Immerwährende Freude (Phil 3,1)
Was immer auch an die Philipper herantreten mochte: Not, Elend, Irrlehrer, ja selbst die Todesnachricht ihres geliebten Apostels, so blieb ihnen doch bestimmt dies eine: Die Freude am Herrn, Seine Liebe, Sein Friede, Sein Trost und Seine Nähe. Einem Abraham mochte sein geliebter Sohn Isaak genommen werden, aber nie konnte ihm Gott, der ihm den Isaak gab, entrissen werden. Ob der Hass der Welt, ob der Zorn der Irrlehrer oder der Feinde des Kreuzes wüten, so ist doch Jesus und die Freude an Ihm unzerstörbar (Ps 36,10).
I. Freuet euch!
In dieser Epistel ist viel die Rede von der Freude. In Kap. 1, 4
verrichtet Paulus das Gebet mit Freuden. In Kap. 1, 18 freut er sich
über das Werk am Evangelium und selbst darüber, das das Wort durch seine
Gegner, die ihn bekämpften, verkündigt wurde. Nach Kap. 2, 2 sollen die
Philipper des Apostels Freude durch ihre Einheit erfüllen. Der Apostel
freut sich sogar im Hinblick darauf, dass er bald als Trankopfer
ausgegossen, also als Märtyrer sterben werde (Kap. 2, 17, 18.). Und in
Kap. 2, 28 drückt er seine Freude in Verbindung mit Epaphroditus aus. In
unserm Text gibt Paulus der Freude im Herrn Ausdruck, die über
allen Umständen des Lebens steht, weil diese Freude die Quelle aller
andern Freuden ist, und selbst in Wüsteneien überströmt, wie das beim
Apostel in seiner harten Lage der Fall war. Die Philipper wussten, dass
die Apostel Paulus und Silas sogar im Gefängnis, mit blutigem Rücken,
den Herrn gepriesen hatten (Apg 16,25-34). Zudem waren sehr viele
andere Härten besonders über Paulus gegangen, aber er kann dennoch
sagen: „Freuet euch!“ Wir wollen also den Herrn keineswegs durch trübe
Gedanken über die Zukunft, oder durch missliche Umstände verunehren,
sondern uns vielmehr in Ihm freuen. Der Glaube sieht den Herrn in allem
und freut sich, weil er weiß, dass denen, die Gott lieben, alles zum
Besten dient. Wie hinter dem dicken Nebel die Sonne lacht, so sieht der
Glauben den Herrn hinter den vorüberziehenden dunklen Wolken, und er
wankt nicht, sondern freut sich. Alles, woran das natürliche Herz sich
hängt, mag von Trübsalsfluten hinweggeschwemmt werden; der Herr aber
bleibt. So stärkte sich David im Herrn, als man ihn steinigen wollte (1Sam 30,6), und Nehemias Kraft, inmitten vieler Enttäuschungen, lag in
seiner Freude am Herrn (Neh 8,10). Der Herr will Seine Erkauften
freudig sehen. Er selbst bat um völlige Freude für die Seinen (
II. Ein kleines Wörtlein.
Kleine Worte haben oft eine große Bedeutung; so das Wörtlein „in“. Freuet euch „in“ dem Herrn! Es gibt zwar allerlei Freuden, - die aber in keinem Verhältnis zur Freude im Herrn stehen (Pred 11,9). Sobald wir jedoch nach rechts oder links abbiegen, untreu sind, und dadurch die Gemeinschaft mit dem Herrn verlieren, schwindet die Freude. Da ergeht es uns wie der Braut im Hohenliede, die ihren Bräutigam verloren hatte und untröstlich war, bis sie ihn wieder fand. Der Herr sagt: „Bleibet in mir, und eure Freude wird völlig sein“ (Joh 15,11).
Die Freude „im“ Herrn beruht vor allem auf geistlicher Erkenntnis.
Sie ruft mit Philippus aus: „Wir haben den gefunden, den die Propheten
ankündigten“ (Joh 1,45). Wir besitzen den, der der Gegenstand ernsten
Forschens und Begehrens von Propheten und Königen war (
Die Freude „im“ Herrn ist ferner eine Frucht des Glaubens und des Geistes (Röm 5,2; 15,13; Gal 5,22). Und als David die Hilfe Gottes erlebte, sang er voller Freude (Ps 40,3) und wollte mit seinem Gott über eine Mauer springen (Ps 18,30).
Die Freude „im“ Herrn reicht auch aus in Trübsalen. In der trockenen, öden Wüste begegnet der Gläubige manchem Mara, aber jede Bitterkeit muss weichen, weil er das eine Holz (das Kreuz) kennt, das alles Bittere süß macht (2. Mose 15).
Die Freude „im“ Herrn ist bleibend (Joh 16,22). Sie ist keine Fata Morgana, die herrlich aufsteigt und ebenso schnell verschwindet. Sie ist bleibend, weil sie auf dem Ewigen beruht. Sie kann weder durch Krankheit, Not oder Verfolgung geschmälert werden (Röm 8,31 ff.).
III. Die Wirkung dieser Freude.
Nehemia empfand die Freude als eine Stärkung inmitten größter Hindernisse. Sie gibt Kraft:
1. Im Einfluss auf die Umgebung. Wie staunte der Hohe Rat, als er die Freude und Freimütigkeit der Jünger sah (Apg 4,13). Dass Stephanus mit so großer Freude in den Tod gehen konnte, war seinen Feinden unerklärlich (Apg 7).
2. In den Täglichen Pflichten. Mit Freuden trägt das Kind Gottes Sein Joch (Mt 11,29); denn Seine Gebote sind nicht schwer.
3. Im Leiden. Wir rühmen uns der Trübsale (Röm 5,3). In Leiden ist uns der Herr besonders nahe und verlässt uns nicht (Heb 13,5).
4. Im Sterben. Paulus sagt: „Sterben ist Gewinn“ (Kap. 1, 21). Jenseits des Todestales erwartet uns der Herr, den unsere Seele liebt. Diese vielseitige Freude ist aller Gläubigen Teil.
IV. Wiederholung. „Euch dasselbe zu schreiben, verdrießt mich nicht.“ Diese Aussage mag sich auf Belehrungen beziehen, die Paulus den Gläubigen während seines Aufenthaltes in Philippi gab, oder auf Briefe, die er ihnen schrieb, die wir aber nicht besitzen; - ob so oder anders, - in jedem Falle verdross es den Apostel nicht, seiner ständigen Freude im Herrn Ausdruck zu geben und die Mitgläubigen zu ermuntern. Wie nötig Wiederholungen sind, das wissen wir aus unserer Schulzeit. Manchmal sind wir schwer von Begriff, wie die Hebräer (Heb 5,11-12). Bei andern leidet das Gedächtnis durch geistige Arterienverkalkung, indem Satan den Gläubigen die Verheißungen vergessen lässt. Der Herr aber und Sein Evangelium erfüllen das Herz mit tiefer Freude; darum auch die Bitte des Apostels: „Freuet euch in dem Herrn“.