Der Apostel beweist als Nächstes, dass, wenn das Erbe aus dem Gesetz ist, es nicht mehr aus der Verheißung ist. Wenn ein Mensch eine Sache durch etwas besitzt, das er dafür gegeben oder getan hat, ist es nicht mehr aus Verheißung, sondern etwas, was ihm zusteht. Es ist wie bei einem Menschen, der so viel Arbeit für so viel Lohn tut. Natürlich, wenn ein Herr seinem Diener ein Geschenk macht, ist der Mann dankbar dafür; aber wo es nur eine Gegenleistung für positive geleistete Arbeit ist, handelt es sich eindeutig um eine Schuld, und nicht um ein Geschenk. Das Gesetz ist das Prinzip dessen, was geschuldet wird, wenn es so etwas unter den Menschen geben könnte; aber alles, was er verdiente, war ein Fluch, weil der Mensch ein Sünder war. „Dem Abraham aber hat Gott sie durch Verheißung geschenkt“ (V. 18), nicht durch das Gesetz. Dann folgt die Frage:
Warum nun das Gesetz? (3,19a).
Wenn Gott das Erbe durch die Verheißung geben wollte, warum führte Er dann das Gesetz ein? Da dies eine sehr wichtige Frage ist, möchte ich die Aufmerksamkeit besonders darauf lenken. Wenn wir den Umgang Gottes mit seinem Volk in den frühen Tagen untersuchen, verspricht Gott ihnen einen Segen, und sie nehmen ihn von Gott an, ohne auf sich selbst zu schauen, um zu sehen, ob sie ihn verdient haben oder nicht. Dieses bedingungslose Vertrauen ist sehr gesegnet; aber es ist nicht gut für einen Menschen, nicht zu wissen, was er ist. Es ist von großer Wichtigkeit, dass ich erfahre, was mein Zustand wirklich ist. Der Zweck des Gesetzes war es nun, den wahren Seelenzustand des Sünders herauszufinden; keineswegs um ihn in den Segen zu bringen, sondern um das furchtbare Verderben aufzuzeigen, in das der Mensch durch die Sünde gefallen war. Das Gesetz war nicht dazu gedacht, die Regel des Lebens zu sein; in der Tat ist es eher die Regel des Todes. Wenn ein Mensch keine Sünde hätte, könnte es die Regel des Lebens sein; aber da er ein Sünder ist, ist es eine absurde Fehlbezeichnung, es die Regel des Lebens zu nennen.
Warum nun das Gesetz? Es wurde der Übertretungen wegen hinzugefügt (bis der Nachkomme käme, dem die Verheißung gemacht war), angeordnet durch Engel in der Hand eines Mittlers (3,19).
Es wird nicht gesagt: „der Sünden wegen“. Gott würde nie etwas tun, um einen Menschen zum Sünder zu machen – aber „es wurde der Übertretungen wegen hinzugefügt“. Wo ist der Unterschied? Die Sünde ist in jedem Kind Adams; die Sünde war im Menschen vor dem Gesetz, ebenso wie danach. Als die ganze Welt verdorben war, als alles Fleisch so gewalttätig wurde, dass Gott gezwungen war, es durch die Sintflut zu richten, wurde völlig klar, dass sie alle Sünder waren. Nachdem Gott dem Volk Israel das Gesetz gegeben hatte, waren sie nicht mehr nur Sünder, sondern wurden zu Übertretern. Sie rebellierten gegen Gottes Autorität und wurden zu eigentlichen Übertretern seines Gesetzes. Das Gesetz ist nicht für einen gerechten Menschen gegeben, sondern für die Gottlosen und Ungehorsamen. Und wer wurde durch das Gesetz rechtschaffen gemacht? Ist derjenige ein ehrlicher Mensch, der nur aus Angst vor einer Verhaftung dir die Uhr nicht stiehlt? Der einzige wirklich ehrliche Mensch ist der, der die Furcht Gottes vor Augen hat. Das Gesetz hat die Wirkung, die zu bestrafen, die es brechen; aber es ist nicht das, was einen Menschen ehrlich macht, nicht einmal in einem menschlichen Sinn, noch weniger im göttlichen. Durch den Glauben an Christus wird man ein neuer Mensch, bekommt jemand eine neue Natur, die abhängig und gehorsam ist, die gern den Willen Gottes tut, weil Er es will, und nicht bloß aus Furcht, in die Hölle zu kommen. Es ist ganz richtig, das Bewusstsein zu haben, dass wir die Hölle verdienen; aber wenn dies die Quelle des Motivs für den Gehorsam wäre, ist ein solcher Mensch wirklich bekehrt?
