Behandelter Abschnitt Joh 12,20-36
Aber eine weitere Begebenheit schließt den Kreis des hier gegebenen Zeugnisses vor dem Schluss ab.
Es waren aber einige Griechen unter denen, die hinaufgingen, um auf dem Fest anzubeten. Diese nun kamen zu Philippus, dem von Bethsaida in Galiläa, und baten ihn und sagten: Herr, wir möchten Jesus sehen. Philippus kommt und sagt es Andreas, [und wiederum] kommt Andreas mit Philippus, und sie sagen es Jesus. Jesus aber antwortet ihnen und spricht: Die Stunde ist gekommen, dass der Sohn des Menschen verherrlicht werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht. Wer sein Leben lieb hat, wird es verlieren; und wer sein Leben in dieser Welt hasst, wird es zum ewigen Leben bewahren. Wenn mir jemand dient, so folge er mir nach; und wo ich bin, da wird auch mein Diener sein. Wenn jemand mir dient, so wird der Vater ihn ehren. (12,20–26).
Diese waren Heiden, Griechen und nicht nur Hellenisten, die den Herrn zu sehen wünschten; und Philippus und Andreas sagen es Ihm. Es war genug. Der Herr legt die große Wahrheit dar. Es ist jetzt nicht der Sohn Gottes, der die Toten lebendigmacht oder auferweckt, noch der Sohn Davids, der gemäß der Prophezeiung nach Zion kommt, sondern der verherrlichte Sohn des Menschen. Dies erklärt Er nach der feierlichen Beteuerung, die so oft in unserem Evangelium zu finden ist, unter dem bekannten Bild des Todes und Auferstehung in der Natur: „Wahrlich, wahrlich, ... wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht“ (V. 24). Er selbst war das wahre Weizenkorn, um reichlich Frucht zu bringen, aber eben nur durch den Tod und die Auferstehung. Das war und konnte nicht aus Mangel an Kraft in Ihm sein. Es war von der Beschaffenheit des Menschen, dass es vor Gott nicht anders gerecht sein konnte. Nur der Tod kann dem Bösen begegnen oder die Leere ausfüllen, sein Tod allein. Von allen anderen wäre der Tod vergeblich – ja, fatal. Der Tod bedeutet für sie selbst Verderben. Er allein konnte erretten, aber durch seinen Tod und seine Auferstehung; denn wie Er sterben würde, so würde Er auferstehen und durch den unendlichen Wert seines Todes für andere nützlich sein, um sie in Gerechtigkeit zu erheben. Bleibt Er lebendig, muss Er allein bleiben; stirbt Er, bringt Er viel Frucht in der Kraft seiner Auferstehung.
So wurde Er, der Sohn des Menschen, verherrlicht. Gott musste endlich im Blick auf die Sünde verherrlicht werden; und nun war Er verherrlicht. Die Sünde brachte den Tod; sein Sterben für sie, durch Gottes Gnade und zur Ehre Gottes legte Er die Grundlage für die Veränderung aller Dinge, sogar für den neuen Himmel und die neue Erde im ewigen Zustand; wie viel mehr für alle, die glauben, um inzwischen in einem neuen Leben gesegnet zu werden, bevor sie in die Gleichförmigkeit seiner Herrlichkeit verwandelt werden, wenn Er für sie kommt! „So wird er Samen sehen, er wird seine Tage verlängern; und das Wohlgefallen des Herrn wird in seiner Hand gedeihen. Von der Mühsal seiner Seele wird er Frucht sehen und sich sättigen“ (Jes 53,10.11). So sagte es der erste der Propheten, und im Blick aus auf seinen Tod: „Wenn seine Seele das Schuldopfer gestellt haben wird“ (V. 10). Das war in Übereinstimmung mit seinen eigenen Worten hier sieben Jahrhunderte später, als jene wunderbare Stunde und Tat der Schuld des Menschen herankam, wo Er Schmerz und Schmach erduldete, und Gott in seinem schonungslosen und unergründlichen Gericht unvergleichlich Schlimmeres zufügte. Für Ihn war die Stunde gekommen, in der der Sohn des Menschen verherrlicht werden würde. Welch vollkommene Selbstaufopferung! Welche Ergebenheit gegenüber Gott! Welche Liebe zu den Menschen, sogar zu seinen erbittertsten Feinden! So stieg Jesus hinab in den Tod – ja, in den Tod am Kreuz; und so ist die Frucht sicher.
