier einen viel tieferen Einblick in den hoffnungslos bösen Zustand des Menschen, als wenn alle Einzelheiten der Unreinheit, des Aberglaubens und der Rebellion in aller Ausführlichkeit behandelt würden. Wie wenig hängt im Wort Gottes die Kraft von der scheinbaren Stärke der Sprache ab! Noch weniger finden wir in der Schrift etwas von heftigem, übertriebenem Ausdruck, dessen wir Menschen uns bedienen, wenn wir eine Sache besonders betonen wollen.
Wir haben einfach (und was für eine Tatsache ist das!) Gott selbst, der den Zustand des Menschen erforscht und nicht mehr auf das Herz schaut, als ginge es darum, seine Begierden zu zügeln, was Er unter dem Gesetz tat. Hier haben wir den völligen Tod der Natur in der Gegenwart Gottes – die Macht Satans ist an die Stelle der Regierung Gottes getreten – der Mensch selbst ist offensichtlich und hoffnungslos verdorben. Aber in diese Szene des Todes tritt Gott ein – Gott, „der reich ist an Barmherzigkeit“. Und die große Liebe, mit der Er uns geliebt hat, wird gerade als die Quelle all seiner Taten angedeutet: „Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, wegen seiner vielen Liebe, womit er uns geliebt hat, hat auch uns, als wir in den Vergehungen tot waren“ – „wir“, ob Juden oder Heiden, aber hier besonders auf die Juden bezogen. Immerhin hatte Paulus die beiden in den Versen 2 und 3 gegenübergestellt. In Vers 5 erwähnt er möglicherweise beide; aber wenn auf eine Gruppe besonders angespielt wird, dann auf die Juden, denn der Jude ist genauso tot wie der Heide – da gibt es keinen Unterschied: „hat auch uns, als wir in den Vergehungen tot waren, mit dem Christus lebendig gemacht – durch Gnade seid ihr errettet – und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus“ (V. 5.6).
Nachdem ich bereits auf das allgemeine Thema der Wiedergeburt eingegangen bin, möchte ich nur noch hinzufügen, dass, obwohl wir jetzt, wo das Christentum offenbart ist, die Wiedergeburt mindestens so sehr erleben wie Menschen früher, wir in der Tat den Heiligen Geist haben, der die Wiedergeburt der heutigen Zeit durch einen tieferen Charakter prägt. Denn es ist nicht nur so, dass Leben gegeben wird oder Menschen von neuem geboren werden, sondern sie werden zusammen mit Christus lebendig gemacht. In dieser Weise konnte man vor dem Tod Christi und seiner Auferstehung nicht sprechen. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass alles Leben, das irgendein Gläubiger seit Anbeginn der Welt erhalten hat, von und durch Christus war. „In ihm war Leben“ (Joh 1,4). Er ist das ewige Leben, das bei dem Vater war, und anderes Leben gibt es nicht für einen Sünder. Es gab einen Baum des Lebens, bevor der Mensch in Sünde fiel; nicht nur einen Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, sondern einen Baum des Lebens. Aber das war nur das Leben der Schöpfung, das ein unschuldiges Geschöpf bis zum Ende hätte erhalten können. Was aber, wenn das Geschöpf fiel? Was, wenn Adam ein sündiger Mensch wurde? Würde ihm der Baum des Lebens dann von Nutzen sein? Nicht einen Augenblick. Der Mensch wurde aus dem Garten vertrieben. Gott würde nicht zulassen, dass der Mensch den natürlichen Baum des Lebens berührt. Denn wenn er nach der Sünde davon gegessen hätte, was wäre die Folge gewesen? Nur eine Verewigung des Bösen in einem elenden, unheilbaren Zustand der Sünde – ein ewiges Dasein in einem von Gott entfremdeten Zustand, aus dem es kein Entrinnen gab. Obwohl also der Tod als Gericht über einen schuldigen Menschen kam, liegt darin in gewisser Weise Barmherzigkeit, da der Mensch nun in eine sündige Welt hineingeboren wird und jeder Art von Elend unterworfen ist, das ein Feind hereingebracht hat, und das ist, wenn man den Tod als einen Teil davon betrachtet, das gerechte Gericht Gottes über die Schuld des Menschen. Aber all das wird von Satan in Beschlag genommen und zu seinen