Behandelter Abschnitt Hag 2,1-3
Es scheint jedoch so, dass die Juden wie wir dazu neigten, entmutigt zu werden. Deshalb tritt der Prophet hin und wieder auf eine ähnliche Weise, aber mit zunehmender Kraft auf. Je mehr der Unglaube zunimmt, desto energischer wird das Zeugnis Gottes, solange Er seine Worte an das Volk richtet:
Im siebten Monat, am Einundzwanzigsten des Monats, erging das Wort des Herrn durch den Propheten Haggai, indem er sprach: Rede doch zu Serubbabel, dem Sohn Schealtiels, dem Statthalter von Juda, und zu Josua, dem Sohn Jozadaks, dem Hohenpriester, und zum Überrest des Volkes und sprich: Wer ist unter euch übriggeblieben, der dieses Haus in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hat? Und wie seht ihr es jetzt? Ist es nicht wie nichts in euren Augen? (2,1‒3).
Es gibt keine Erlaubnis für selbstgefällige Gedanken. Gott möchte, dass wir in uns und in unseren Wegen echt sind. Es ist gut, keine zu großen Wünsche zu haben, sondern die Wahrheit, und da ein gerechtes Gewicht und Maß. Gleichzeitig sollten wir Raum für die Gnade und die Kraft Gottes lassen. Nehmen wir zum Beispiel die gegenwärtige Zeit, denn wir betrachten dies auf praktische Weise. Es gibt keine größere Gefahr als die, den Geist zu ignorieren, der über die kommt, denen Gott seine Barmherzigkeit erwiesen hat, indem Er ihnen ein wahres Verständnis für das gab, was Ihm im aktuellen und zerbrochenen Zustand der Christenheit entspricht. Ist es nicht eins der Dinge, auf die wir am meisten achten müssen, dass der Ton, in dem wir die Wahrheit vorstellen, angemessen ist? Je mehr wir von Gott lernen, desto mehr sollten wir eine Bescheidenheit der Gesinnung kultivieren. Das bedeutet nicht, dass du in deinen Überzeugungen unentschlossen sein solltest, sondern dass du zusammen mit dieser Überzeugung das rechte Empfinden für deine eigene Schwachheit hast und dass du im Geist zerbrochen bist, indem du dich daran erinnerst, wie die Herrlichkeit des Herrn durch das Versagen seines Volkes gelitten hat.
Es war daher ganz richtig, dass sie den schwachen Zustand all derer, die den Namen des Herrn in ihrer Mitte trugen, empfanden. „Wer ist unter euch übriggeblieben, der dieses Haus in seiner ersten Herrlichkeit gesehen hat?“ (V. 3). Wir spüren, wie weit die Versammlung gefallen ist und auch, wovon sie gefallen ist, aber wir sollten nicht entmutigt sein. Es gibt nichts in Christus, das Verzweiflung oder Misstrauen hervorruft. Der Heilige Geist bewirkt niemals Zweifel. Da es manchmal eine Schwierigkeit im Denken über das gibt, was man den Ruin der Kirche nennt, mögen ein paar Worte über den gegenwärtigen zerbrochenen Zustand der Dinge unter denen, die den Namen des Herrn anrufen, gut sein.
Wir müssen die Versammlung unter zwei Gesichtspunkten betrachten – die Versammlung, wie sie von Christus erbaut wurde, und wie sie von Menschen, das heißt von seinen Dienern, erbaut wurde. Die Versammlung, wie sie von Christus erbaut wurde, versagt niemals. „Die Pforten des Hades werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,18). Aber das, was von den Dienern des Herrn erbaut wurde, ist immer anfällig dafür, durch mehr oder weniger wertlose Elemente beschädigt zu werden, wenn nicht sogar noch schlimmer. Sie kann leiden durch Weltlichkeit, Eile, Nachlässigkeit, fleischliche Gefühle, tausend Dinge, die der Natur nach erlaubt sind, zu wirken, ohne gerichtet zu werden, und so Ergebnisse zur Schande und zur Entehrung des Herrn hinterlassen. So finden wir unter den Korinthern Material, von dem der Apostel in Worten ernster Ermahnung spricht. Sie haben etwas hineingelassen, was nicht nur unbrauchbar, sondern sogar verderblich war: „Holz, Heu und Stroh“. Ja, auch eine Kraft der Verunreinigung mit der Hand des Verderbens konnte dort sein. Derjenige, der etwas Wertloses baute, konnte gerettet werden, während sein Werk unterging; aber derjenige, der das Haus Gottes verunreinigte oder zerstörte, würde selbst durch das Gericht Gottes zerstört werden (1Kor 3). Das alles geschieht dort, wo der Mensch der Bauherr ist. So sehen wir die beiden Aspekte nebeneinander. Es gibt das in der Versammlung Gottes hier auf der Erde, das auf Christus gebaut ist und daher niemals versagt, dessen Steine lebendig und auf keinen Fall tote Steine sind.
