Behandelter Abschnitt Hag 2,1-9
Haggai 2,1-9: Dritte Botschaft: Appell Gottes an den Willen des jüdischen Überrestes, damit er Ausdauer zeigt
Einleitung
Eine einzige Botschaft hatte genügt, dass sich das Volk wieder an die Arbeit begab. Drei weitere werden notwendig sein, um es zu ermutigen fortzufahren. Wie schnell lassen wir uns doch entmutigen!
Während die Arbeit weiterging, konnte Gott, der Herzenskenner, sehen, dass die Söhne Judas den Mut verloren. Auf Grund ihrer wenigen Mittel, ihrer geringen Zahl und des Mangels an Fachkräften konnte der Tempel nicht die Herrlichkeit des salomonischen Tempels besitzen.
Nur einen Monat später bringt der Prophet eine neue Botschaft, um ihrer Niedergeschlagenheit entgegenzutreten, und um sie zu ermutigen, die Arbeit am Haus Gottes fortzusetzen.
Sie datiert vom 21. Tag des siebten Monats17, welcher dem siebten Tag des Laubhüttenfestes entsprach. Der folgende achte Tag spricht von der Ewigkeit. Eine weitere Ermutigung. . .
Sie ist besonders an die sehr Alten im Volk gerichtet, zu denen vielleicht auch Haggai gehörte und die sich noch etwas an die Pracht des salomonischen Tempels erinnern konnten, welcher von Nebukadnezar zerstört worden war. Die Botschaft beginnt folgendermaßen: „Wer ist . . . übrig geblieben?“, d. h.: Gibt es unter euch jemanden, der „dieses Haus in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hat? Und wie seht ihr es jetzt?“ (Hag 2,3). Eine solche Frage konnte neue Tränen18 (Esra 3,12) hervorrufen, welche auch von einer echten Demütigung „unter die mächtige Hand Gottes“ (1Pet 5,6) zeugten. Aber dies bereitet auf den Empfang einer ermutigenden Ermahnung vor, welche sogleich folgt: „Und nun, sei stark,. . . “
Heutzutage mag es in den Augen vieler Christen auch „wie nichts“ (Hag 2,3) erscheinen, die großen Grundsätze des Hauses Gottes aufrechtzuerhalten. Das Fleisch, welches stets die Oberhand gewinnen möchte, und die Geringfügigkeit der sichtbaren Ergebnisse könnten den Glauben entmutigen. Alles muss auf der Macht Gottes beruhen, sonst kann das Werk nicht gemäß seinen Gedanken vollbracht werden.
Haggai ist auch gekommen, um Trost und Hoffnung zu spenden. Nach seiner Verheißung wird Gott mit den erniedrigten und gedemütigten Treuen sein, die auf ihn vertrauen (Zeph 3,12). Nachdem er auf die vergangene Herrlichkeit hingewiesen hat, erinnert er sie an die gegenwärtigen Hilfsquellen (V. 4–7) und ermutigt sie, die zukünftige Herrlichkeit ins Auge zu fassen (V. 6–9).
In den Versen 4 und 5 werden die Treuen dreimal aufgefordert, stark zu sein: „Und nun19 sei stark, Serubbabel, spricht der Herr; und sei stark, Josua, Sohn Jozadaks, du Hoherpriester, und seid stark20, alles Volk des Landes21, spricht der Herr, und arbeitet!“ (vgl. 1Chr 28,20). Dann werden ihre
Hilfsquellen vorgestellt:
Zuerst die Gegenwart Gottes, die höchste Quelle ihrer Kraft, wie der Herr den Seinen verheißt: „Ich bin bei euch“ (Mt 28,20). Dies gilt damals wie heute. Wenn uns Widerstand begegnet, werden wir ermahnt, stark zu sein im Herrn und in der Macht seiner Stärke (Eph 6,10).
Zweitens das Wort Gottes. Es besaß dieselbe Macht wie damals beim Auszug aus Ägypten. Es ist, als ob der Herr sagen würde: Es handelt sich um dasselbe Wort wie damals! Auch wir haben in Zeiten des Verfalls die Schriften, um uns Wegweisung zu geben. Wie auch der Zustand derer, die sich Christen nennen, aussehen mag – ein echter Mensch Gottes ist „vollkommen (. . . ), zu jedem guten Werk völlig geschickt“ (2Tim 3,16).
Schließlich fügt der Herr als Ermutigung hinzu, dass sein Geist in ihrer Mitte besteht (Jes 63,11). Alle äußeren Zeichen der Macht waren verschwunden, aber durch die Gnade Gottes blieb der Geist mit seiner Kraft, die den Glauben befähigt, sich über alle Widersacher zu erheben und auf die Herrlichkeit Gottes zu schauen.
Die Gabe des Heiligen Geistes nach der Himmelfahrt des Herrn ist noch viel wunderbarer. Diese göttliche Person ist gekommen, um in jedem Glied des Leibes Christi zu wohnen (Joh 14,16). Er ist stets gegenwärtig in uns, um uns in die ganze Wahrheit zu leiten und um uns das Kommende zu verkündigen. Er empfängt von Christus, um es dann an uns weiterzugeben.
Das Wort des Herrn gibt den Juden noch weitere Ermunterungen, indem er ihre Gedanken auf die Ankunft des Christus und auf die Macht und die Herrlichkeit seiner Erscheinung lenkt (V. 6–9). Das Haus scheint im Vergleich zu seiner ersten Herrlichkeit, als Gott sich herabließ zu kommen, um dort in der Wolke zu wohnen, „wie nichts“ zu sein (2Chr 5,14).
