Behandelter Abschnitt Joh 9,35-38
Jesus hörte, dass sie ihn hinausgeworfen hatten; und als er ihn fand, sprach er [zu ihm]: Glaubst du an den Sohn Gottes? Er antwortete und sprach: Und wer ist es, Herr, damit ich an ihn glaube? Jesus sprach zu ihm: Du hast ihn ja gesehen, und der mit dir redet, der ist es. Er aber sprach: Ich glaube, Herr; und er warf sich vor ihm nieder. Und Jesus sprach: Zum Gericht bin ich in diese Welt gekommen, damit die Nichtsehenden sehen und die Sehenden blind werden. Einige von den Pharisäern, die bei ihm waren, hörten dies und sprachen zu ihm: Sind denn auch wir blind? Jesus sprach zu ihnen: Wenn ihr blind wäret, so hättet ihr keine Sünde; nun aber, da ihr sagt: Wir sehen, bleibt eure Sünde (9,35–38).
Dies ist der letzte Schritt der Gnade Gottes im Umgang mit dem Blinden. Er wird um der Wahrheit willen aus dem Judentum hinausgeworfen, wegen des Werkes, das an seiner Person geschehen war; Christus findet ihn dort und bringt ihn dazu, Ihn zu erkennen und an Ihn zu glauben, weit über jeden noch so wahren Gedanken hinaus, den er zuvor gefasst hatte. Es war der Glaube an sein eigenes Zeugnis und seine Person.
Es ist wirklich die Geschichte eines Menschen, die unter der Führung Gottes weitergeht, der die Gnade des Herrn und seine Herrlichkeit umso mehr leuchten lässt, nachdem er außerhalb der Weltreligion ist, sei es geworfen oder selbst hinausgegangen. Und das ist der Charakter des Christentums, wie die Gläubigen aus dem Hebräerbrief, besonders aus dessen letztem Kapitel, ausführlich lernen mussten. So geduldig war der Geist der Gnade mit denen aus dem alten Volk Gottes, die träge waren, das Neue zu lernen, das Gott durch und in unserem Herrn Jesus eingeführt hat. Aber, so spät es auch sein mag, der Bruch mit der irdischen Religion muss kommen.
Lasst uns also zu Ihm hinausgehen außerhalb des Lagers und seine Schmach tragen; und das umso mehr, als wir die Freimütigkeit haben, durch das Blut Jesu in das Heiligtum einzutreten, den neuen und lebendigen Weg, den Er für uns durch den Vorhang – das heißt, sein Fleisch – eingeweiht hat. Aber das Werk, das diesen Weg eröffnete, war noch nicht geschehen, auch war der Geist noch nicht ausgegossen, um den Gläubigen das Bewusstsein des gerechten Anspruchs zu geben. Wir haben also hier jemanden, der noch nicht auf diese Weise hinausgegangen ist, sondern durch Hass weit mehr gegen den Namen Jesu als gegen den Mann ausgestoßen wurde – ja, wir können sagen, gegen den Mann allein um Jesu willen, der davon gehört hatte und Mitleid mit ihm hatte. So fand Er das Schaf, dass sie so beunruhigt hatten.
Aber es folgt ein auffälliger Unterschied in der Lesart, der mehr als eine bloße kritische Betrachtung verlangt. „Glaubst du an den Sohn des Menschen?“ sagen die sinaitische, die vatikanische und die Cambridge-Handschrift, unterstützt von der syrsinischen, der sahidischen, der römischen Ausgabe des Äthiopischen und so weiter, obwohl mehr als ein Dutzend Unziale [A, L usw.], alle Kursiven und die übrigen alten Versionen usw. uns τοῦ Θεοῦ, „den Sohn Gottes“, geben (Lachm. und Treg.). Aber Tischendorf, in seiner achten Ausgabe, und W. und H. [Weiss und Blass] nehmen τοῦ ἀνθρώπου (des Menschen) an. Es kann auch nicht geleugnet werden, dass der Herr es in der Regel liebte, sich in Bezug auf den Menschen so zu nennen. Denn es ist klar, dass gerade dieses Kapitel Ihn nicht nur als das Licht, das Wort und den Gott darstellt, wie das vorhergehende, sondern als den, der Fleisch geworden ist und der gesandt wurde, um die Werke Gottes zu offenbaren, als den verworfenen Messias, der leiden, aber über alles erhöht werden würde. Andererseits kann niemand übersehen, dass der Sohn Gottes das große unterscheidende Zeugnis unseres Evangeliums ist. Und wir können gut verstehen, wie das Licht dieser herrlichen Wahrheit (das trotz und in gewissem Sinn durch die blinde Feindseligkeit der Pharisäer allmählich in die Seele einbricht) ihn zur Anbetung des Herrn führt. Es war jedenfalls der Sohn Gottes in Gnaden, ein Mensch auf der Erde, der von jemandem gesehen worden war und mit jemand sprach, der seine lichtspendende Macht erfahren hatte.