Zwecken eingesetzt, vermischt mit dem schlechten Gewissen, auf das Satan einwirkt, so dass der Mensch mit Furcht und Schrecken vor Gott erfüllt wird. Davon befreit Gott den Gläubigen, indem Er ihm Christus vorstellt. Es ist nicht nur so, dass der Gläubige ein Leben findet, das all seinen Bedürfnissen entspricht; es ist keineswegs ein bloßes Fortbestehen im Elend; sondern das Leben in Christus sichert die Befreiung vom Bösen und all seinen Auswirkungen und Flüchen. Diese Befreiung bewirkt Gott in seiner Gnade, sie beruht auf seiner Heiligkeit. Es ist eine heilige Glückseligkeit in der Gegenwart Gottes in demselben Christus, der dieses Leben bringt. Da ist auch Gott, der den Gläubigen wiederherstellt, so sicher, wie Er ihn zu sich selbst zurückholt. Nicht nur, dass der Mensch durch die Sünde das natürliche Leben verlor, sondern er verlor auch Gott. Und es ist nicht nur so, dass Christus mir jetzt ein neues und besseres Leben gibt, als der Baum des Lebens geben konnte, sondern Er gibt mir Gott; Er bringt mich zu Gott und stellt mich in seine Gegenwart. Er macht mich mit Gott bekannt und gibt mir die Gewissheit seiner Liebe, seines Interesses an mir, seines tiefen Mitleids und sogar seines Wohlgefallens. Gott kann nämlich nicht nur auf natürliche Weise lieben, sondern mit einer Liebe des Wohlgefallens und der besonderen Beziehung.
Das ist es also, was wir in Christus finden. Und obwohl man im Zusammenhang mit allen alttestamentlichen Gläubigen, bevor Christus starb und auferstand, von Leben sprechen konnte, bezweifle ich doch sehr, dass der Geist Gottes von dem Leben, das sie empfingen, als von Leben mit Christus sprechen konnte. Es konnte zwar kein anderes Leben als durch und in Christus sein. Aber lebendig machen mit Christus geht viel weiter. Das ist es, was wir jetzt haben. Denn Gott weist uns unter der Last unserer Sünden auf Christus hin, unter den ganzen Folgen dessen, was meine Natur aufgrund ihrer Entfernung und Feindschaft zu Gott – ihrem Geist des Ungehorsams und Eigenwillens – verdient hat. Alles Sündige wurde auf Ihn gelegt, und Er wurde behandelt, als ob Er alles getan hatte; als ob Er, als Er für uns am Kreuz litt, die ganze Menge und das Wesen des Bösen der menschlichen Natur in seiner eigenen Person hatte. Natürlich hätte Er, wenn ein einziges Teilchen davon in Ihm gewesen wäre, nicht für andere sühnen können – das Gericht Gottes hätte auf Ihm lasten müssen. Doch die völlige Abwesenheit der Sünde in seiner eigenen Person war das, was seine vollkommene Eignung ausmachte, das Opfer zu sein. Gott hatte es mit der ganzen Höhe und Länge und Tiefe und Breite der Sünde in der Person Christi am Kreuz zu tun. Aber Gott hat Ihn, der Ihn so verherrlicht hat, auferweckt, der unter dem Zorn Gottes hinabstieg, und der, als Er geschmeckt hatte, was es heißt, von Gott verlassen zu sein und dass Gott sein Angesicht vor Ihm verbarg, nicht aus diesem Leben ging und nicht gehen konnte, ohne zu sagen: „Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist!“ (Lk 23,46). Das zeigte das vollkommene Vertrauen seines Herzens und die Freude an Gott. „Auf dich vertrauten unsere Väter; sie vertrauten, und du errettetest sie“ (Ps 22,5). Aber Er konnte nicht erhört werden, bis die vollständige Drangsal abgeschlossen war. Er wurde nur von den Hörnern der Büffel erhört. Er musste all das durchmachen – unsägliches Leid und Qualen, unerträglich für alle außer Ihm; und doch hat Er all das ertragen – den ganzen Zorn Gottes, wenn die Erlösung vollständig und gottgemäß sein sollte. Aber Er hat es getan; und Er lässt uns beim Verlassen dieses Szene wissen, dass, wie sehr Er auch leiden mochte, sein Herz doch wahrhaftig in Gott ruhte; und Er bekannte unerschütterlich, dass Gott nicht nur heilig blieb, sondern dass der Vater voller Liebe war. „Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist!“ (Lk 23,46).