Auch hat das Prinzip von nun an höchste Priorität: nicht Bequemlichkeit und Ehre und Aufstieg für sich selbst (was wahrlich der größte Verlust ist), sondern Leiden und Schande und, wenn es sein muss, Tod, jetzt in dieser Welt um Christi willen. Das ist praktisches Christentum. „Wer sein Leben [Seele] liebhat, wird es verlieren; und wer sein Leben in dieser Welt hasst, wird es zum ewigen Leben bewahren. Wenn mir jemand dient, so folge er mir nach; und wo ich bin, da wird auch mein Diener sein. Wenn jemand mir dient, so wird der Vater ihn ehren“ (V. 25.26). Und was für eine Ehre! Er weiß gewiss, was sie ist und wie sie zu geben ist. Aber sie liegt nicht in selbst erdachten und selbst auferlegten Erniedrigungen; weder in Geißelungen des Rückens, noch in Staublecken, noch in ähnlichen heidnischen Anstrengungen, die den Leib zur Befriedigung des Fleisches entehren. Es ist in das, was der Heilige Geist allein bewirkt und erhalten kann, im Dienst für Christus – ein Dienst, der untrennbar mit der Nachfolge für Ihn verbunden ist, dessen Anfang das ewige Leben im Sohn ist, dessen Ende das gleiche Leben in der Herrlichkeit mit Ihm ist; denn solche, die Ihm dienen und nachfolgen, wird der Vater ehren. Mögen wir gestärkt werden, die Wahrheit zu erkennen und zu tun!
Der Herr kehrt zu den Gedanken an seinen nahenden Tod zurück. Er weicht der Betrachtung dessen nicht aus, was zu seiner Vollkommenheit gehörte, zu empfinden, wie es kein Mensch je empfunden hat. Er schätzt ihn richtig und vollständig ein, anstatt ihm zu trotzen wie Menschen, die ihm nicht entkommen können. Für Ihn war es kein unvermeidliches Verhängnis, sondern göttliche Liebe, damit Gott in einer schuldigen Welt verherrlicht werde, damit die Sünder auf gerecht Weise gerettet würden, damit die ganze Schöpfung des Himmels und der Erde (ich sage nicht die unter der Erde, die unterirdischen Wesen von Philipper 2) versöhnt und gesegnet werde für immer. Er, und Er allein, hatte die Vollmacht, sein Leben (Seele), hinzugeben wie Er die Vollmacht hatte, es wieder zu nehmen. Wie Er die Auferstehung und das Leben (ζωὴ) ist, so nimmt Ihm niemand das Leben, das Er in dieser Welt hatte, sondern Er legt es von sich aus selbst nieder, wenn auch im Gehorsam gegenüber seinem Vater und zur ewigen Herrlichkeit Gottes, wie es die Fülle seiner Person Ihm ermöglichte. Nicht weniger, aber umso mehr empfand Er die Schwere, die Demütigung und das Leiden dessen, was vor Ihm lag. Da war das tiefste Empfinden für den Tod, nicht nur als Mensch und Messias, sondern auch für dessen Bedeutung durch die Hand des Menschen und als das Gericht Gottes. Kein Element der Trauer und des Schmerzes, der Scham und des Schreckens fehlte in seinem Herzen, das mit der Vollkommenheit seiner Person und seiner Beziehung zu Gott vereinbar war.