Beachten wir, dass von der ersten Herrlichkeit dieses Hauses und nicht von der Herrlichkeit des ersten Hauses gesprochen wird. Dieses Haus bleibt immer dasselbe, es ist das Haus Gottes. Die Juden werden anschließend zu dem Statthalter sagen: „Wir bauen das Haus wieder auf, das viele Jahre zuvor gebaut wurde“ (Esra 5,11-13). Dies gilt auch für das gegenwärtig bestehende Haus Gottes. Es ist „aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, indem Christus Jesus selbst Eckstein ist“ (Eph 2,19.20). „Denn einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus“ (1Kor 3,11-17). Es liegt nun an uns, auf dieser Grundlage mit erprobten Materialien zu bauen, aber niemand darf behaupten, dass er „seine“ Kirche gründet oder baut.
Der gottesfürchtige Christ wird aufgefordert, die Mühe, die durch die augenblickliche Arbeit verursacht wird, und die vor ihm liegende Herrlichkeit gegeneinander abzuwägen (2Kor 4,17). Christus, „das Ersehnte aller Nationen wird kommen“ (Hag 2,7)22, und seine Gegenwart wird das Haus mit einer noch größeren Herrlichkeit erfüllen. Das Haus ist an sich nicht herrlich (Ps 26,8); es ist die Gegenwart Gottes, welche die Herrlichkeit des Hauses ausmacht. Diese Prophezeiung hat sich schon teilweise erfüllt, als die wahre Wolke der Herrlichkeit – Christus – in den Tempel kam, wie es in den Evangelien berichtet wird. Aber sie wird bei seinem zweiten Kommen ihre vollständige Erfüllung finden. „Noch einmal, eine kurze Zeit ist es“ (Hag 2,6). Alle Zeitalter der Menschheit sind im göttlichen Zeitplan in dieser kurzen Zeit eingeschlossen. Für Gott sind „tausend Jahre wie ein Tag“ (2Pet 3,8).
In der Zeit der Rückkehr der Söhne Judas aus der Gefangenschaft besaßen die Reiche dieser Erde eine beeindruckende Erscheinung. Der von den Treuen unternommene Wiederaufbau des Hauses Gottes erschien demgegenüber sehr unbedeutend. Aber trotz dieser äußeren Erscheinung war der Überrest des Volkes mit einer Arbeit beschäftigt, die Bestand haben und offenbart werden würde zur Ehre des Herrn, wenn alle Königreiche der Erde zu Staub zermalmt werden würden. Der Messias ist ein erstes Mal gekommen, aber es war noch nicht die Zeit, um ein Königreich des Segens, der Herrlichkeit und des Friedens auf der Erde aufzurichten. Die Juden und die Nationen haben ihn gekreuzigt.
Die heutige Zeit entspricht dem Zeitalter der Versammlung, „des Geheimnisses (. . . ), das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott“ (Eph 3,9). Dieses Geheimnis war also zur Zeit der Propheten des A.T. nicht offenbart. Dies ist auch die Zeit der Nationen, eine Zeit, in der sie – von Gott eingesetzt – die Autorität ausüben. Diese Zeit wird durch die Erschütterung dieser Nationen, des Himmels und der Erde ihr Ende finden. Der Messias wird aufs Neue erscheinen und den Nationen den verheißenen Segen bringen. Die Nationen werden das Silber und das Gold, das Gott gehört, herzubringen (Jes 60,9).
So findet man in dieser Stelle im Bild die Erlösung („das Silber“), die Gerechtigkeit („das Gold“), die zukünftige Herrlichkeit und den zukünftigen Frieden. All dies wird in Herrlichkeit auf der Erde zu finden sein – und nicht mehr nur im Himmel (Lk 19,38).
Um die Gläubigen auf dem Weg des Glaubens zu stärken erwähnt der Hebräerbrief diese Prophezeiung (Heb 12,25-29). Er erinnert uns daran, dass alle Dinge, die in der heutigen Welt zu sehen sind, verschwinden werden – so großartig sie auch erscheinen mögen. Aber das Volk Gottes wird ein unerschütterliches Reich empfangen. „Deshalb, (. . . ) lasst uns Gnade haben, durch die wir Gott wohlgefällig dienen mögen mit Frömmigkeit und Furcht“ (Heb 12,28).
17 Im selben Monat hatte Salomo seinen Tempel geweiht (1Kön 8,2).↩︎
18 Es scheint übrigens normal gewesen zu sein, auf eine glorreiche Vergangenheit großen Wert zu legen (vgl. Esra 5,11). Aber durch dieses Mittel sucht der Feind – und seine Vorgehensweise ist subtil – die Bedeutung einer sich im Gange befindenden wunderbaren Erweckung zu schmälern. In diesem Fall konnten die Älteren mit ihren Erzählungen die Jüngeren entmutigen (vgl Pred 7,10).↩︎
19 Dies ist das „nun“, mit dem uns der Herr uns ermuntert zu arbeiten – wissend, dass unsere Mühe „nicht vergeblich ist im Herrn“ (1Kor 15,58).↩︎
20 Diese Aufforderung findet sich auch in Daniel 10,19; 5. Mose 31,23 und Josua 1,6 (wo sie auch dreimal auftaucht).↩︎
21 Der Aufruf richtet sich an das Volk, welches das Land einmal ganz besitzen soll, und nicht nur an den Überrest des Volkes.↩︎
22 Andere übersetzen hier: „Die Kostbarkeiten aller Nationen werden kommen.“ Beide Übersetzungen sind möglich, denn es werden im Textzusammenhang sowohl materielle Dinge als auch eine Person erwähnt. Aber ist Christus nicht eine Kostbarkeit, in welcher alle gesegnet werden? Andererseits steht das Verb im Urtext im Plural. Könnte man hier nicht ein verstecktes Bild der Dreieinigkeit sehen?↩︎