Aber jetzt haben wir etwas ganz anderes – Gott greift ein, um Ihn bis zum Äußersten zu befreien. Er würde nicht sagen, dass Er Christus absolut lebendig gemacht hat. Es ist immer irgendwie bedingt, denn Christus war das Leben selbst. Er war das ewige Leben bei dem Vater, zur rechten Zeit auf der Erde offenbart; und wie könnte Er etwas sagen, das bedeuten würde, dass Er sein Leben einem anderen verdankte? Er könnte sagen, dass Er als im Fleisch gestorbener Mensch vom Geist belebt wurde, aber seine eigentliche persönliche Herrlichkeit bleibt bestehen, die in der Tat dem ganzen Ausmaß seiner Erniedrigung und seines Leidens bis zum Tod ihren Wert gab. Auch der Vater gab Ihn als einen Menschen, der das Leben in sich selbst hat. Das war die Vollkommenheit Christi hier auf der Erde: Er nahm es nicht als sein eigenes Recht. Er sprach kein Wort und tat kein Werk, das Er nicht von und in Gott gehört hätte. Er war der vollkommen abhängige Mensch. Dasselbe Evangelium, das wie kein anderes von seiner göttlichen Herrlichkeit handelt, zeigt uns auch seine absolute Abhängigkeit von Gott. Wie herrlich ist es andererseits, in der Schrift zu sehen, wie Gott der Vater über die Herrlichkeit Christi wacht! Er würde nicht ein Wort sagen, das die Würde seines Sohnes in irgendeiner Weise beeinträchtigen könnte.
Hier heißt es also, dass Er auch uns „mit dem Christus lebendig gemacht“ hat (V. 5). Wir waren es, die das Leben brauchten. Christus musste in den Tod hinabsteigen können, aber Er hat uns zusammen mit Ihm lebendig gemacht. Christus war auf eine außergewöhnlich Weise gestorben, wie kein Mensch sterben konnte. Er war ausdrücklich der Heilige Gottes, der einzige heilige Mensch, und doch war Er auch so gestorben. Natürlich konnte kein Unheiliger so sterben, wie Er starb. Er wusste, was es heißt, den Tod in seiner ganzen Bitterkeit zu schmecken, das Gericht und den Zorn Gottes, wie es kein anderer konnte; und doch hat Er es umso mehr empfunden, weil Er grundsätzlich im Schoß des Vaters war. Aber nachdem Er in den Tod als das Gericht Gottes über unsere Natur und unsere Sünden hinabgestiegen ist, folgte darauf die mächtige Kraft Gottes, die uns zusammen mit Christus lebendig gemacht hat. Mit einem Wort, das Leben ist in der innigsten Verbindung mit Christus, und wir sind in Einheit mit Christus selbst, der im Fleisch gestorben ist, aber jetzt durch den Geist lebendig gemacht ist. Was das Leben betrifft, das Er hier auf der Erde hatte, so hat Er es aufgegeben und es verging; und nun ist Er in einem neuen Zustand des Lebens auferstanden in der Auferstehung. Darum wird sogleich hinzugefügt, dass Gott uns nicht nur mit Christus lebendig gemacht, sondern auch mit Ihm auferweckt hat; und mehr noch, Er hat uns mit Ihm zusammen in den himmlischen Örtern sitzen lassen in Christus Jesus. So ist der volle Wert, der dem Leben gehört, wie es jetzt in Christus ist, auch uns gegeben. So können auch wir, obwohl wir noch in dieser Welt sind, nach dem vollständigen Segen des Lebens, wie es jetzt in Christus zur Rechten Gottes gesehen wird, so gesehen werden.
