Behandelter Abschnitt Phil 1,9-11
Das Gebet des Apostels (Phil 1,9-11)
Der Philipperbrief wird der Brief der Erfahrungen genannt. Er beschäftigt sich mit rein praktischen Seiten des Christenlebens, das ein Leben des Fortschrittes und des Wachstums sein soll. Der, der vorwärts gekommen ist, soll weiter fortschreiten und der, der viel getan hat, soll noch mehr tun. In schöner Weise stehen diese Tatsachen vor uns.
In Vers 7 sehen wir wiederum die herzliche Beziehung des Apostels zu den Philippern. Er zeigt uns seine Sehnsucht, die er nach ihnen im Herzen trägt, ja dass er sie mit dem Herzen Jesu liebt. Seine Liebe war echt, ungeheuchelt und bestand nicht in Worten allein, sondern vor allem in der Tat. Er brachte den Menschen und den Brüdern die Gefühle des Herzens Christi Jesu entgegen. Paulus liebte die Familie Gottes mehr als alles andere. Aus dieser Liebe heraus betete er für sie, und zwar hatte er ganz bestimmte Gebetsanliegen, die wir der Reihe nach betrachten wollen.
I. Das Gebet. Die Verse 9-11 bilden das Gebet des Apostels für die Philipper. In den verschiedenen Briefen des Apostels Paulus sind 8 Gebete enthalten. Er betete für die Epheser (Kap. 1, 17-23 und 3, 14-21), für die Kolosser (Kap. 1, 9-14) und dreimal für die Thessalonicher (1Thes 3,10-13; 2Thes 1,11-12; 3,16). In obigem Text fleht er für die Philipper. Alle Gebete des Apostels berühren mehr oder weniger das Wachstum der Gläubigen; auch sind sie eine Ermunterung zur Fürbitte.
II. Die Gebetsgegenstände. Paulus bittet um fünferlei.
1. Umüberströmende Liebe. Die Philipper liebten viel, das hatte Paulus vom ersten Tage an unter ihnen erfahren. Die Liebe Christi war reichlich in ihre Herzen ausgegossen. Sie liebten einander, sie liebten den Apostel, der ihr geistlicher Vater war, sie liebten auch die verlorene Welt, indem sie sich praktisch am Evangelium betätigten. Die Liebe macht klug (2Pet 1,7.8). Wenn Paulus sagt: "Eure Liebe", so nimmt er Bezug auf ihre Gabe (Kp. 4, 10. 18). Diese ihre Liebe soll nicht stillstehen, sie soll wachsen, zunehmen, überströmen wie ein Fluss, der über seine Ufer tritt und alles mit sich reißt. Nichts erkaltet so schnell als die Liebe; das zeigt das Sendschreiben an Ephesus (Off 2,1-7). Die Epheser liebten einmal innig; 22 mal erwähnt der Apostel die Liebe im Briefe an die Epheser, aber sie war nun am erkalten. Diesen Mangel empfand der Herr sehr, und Er empfindet ihn heute ebenso, wenn er gar in dir oder mir zu finden ist. Die apostolische Ermahnung aber lautet: "Überströmen in der Liebe", oder wie der Herr selbst sagt: "Gott lieben von ganzem Herzen und seinen Nächsten wie sich selbst" (1Thes 3,12; 2Kor 8; 5. Mose 15,7-11). Die Liebe ist ein Ausfluss aus Gottes Herzen und soll wiederum durch uns in andere Herzen fließen und sie beglücken und erfreuen.
2. Um Erkenntnis und Einsicht (Eph 3,18). Je mehr wir uns von Christo, von Seiner Person, von Seinem Werk und von Seiner Herrlichkeit aneignen, um so mächtiger wird unsere Liebe zu Ihm sein. Gottes große Gedanken und Pläne über Zweck und Ziel der Menschheit sollen den Gläubigen immer klarer werden, damit sie, wie Paulus, auch zur Anbetung über die Weisheit und den Reichtum Christi gelangen (Röm 11,33-36). Gottes Volk darf nie unwissend sein über Seine großen Heilsgedanken. Diese Erkenntnis wird nur durch treues und fleißiges Schriftstudium erreicht. Auch eine andere Erkenntnis muss hier noch erwähnt werden, die so sehr wichtig ist: die Selbsterkenntnis. Erkenntnis bewahrt vor Irrtum!
3. Um Unterscheidungsvermögen. In Philippi waren, wie überall, unlautere Elemente (Kap. 1, 15-17; 3, 18-19). Solche Menschen können gar fromm reden und unbefestigte Seelen nach sich ziehen. Da sollten die Gläubigen bald merken, mit wessen Geistes Kindern sie es zu tun haben. Die Philipper waren voll Liebe. Ein Sprichwort aber sagt: "Liebe macht blind" und ist dadurch nicht unterscheidungsfähig. Auch eine weichliche Liebe schadet. Paulus, der gewiss voll Liebe war, konnte gerade gegen diese Leute sehr hart sein (Gal 1,9). Wahre Liebe kann unterscheiden, sie fühlt gar bald heraus, was echte Jesusliebe und überzuckerte, menschliche Liebe und Schmeichelei ist.
4. Um ein Leben ohne Anstoß. Danach trachtete der Apostel auch selber (Apg 24,16). Können denn Gläubige so leben, dass die Welt nichts Ungeziemendes an ihnen findet? Hat doch die Welt selbst am Wandel des Herrn auszusetzen gehabt. Was Paulus hier meint, ist, dass man keine wirkliche Ursache zum Anstoß durch einen bösen Wandel geben soll (Mt 18,7). Die Gemeinde soll allen, ja, selbst der Engelwelt ein Beispiel sein (Eph 3,10).
5. Um Fruchtbarkeit. Der Frucht wegen wird der Baum gepflanzt. Gläubige sind berufen Gott Frucht zu bringen (Röm 7,4; Joh 15). Wie ein Baum mit viel Frucht bekleidet, so sollen die Heiligen dereinst angetan sein mit der Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesum Christum ist.
III. Der Geber dieser Gaben. Durch Jesum Christum. Paulus kann um diese Dinge nur bitten, der Herr aber gibt sie. Er ist der Geber. Er hat das Werk begonnen (Vers 6). Er setzt es fort (Kap. 2, 13) und Er vollendet es (Kap. 4, 19; Heb 12,2). Treu ist der, der uns gerufen hat, Er wird es auch tun (1Thes 5,24).
IV. Das große Ziel dieser Fürbitte. Paulus sieht alles im Lichte des Tages Christi, sowohl sein eigenes Leben, als auch das der Philipper. Dort werden alle ohne Flecken und Runzeln stehen (Eph 5,27). Dort sollen unsere Liebe und unsere Werke als echt erfunden werden. Nur im ständigen Hinblick auf jenen Tag wird unser Leben das gottgewollte Verantwortlichkeitsgefühl erhalten. Dort wird es sich zeigen, was wir alles aus Liebe zum Herrn und zur Ehre Gottes getan haben.
Dreimal erwähnt der Apostel in diesem Briefe den Tag Christi und:
1. Dann wird offenbar, dass Gott das angefangene gute Werk durchzuführen vermochte (Kap. 1, 6).
2. Dann wird es sich zeigen, inwieweit der Wandel der Gläubigen fruchtbar war (Kap. 1, 10).
3. Dann tritt auch ans Licht, dass wir nicht umsonst gearbeitet haben (Kap. 2, 16).