Phil 3,2: Seht auf die Hunde, seht auf die bösen Arbeiter, seht auf die Zerschneidung.
Paulus nimmt jetzt seine Ermahnungen wieder auf. Doch das war ihm nicht unangenehm. Weil Gefahr vorhanden und seine zärtliche Liebe wachsam war, diente es zu ihrer Sicherheit, wenn er seine Warnungen und Unterweisungen in Bezug auf die Vermengung jüdischer Grundsätze mit der Lehre eines verherrlichten Christus erneuerte. Diese Vermengung bedeutete in der Tat die Vernichtung dieser wichtigen Lehre und würde das Fleisch (d.h. die Sünde und die Entfremdung von Gott) an ihrer Stelle wieder einführen. Das war der schon verworfene und verurteilte erste Mensch und nicht der zweite Mensch. Doch erscheint das Fleisch hier nicht in Form von Sünde, sondern von Gerechtigkeit von allem was ehrbar und religiös ist. Es erscheint in Form von Satzungen, die mit dem ehrwürdigen Ansehen des Altertums bekleidet waren, und die, was ihren Ursprung betrifft, die Autorität Gottes selbst besaßen. Und wenn sie nicht in Christus weggetan worden wären, dann würden sie diese Autorität auch heute noch besitzen. Der Apostel, der Christus im Himmel kannte, sah in diesem allem nur ein Lockmittel, um den Gläubigen von Christus wegzuziehen und ihn wieder in das Verderben zurückzuschleudern, aus dem Christus ihn herausgeholt hatte. Und das wäre umso schrecklicher gewesen, weil man den verherrlichten Christus einmal kennengelernt und ihn dann verlassen und zu den Dingen zurückkehren würde, die sich durch das Fleisch als wertlos erwiesen hatten. Der Apostel schont daher weder dieses fleischliche System, welches das Gesetz anpries, noch jene, die es lehrten. Die Herrlichkeit, die er gesehen hatte, seine Kämpfe mit diesen falschen Lehrern, der Zustand, in den sie die Gemeinde gebracht hatten, Jerusalem und Rom, seine Freiheit und seine Gefangenschaft – alles das hatte ihm die Erfahrung eingetragen, was das Judentum im Blick auf die Versammlung Gottes wert war. Solche Lehrer waren Hunde, böse Arbeiter, d.h. solche, die Bosheit und Gottlosigkeit taten. Das war nicht die Beschneidung. Er behandelt diese Sache mit tiefer Verachtung und gebraucht Worte, deren Schärfe durch seine Liebe zu der Gemeinde gerechtfertigt wird. Denn die Liebe ist streng gegen die, welche gewissenlos den Gegenstand dieser Liebe verderben. Es war die Zerschneidung. Hier tritt das Böse ohne Scham ans Licht. Und es ist darauf aus, unter einem schändlichen Schleier von Religion Böses hervorzubringen. Wenn sich diese Haltung in seinem wahren Charakter zeigt, dann ist Milde gegenüber solchen Dingen ein Verbrechen gegen die Gegenstände der Liebe Christi. Wenn wir Ihn lieben, so werden wir im Umgang mit der Gemeinde den wahren Charakter des Bösen entlarven, den es zu verbergen sucht. Das ist wahre Liebe und Treue gegen Christus. Der Apostel hatte es gewiss nicht an der Herablassung zu den Schwachen betreffs ihrer jüdischen Vorurteile fehlen lassen. Er hatte diese Herablassung sogar weit getrieben. Seine Gefangenschaft zeugte davon.
Jetzt war die Versammlung seiner Energie beraubt sowie jener geistlichen Unterscheidung, die alles liebt, was gut ist. Dadurch stand sie mehr in Gefahr als je zuvor. Die Erfahrung eines Lebens nie endender Tätigkeit, eines Lebens der größten Geduld, eines vierjährigen Nachdenkens im Gefängnis veranlasste jene scharfen und schneidenden Worte: „Seht auf die Hunde, seht auf die bösen Arbeiter, seht auf die Zerschneidung.“
Die Lehre des Briefes an die Epheser,
die Ermahnungen in dem an die Kolosser,
die zärtliche Liebe in dem an die Philipper,
verbunden mit der Anklage in Philipper 3,2
fallen in denselben Zeitpunkt und tragen alle den Stempel derselben Liebe.
Doch genügte es, diese falschen Lehrer zu bezeichnen. An anderen Orten, wo sie nicht gut bekannt waren, gab er Einzelheiten an, wie in den Unterweisungen an Timotheus, der über die Versammlung zu wachen hatte. Hier genügte es, ihren wohlbekannten Charakter zu bezeichnen. Alles was ins Judentum führte, alles was das Gesetz und das Evangelium, das Vertrauen auf Satzungen und auf den Geist zu vermischen suchte, war schändlich, boshaft und verächtlich.