Lasst uns bedenken, was ein solch wunderbarer Gedanke wie dieser mit sich bringt und womit er uns in Verbindung bringt. Wir wissen, was unsere alte Natur liebt, tut und ist. Wir wissen nur zu gut, in was uns das Leben, oder vielmehr der Tod Adams hineingezogen hat. Was haben wir von unserem ersten Vater erhalten – was haben wir verdient und auf uns gebracht, außer Sünde, Kummer, Leiden, Krankheit, Tod, ein schlechtes Gewissen und ein furchtvolles Erwarten des Gerichts? Alle diese Dinge haben wir als die Wirkungen und Auswirkungen jener Natur, die wir geerbt haben, unser trauriges Erbstück vom ersten Menschen. Doch nun kommt die neue und übernatürliche Quelle des Lebens im zweiten Menschen. Und wo können wir ihren Charakter am besten erkennen? Lasst uns aufschauen auf Christus. Wie sieht Gott, der Vater, Ihn jetzt? Freut Er sich an Ihm? Er tat es immer, und sicherlich am meisten, als Er die Schritte Christi verfolgte, als Er als Mensch unter den Menschen seinen Weg ging. Aber da war die schreckliche Frage der Sünde – unserer Sünde. Ist es jetzt eine ungeklärte Frage? Oder hat Christus sie in der Tat im Kreuz für immer beantwortet? Ja, es ist genau die Sache, die Gott Anlass gegeben hat, seine Liebe zu zeigen, wie nichts anderes es könnte. Wie hätte ich wissen können, wie sehr Gott mich liebt, wenn ich nicht eine solch tiefe Not als Feind Gottes gehabt hätte, unergründlich sicher durch seine rettende Barmherzigkeit in Christus? Ich sage das weder, um die Sünde meiner Feindschaft zu Gott zu mildern, noch um die Vorstellung zuzulassen, dass es den geringsten Anspruch auf die Gunst Gottes gab oder geben könnte. Aber mein hoffnungsloses Böses wird zu einem Maßstab für die Tiefe seiner Liebe; und dies, weil es Christus mit einbezieht, ja, Christus als Erlöser und Retter von Gottes Seite – Christus das unendliche Geschenk der Gnade Gottes – Christus, der sich durch nichts abwenden ließ – Christus, der alles von Menschen, Satan und Gottes gerechtem Gericht ertrug, damit wir auf eine göttliche Weise gerettet werden konnten. Und das sind wir in Wahrheit. Und was verdanken wir nicht dem Heiland und dem Gott, der Ihn gegeben hat? Aber was hat Christus nicht getragen? Unser furchtbares Verderben und unsere Sünde hat uns gerade vor Augen geführt, was Gott in seiner großen Liebe zu uns ist, und was Christus in seinem Wert ist, und die mächtige Kraft des Lebens, in der Er auferstanden und hinaufgestiegen ist, und wir in Ihm in himmlischen Örtern sitzen. Fragst du noch, was der Charakter des Lebens ist, das der Christ jetzt besitzt? Schau auf Christus und sieh, wie wertvoll Er für Gott ist – wie Er den Gepriesenen, der der völlige Ausdruck dieses Lebens ist, nicht nah genug bei sich haben kann. Er hat Ihn auferweckt und zu seiner Rechten in den himmlischen Örtern gesetzt.
In Kapitel 2 heißt es einfach „hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus“ (V. 6). Es wird hier nicht, wie in Kapitel 1, hinzugefügt „zu seiner Rechten“. Mir ist nicht bekannt, dass solche Worte jemals über die Kinder Gottes gesagt werden, und ich glaube auch nicht, dass sie gesagt werden könnten. Scheint das nicht eher der persönliche Platz Christi zu sein? Aber es wird gesagt „in den himmlischen Örtern“, weil wir zu ihnen gehören und nicht zur Erde. Israel gehörte in seinen besten Tagen zur Erde (wie auch wir, weit entfernt, in unseren schlechtesten Tagen); aber jetzt ist es nicht nur so, dass unsere Namen im Himmel angeschrieben sind, obwohl gerade dieser Ausdruck die wunderbare Liebe Gottes zeigt, die uns dazu bestimmt und registriert, droben zu sein – die uns mit dem Himmel verbindet, während wir auf der Erde sind: All das ist wahr; aber wir haben viel mehr im Epheserbrief. Dort finden wir, dass wir aufgrund unserer Vereinigung mit Christus nicht nur mit Ihm auferweckt sind, sondern auch mit Ihm in himmlischen Örtern sitzen. Mit einem Wort, was von Christus selbst gesagt wird, gilt aus Gnaden auch für uns, nur mit Ausnahme dessen, was in Ihm als Sohn Gottes persönlich ist oder vom Herrn in einem notwendigerweise überragenden Maße benutzt wird. Denn es gibt ja einen Unterschied zwischen dem Haupt und dem Leib, auch sonst; andererseits zeigt aber gerade der Unterschied die engst mögliche Verbindung: Wir sind seine Fülle oder Ergänzung.
