Phil 3,1: Im Übrigen, meine Brüder, freut euch in dem Herrn! Euch dasselbe zu schreiben, ist mir nicht lästig, für euch aber ist es sicher.
Es war der Herr selbst, in dem sich die Christen freuen sollten. Jetzt warnt der Apostel die Philipper vor dem, was der nagende Wurm an dem Leben der Versammlung gewesen war und die schmerzlichen Früchte hervorgebracht hatte. Das machte ihm sehr viel Mühe. Und die beklagenswerte Folgen sehen wir heute, wie er vorhergesagt hat – Folgen, die noch für das Gericht Gottes heranreifen.
Aber mag alles sein, wie es will, der Herr verändert sich nicht. „Freut euch“, sagt Paulus, „in dem Herrn.“ Da ist alles sicher.
Der Apostel stellt den Philippern sowohl das vor, was sie an dieser Freude hindern konnte, als auch die wahre Erkenntnis Christi, die uns vor diesen Hindernissen bewahrt.
Doch geschieht dies hier nicht
gemäß der Lehre und Praxis, die in Verbindung stehen mit der hohen Stellung der Versammlung in ihrer Vereinigung mit einem verherrlichten Christus als sein Leib;
auch nicht gemäß der Einheit, die daraus entspringt. Das finden wir in dem Brief an die Epheser.
auch nicht entsprechend der dringenden Notwendigkeit, sich fest an Christus, das Haupt der Gemeinde, zu halten, weil in Ihm alle Fülle ist. Das ist die Belehrung des Kolosserbriefes.
In Übereinstimmung mit dem allgemeinen Charakter des Briefes steht alles in Verbindung mit den persönlichen Erfahrungen des Christen und insbesondere mit denen des Apostels.
Daher befindet er sich auch in diesem dritten Kapitel – wie wir es bei der Darstellung seiner persönlichen Kämpfe und Leiden im ersten Kapitel schon gesehen haben – auf dem Weg zu dem vollen Genuss an Christus, den er kennengelernt hatte. Er sehnte sich von ganzem Herzen danach. Das sollten auch die Erfahrungen jedes Christen sein. Denn wenn ich auch durch den Geist mit dem Haupt der Gemeinde als ein Glied des Leibes Christi vereinigt bin und durch den Glauben diese Vereinigung erfasse, bleibt es trotzdem wahr, dass meine persönliche Erfahrung stark mit dem Weg zu dieser Herrlichkeit zu tun hat. Selbstverständlich ist der Glaube die Grundlage, genauso wie die Verbindung zu dem Haupt meine Berechtigung zu dieser Herrlichkeit ist. Nicht dass die Gefühle, die durch das, was mir auf diesem Weg begegnet, hervorgerufen werden, meine Stellung in Christo verfälschen oder ihr widersprächen oder die Gewissheit meines Ausgangspunktes vernichteten. Nein, während ich diese Gewissheit besitze und weil ich sie besitze, weiß ich, dass ich in Wirklichkeit das Endziel dieser Stellung in der Herrlichkeit noch nicht erreicht habe. In diesem Brief nun sind wir auf dem Weg dahin. Wir werden in unseren Beziehungen zu Gott persönlich betrachtet.
Denn die Erfahrung ist immer persönlich, obwohl unsere Einheit untereinander als Glieder Christi einen Teil dieser Erfahrung bildet.
In dem vorhergehenden Kapitel brachte der Apostel unsere Herzen in Verbindung mit dem Herrn Jesu, der seine göttliche Herrlichkeit im Himmel verließ, die Gestalt eines Dieners annahm und sich erniedrigte, dann aber als Mensch hoch erhoben wurde. Ebenso haben wir uns zu erniedrigen; diese Gesinnung soll auch uns leiten.
Nachdem der Apostel seine Worte über diesen Gegenstand, den Standpunkt und den Zustand der Seele, worin wir sein sollen, beendet hat, blickt er jetzt vorwärts zur Herrlichkeit hin. Das, was vor uns liegt, wird die Seele bewahren, damit sie nicht aufgehalten wird, das heißt, Christus steht so vor der Seele, dass Er sie ganz in Besitz nimmt. Hier ist nicht die Rede von dem Charakter des Lebens auf Erden, von der Gnade und von dem rücksichtsvollen Verhalten gegen andere, wie dies im vorhergehenden Kapitel der Fall war. Dort wurden unsere Blicke auf Christus gerichtet als auf den, der sich der Herrlichkeit entäußerte und sich selbst erniedrigte. Hier handelt es sich um die Energie des göttlichen Lebens, das dem Ziel entgegeneilt.
Wir begegnen zuweilen da einem Mangel an Energie, wo Liebenswürdigkeit des Charakters vorhanden ist; andererseits findet sich oft viel Energie da, wo es an Sanftmut und Rücksicht auf andere fehlt. In den Dingen Gottes jedoch muss man alles zusammen haben, damit jedes einzelne Teil an seinem richtigen Platz ist. Satan mag das eine oder andere nachahmen; niemals aber wird man in seinen Nachahmungen das Ganze finden. Haben wir aber beides, Gnade und Energie, und ist Christus alles, dann wird die Seele von der Selbstsucht befreit, und das Leben offenbart sich, indem man das Wohl der anderen sucht. Doch man wird nie nachgiebig sein, wenn es sich darum handelt, Christus aufzugeben. Ich meine nicht, Ihn aufzugeben, was die Errettung der Seele betrifft, sondern aufzugeben auf unserem Weg auf Erden. In diesem Sinn sagt Petrus: „In der Bruderliebe reicht die Liebe dar“ (2Pet 1,7); denn wenn wir nicht mit Gott unseren Weg gehen, dann haben wir keine Kraft, um Gott gemäß in Gnade zu wandeln. Christus ist in den Himmel aufgestiegen und ist alles für uns. Er ist als ein Gegenstand vor unserer Seele, und wir dürfen Ihn nicht aufgeben, um dem Fleisch zu gefallen; wohl aber können wir Kraft bei Ihm finden, um voranzueilen.