Auf der anderen Seite gibt es die schlechte Arbeit, den mehr oder weniger nachlässigen Dienst, je nachdem – entweder schlechte Menschen, die das tun, was ihnen selbst entspricht, oder gute Menschen, die nicht in allem von Gott geleitet sind. Folglich gibt es eine Menge minderwertigen Materials, das keinen Wert für Gott hat, das seinen Tempel beschmutzt und soweit den Vorwurf der Verwirrung, Unordnung und Schwäche auf sich zieht. Unter dem letzten Gesichtspunkt sehen wir die Quellen des Verderbens, das die Kirche bald durchdrang. Diese verderblichen Dinge, „Holz, Heu und Stroh“, bedeuten, denke ich, schlechte oder leichte Lehre, die entsprechende Personen erzeugt. Es könnte also leicht beides bedeuten; es sind in erster Linie Lehren, die dem Fleisch schmackhaft sind, und daher anziehend für Personen in einem fleischlichen Zustand, vielleicht unbekehrte oder natürliche Menschen.
Einige halten das zweifellos für eine harte Redensart, von der Kirche in Trümmern zu sprechen; aber warum das? Es ist keine Anklage gegen Gott, sondern nur gegen den Menschen. Gott rief Israel aus Ägypten heraus; dennoch wurde Israel eine Ruine. Warum sollten wir uns dann wundern, dass die Heiden nicht in seiner Güte geblieben sind? Vergleiche Römer 11, wo wir sehen können, wie wenig der Apostel über eine solche Angelegenheit überrascht war. Das Prinzip zieht sich durch jeden Umgang Gottes mit dem Menschen. Das Geschöpf versagt immer, aber alles wendet sich zu Gottes Herrlichkeit. Zweifellos existiert die Kirche, wie Israel, aber in einem zerstörten Zustand. Gesteht es nicht der Protestant ein, wenn er an das Papsttum denkt, und der Katholik, wenn er auf den Protestantismus blickt? Aufrichtige und geistliche Menschen bekennen es ohne Vorbehalt.
All dies sind nur Beispiele für eine noch allgemeinere Wahrheit. Der erste Mensch ist gefallen und das allgemein. Aber es gibt noch eine andere wichtige Tatsache: Der zweite Mensch ist von den Toten auferstanden und hat eine neue Schöpfung angeführt, die niemals untergehen oder gar versagen wird. So gilt das gleiche Prinzip weit und breit; wie immer. Soweit wir die Verantwortung des Menschen berühren, sehen wir Verderben und Verwirrung. Jeder empfindet das. Jeder gottesfürchtige, einsichtige Mensch weiß das, auch wenn er vielleicht nicht an den Ausdruck gewöhnt ist und deshalb Schwierigkeiten damit hat, weil er fürchtet, es könnte die Gnade und Treue Gottes gefährden.
Es ist unmöglich, Christus und die Versammlung zu lieben, ohne zu seufzen. Mühelos könnte ich leicht einen bekannten hohen Kirchenführer anführen, der als frommer Mann über den gegenwärtigen Zustand der Kirche seufzt. Ich nehme an, dass er sich in einem Bereich befindet, der kirchlich weit entfernt ist von dem der meisten von uns Anwesenden. Doch wie wir dort nicht an echter Frömmigkeit zweifeln können, so auch an einem Herzen, das Christus und die, die Christus angehören, liebt. Nun ist es unmöglich, diese göttlichen Zuneigungen der neuen Natur zu haben, ohne zu empfinden, dass der gegenwärtige Zustand der Dinge im Gegensatz zur Herrlichkeit Christi steht. Ich gestehe, dass ich unvergleichlich mehr Mitgefühl mit dem Seufzen eines solchen Menschen habe als mit anderen, die den Fortschritt des Christentums im neunzehnten Jahrhundert herausposaunen und die Triumphe des Jahrtausends als Frucht der Arbeit der Kirche erwarten. Wie kann man mit einer solchen Unempfindlichkeit gegenüber der tatsächlichen Entehrung des Herrn sympathisieren? Es ist wirklich, wenn auch unbewusst, ein Spiel in die Hände des Satans.