Wir lernen also daraus, dass wir Christi eigene Anrechte haben, während wir in dieser Welt sind – ja, mehr als das, Christi eigenes Leben ist das unsere, kraft dessen wir mit Ihm lebendig gemacht, ja, auferweckt und in Ihm in himmlischen Örtern versetzt sind. Aber lasst uns gut bedenken, dass all dies niemals von irgendjemandem im Blick auf die Auserwählung gesagt wird, sondern nur zu solchen, die auch glauben. Es ist nicht auf uns anwendbar, bevor wir glauben: Es würde nicht auf irgendeine Person zutreffen, bevor es eine echte, lebendige Verbindung mit Christus gibt. Die sogenannte calvinistische Theologie, so viel Wahrheit sie auch enthält, ist in diesem Punkt völlig falsch. Eines ihrer Hauptmerkmale ist das Bestreben, zu erklären, dass die Liebe Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit ist und dass unsere Beziehung immer genau dieselbe ist: Dass Gott uns immer als seine Kinder betrachtet, weil Er die Absicht hat, uns zu seinen Kindern zu machen; dass ein Mensch, der auserwählt ist, auch bereit als Ungläubiger oder Gotteslästerer genauso ein Sohn Gottes ist, wie wenn er vom Heiligen Geist wiedergeboren ist und auf den Wegen Gottes wandelt. Sie behauptet, dass Gott ihn mit genau derselben Liebe liebt (während er zum Beispiel ein Trinker oder Fluchender ist) wie danach. Was kann man sich unter den Gläubigen entehrender für Gott und zerstörerischer für den Menschen vorstellen als diese Lehre? Offensichtlich spricht der Apostel hier nicht von Personen, die nur auserwählt sind, obwohl sie natürlich auserwählt waren, sondern sie sind lebendig gemacht worden. Das heißt, sie hatten tatsächlich Leben. Nicht nur, dass es eine Absicht Gottes mit ihnen gab, sondern sie lebten dann für Gott als solche, die den Glauben an Christus hatten. Man kann nicht sagen, dass ein Mensch Leben hat, bevor er Glauben hat. Es ist die Aufnahme Christi durch den Heiligen Geist, die auf der einen Seite Glaube und auf der anderen Seite Leben genannt wird. Man kann nicht mit Recht das eine vor das andere setzen. Wenn man kaum sagen könnte, dass der Glaube vor dem Leben war, so ist das Leben gewiss nicht vor dem Glauben. Die erste Ausübung des Glaubens ist auch die erste des Lebens.
Es ist die Kraft des Geistes Gottes, die Christus einem Menschen vorstellt. Daher heißt es: „Es kommt die Stunde und ist jetzt, da die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie gehört haben, werden leben“ (Joh 5,25). Das Leben ist, wenn überhaupt, die Wirkung des Hörens, und nicht das Hören die Wirkung des Lebens. Das ist sehr wichtig; denn niemand kann behaupten, dass Personen mit Christus lebendig gemacht sind, bis sie von Ihm gerufen werden. Und es ist unmöglich zu sagen, dass sie Leben haben, bis sie die Stimme des Sohnes Gottes gehört haben. Der erste Beweis, dass ein Mensch ein Schaf ist, ist, dass er die Stimme des guten Hirten hört. Er ist nicht auf gewisse (oder eher ungewisse) Anzeichen des Lebens in sich selbst angewiesen, sondern auf den großen, objektiven Prüfstein und Beweis, den Gott verlangt – nicht nur, was ich tue oder nicht tue (danach fragte das Gesetz), sondern ob ich den Sohn Gottes annehme und in Ihm ruhe. Werde ich von allen Geräuschen der Welt weggezogen, und zieht seine Stimme mich an? So gewiss dies ist, so gewiss hast du das Leben.