Phil 3,1: Im Übrigen, meine Brüder, freut euch in dem Herrn! Euch dasselbe zu schreiben, ist mir nicht lästig, für euch aber ist es sicher.
Dies ist der Ausgangspunkt für den Apostel: „Freut euch in dem Herrn allezeit! Wiederum will ich sagen, freut euch!“ (Phil 4,4). Mit dem alten Ich zu Ende sein hat zur Folge, dass ich mich allezeit freue, und wenn ich mich allezeit freue, so ist der Herr der Gegenstand meiner Freude. Nichts kann uns von der Liebe trennen, das wissen wir; wenn wir aber eine Segnung genießen, so sind wir in Gefahr, uns auf die Segnung zu stützen und nicht in der Abhängigkeit von dem zu bleiben, der uns segnet. David sagte in seinem Wohlergehen: „Ich werde niemals wanken. HERR! In deiner Gunst hattest du meinen Berg festgestellt. Du verbargst dein Angesicht, ich wurde bestürzt“ (Ps 30,7.8)! Als sein Berg wich, bemerkte er, dass er auf den Berg und nicht auf den Herrn vertraut hatte. Wenn er sagt: „Der HERR ist mein Hirte“ (Ps 23), dann wird er nicht bestürzt, denn er stützt sich auf den Herrn selbst. Wenn das Herz von dem eigenen Ich ausgeleert ist, ruht es im Herrn; aber das Herz ist so verräterisch, dass jemand, der als Christ große Freude erfahren hat, danach oft zu Fall gekommen ist, weil er den Platz der Abhängigkeit verließ. Wir wissen wohl, dass der Herr ihn wiederherzustellen vermag, wie es auch in jenem Psalm heißt: „Er erquickt meine Seele.“
Das Leben des Apostels stand augenblicklich in großer Gefahr. Er hatte schon vier Jahre im Gefängnis zugebracht; die beiden letzten Jahre war er mit einem heidnischen Soldaten zusammengekettet. Auch er sagte, er wisse sowohl niedrig zu sein als Überfluss zu haben, sowohl satt zu sein als Mangel zu leiden (Phil 4,11.12). Kummer und Leiden, Freude und Trost, durch alles war er hindurchgegangen; dennoch war er nicht entmutigt, wie man es von jemand erwarten sollte, der gezwungen wurde, mit ungebildeten und rohen Leuten zu leben, der stets an einen Soldaten gekettet war und vier Jahre lang im Gefängnis zubrachte. Und das war nicht alles; Paulus hätte sagen können: Ich bin im Gefängnis und kann mich um das Werk des Herrn nicht kümmern. – Doch nein; er wandelt mit dem Herrn und sagt: „Alles wird mir zum Heil ausschlagen.“ Selbst wenn Christus aus Neid und Streit gepredigt wurde, konnte er ausrufen: „Darüber freue ich mich, ja, ich werde mich auch freuen“ (Phil 1,18). Wenn uns alles entzogen wird, so sind wir auf den Herrn geworfen und fähig, uns in Ihm zu erfreuen; und dies wird der Fall sein, wenn Er uns leitet.
Welch einen herrlichen Gegenstand hatte Paulus in der Person des Herrn vor sich! Welch eine Energie bewirkt Er! Sein Blick war auf alles gerichtet, was jenseits der Wüste liegt; er war ein Reisender, der hindurchzog und auf dem ganzen Weg sich des Herrn erfreute. Mochte er öffentlich predigen oder in der Stille einen jeden in seiner Wohnung empfangen, der zu ihm kam – immer freute er sich. Man setzt sein eigenes Ich in hohem Maß beiseite, wenn man sich stets im Herrn erfreut. Paulus hatte gehofft, nach Spanien zu gehen, nachdem er die Heiligen ein wenig genossen haben würde (Röm 15,23.24). Hier aber ist weder von Spanien die Rede noch vom Genuss der Gemeinschaft der Heiligen, und dennoch freut sich Paulus. Es ist unmöglich, in die Festung dessen einzudringen, der sich stets im Herrn freut. Paulus sagt: „In diesem allen sind wir mehr als Überwinder“ (Röm 8,37-39). Engel, Fürstentümer und Gewalten, diese alle sind Geschöpfe; in uns aber wohnt Christus. Er ist dem Herzen nahe, und das ist das große Geheimnis. Wir haben Christus zwischen uns und den Trübsalen; wir verstehen, welch ein Hindernis der Unglaube ist; dies aber ist das Geheimnis, durch das alle Dinge zum Guten mitwirken. Man rechnet auf die Liebe Gottes; seine Liebe ist in das Herz ausgegossen. Der große Ausgangspunkt, ich wiederhole es, ist: „Übrigens meine Brüder, freut euch in dem Herrn.“