Behandelter Abschnitt Phil 3,2-6
Phil 3,2-6: 2 Seht auf die Hunde, seht auf die bösen Arbeiter, seht auf die Zerschneidung. 3 Denn wir sind die Beschneidung, die wir durch den Geist Gottes dienen und uns Christi Jesu rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen; 4 obwohl ich auch auf Fleisch Vertrauen habe. Wenn irgendein anderer meint, auf Fleisch zu vertrauen – ich noch mehr: 5 Beschnitten am achten Tag, vom Geschlecht Israel, vom Stamm Benjamin, Hebräer von Hebräern; was das Gesetz betrifft, ein Pharisäer; 6 was den Eifer betrifft, ein Verfolger der Versammlung; was die Gerechtigkeit betrifft, die im
Gesetz ist, für untadelig befunden.
Wie einfach ist alles für den, der auf Christus blickt. Die Religion der Väter, der Satzungen und der Werke: Sobald diese drei Dinge vorhanden sind, mache sie moralisch gesprochen einen Juden aus. Diese Religion bestand ganz aus Werken, Satzungen und Überlieferungen. Wäre Christus nicht gekommen, so könnte man sich all dieser Dinge noch in gleicher Weise rühmen. Aber wie urteilt der Apostel darüber? „Seht auf die Hunde“, sagt er und bezeichnet mit diesem Namen etwas Schlechtes und Schamloses.
Ich muss mit meinem Gewissen vor Gott sein und vonseiten Gottes Christus haben, oder ich habe nichts. Ein Jude mochte „seinen Kopf beugen wie ein Schilf“ und alles vollbringen, ohne dass seine Seele mit Gott war; darum verachtete Gott dies alles. Er sagt: „Gib mir, mein Sohn, dein Herz“ (Spr 23,26). „Mein ist alles Getier des Waldes, das Vieh auf tausend Bergen. … Wenn mich hungerte, ich würde es dir nicht sagen“ (Ps 50,10.12). Was nützen mir deine Opfergaben, dass du sie mir bringst? Dich selbst will ich und nicht deine Gaben. – Kain hatte viel mehr Mühe mit dem Bebauen des Erdbodens als Abel mit seinem Lamm; aber Kains Gewissen war niemals vor Gott gewesen noch hatte er das Verderben erkannt, das durch die Sünde hereingebrochen war. Wir sehen seine Herzenstätigkeit wegen der Sünden und seine Unwissenheit über die Heiligkeit Gottes; er bringt das dar, was ein Zeichen des Fluches war; das, was er im Schweiß seines Angesichts erworben hatte. Abel brachte ein Lamm dar und wurde angenommen. Wenn wir die wahre Erkenntnis des Werkes der Versöhnung und der Annahme in Christus erlangt haben, so sind wir Abel gleich. Das Zeugnis über die Gerechtigkeit bezog sich auf die Person Abels, war gegründet auf sein Opfer, das ein Vorbild von Christus war. Gott kann mich nicht abweisen, wenn ich Christus vor Ihn bringe; ich werde von Ihm angenommen aufgrund des Passes, den ich vorweise. Ich darf nicht daran denken, durch irgendeine Entwicklung meine Seele verbessern zu können. Wenn ich Gott nahe, muss es auf dem von Ihm vorgeschriebenen Weg geschehen, und dieser ist Christus und nichts anderes. Auch muss ich mit meinem eigenen Gewissen kommen und nicht mit Satzungen, die alle äußerlich sind.
Die Art und Weise, in der der Apostel diesen Gegenstand hier behandelt, ist bemerkenswert. Er spricht nicht von einem Gewissen, das mit Sünde beladen ist, sondern von der Nutzlosigkeit aller Satzungen; deshalb belegt er das ganze System mit dem verächtlichen Namen „Zerschneidung“. Das wahre Gebot ist: unsere Herzen beschnitten zu haben. „Wir sind die Beschneidung, die wir durch den Geist Gottes dienen.“ Ebenso sagt Jeremia: „Beschneidet euch für den HERRN und tut die Vorhäute eurer Herzen weg“ (Jer 4,4). Das Fleisch muss gänzlich niedergehalten werden. Es hat ebenso eine Religion, als es Lüste hat, aber diese Religion muss von der Art sein, dass sie das Fleisch nicht tötet. Den Leib kasteien, um das Fleisch zufriedenzustellen – ein eigenwilliger Dienst, Demut, Nichtverschonen des Leibes (Kol 2,23) –, das ist eine leichtere Arbeit, als mit dem Fleisch völlig ein Ende gemacht zu haben. Paulus konnte sagen: „Ich bin Hebräer von Hebräern …; was die Gerechtigkeit betrifft, die im Gesetz ist, tadellos“, und war somit ein vollkommen religiöser Mensch. Wer aber wurde hierdurch geehrt? Paulus, aber nicht Gott oder Christus. Diese Gerechtigkeit hat nicht den geringsten Wert; sie huldigt dem Ich. Es heißt immer „Ich“ und nicht „Christus“. Diese Gerechtigkeit wird daran erkannt, dass sie dem Fleisch Ehre zuteilwerden lässt; sie mag Anstrengung und Mühe kosten, sie mag in Dingen bestehen, durch die ich mir selbst
Strafe auferlege, aber sie ist ganz wertlos. Gewiss werden viele sehr aufgebracht sein, wenn man ihnen sagt, dass eine solche Gerechtigkeit nicht den geringsten Wert hat.