Hier haben wir also den Zweck des Gesetzes: Es soll beweisen, dass die Menschen Sünder sind, indem es die Tatsache hervorhebt, dass die, die unter dem Gesetz stehen, es gebrochen und seinen Fluch verdient haben. Das Gesetz wurde hinzugefügt, damit die Übertretung überströmend würde (Röm 5,20) – und gerade nicht, damit die Sünde überströmend würde. Gott könnte das niemals tun; aber da die Menschen bereits Sünder waren, provozierte das Gesetz durch seine Heiligkeit die Sünde, um sie sich selbst und allen anderen zu offenbaren. Die Kinder Israels waren Sünder wie alle anderen auch; aber sie wollten ihre Sünde nicht anerkennen, und deshalb gab Gott das Gesetz durch Mose. Vor den Zehn Geboten hätten sie sagen können: „Wir sehen das Übel nicht ein, dass wir Bilder anbeten oder den Sabbat nicht halten.“ Das Gesetz reichte aus, um einen Israeliten ohne Entschuldigung zu lassen. Und deshalb, betont der Apostel, „dass für einen Gerechten das Gesetz nicht bestimmt ist“ (1Tim 1,9), obwohl es in unseren Tagen darauf angewandt wird; das heißt, als eine Lebensregel. Aber dann ist Christus, außer der Rechtfertigung des Gläubigen, das Mittel, ihn gerecht zu machen und zu halten, oder einen Menschen wiederherzustellen. Es gibt keinen anderen wirksamen Weg. So wie Christus das Leben und die Wahrheit ist, so ist Er auch der Weg. Es gibt keinen anderen Weg und keine andere Kraft der Rechtfertigung und Heiligkeit als Christus, der durch den Heiligen Geist offenbart wird. Wenn man sowohl das Gesetz als auch Christus nimmt, wird man zumindest ein halber Jude. Wir sind aufgerufen, auf Christus zu schauen, und nur auf Christus (2Kor 3), als den, der jedes Teilchen der Gerechtigkeit, das der Christ besitzt, erschafft, gestaltet und ausmacht. So betet der Apostel, dass sie mehr und mehr erfüllt werden „mit der Frucht der Gerechtigkeit“ (Phil 1,11). Der natürliche Mensch würde die Notwendigkeit der vom Gesetz geforderten Werke der Gerechtigkeit anerkennen; aber er weiß nichts von der „Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus ist, zur Herrlichkeit und zum Preise Gottes.“
Das Gesetz war die Regel des Todes für einen Sünder; Christus ist die Regel des Lebens für einen Gläubigen.
Warum nun das Gesetz? Es wurde der Übertretungen wegen hinzugefügt (bis der Nachkomme käme, dem die Verheißung gemacht war), angeordnet durch Engel in der Hand eines Mittlers (3,19).
Wozu also dient das Gesetz? Jeder sollte sowohl den Zweck als auch die Grenzen, die hier dargelegt werden, anerkennen. Gott gefiel es, die Grundlage des Gesetzes negativ zu benutzen, jedenfalls eine Zeit lang; aber jetzt ist der Nachkomme gekommen, und die Grundlage ist für den Christen weggetan. Das Gesetz ist ganz wichtig für die Überführung des Sünders, der Standard dessen, was ein sündiger Mensch für Gott tun sollte. Aber es ist weder das Ebenbild Gottes noch das Muster für die Gläubigen: Christus ist beides, und Christus allein.