Behandelter Abschnitt Joh 18,1-11
Wir haben das wunderbare Kapitel betrachtet, in dem uns die ergreifende Entwicklung der Gemeinschaft des Sohnes mit dem Vater geschildert wird. Das Thema ihres gemeinsamen Interesses sind die Kinder Gottes, die Glaubenden, die durch die Offenbarung des Vaters im Sohn in eine Beziehung zum Vater gebracht worden sind. Je mehr wir darüber nachdenken, desto mehr empfinden wir, wie herrlich es ist, solchen Gesprächen zuhören zu dürfen.
Der Gehorsam des Sohnes Gottes
Doch lasst uns nun mit dem Studium des Evangeliums fortfahren. Was nun folgt, ist ein Bericht über die letzten Ereignisse im Leben von Christus, über seinen Tod, seine Auferstehung und alles, was dazugehört. Im Johannes-Evangelium sind nicht die Leiden von Christus das Hauptthema, sondern seine göttliche Person. Diesen Charakter sehen wir auch hier. Weder in Gethsemane noch am Kreuz finden wir Leiden. Hingegen stellen wir ein direktes Zeugnis über seine Göttlichkeit fest und ebenso ein Zeugnis über seinen vollkommenen menschlichen Gehorsam.
Daneben gibt es noch ein anderes, weniger wichtiges Element, das aber doch klar herausgestellt wird. Es ist das moralische Beiseitesetzen der Juden, etwas, das sowohl dem Erlöser als auch uns weh tut. Doch die souveräne Gnade Gottes hält auch dafür ein Heilmittel bereit. Hier aber geraten sie in auffällige Schande, sogar vonseiten der Nationen.
Da die Leiden von Christus hier nicht geschildert werden, gibt es viel weniger Einzelheiten. In diesem Bericht werden die grossen Grundsätze, die grossen Tatsachen, in den Vordergrund gestellt oder wenigstens zur Geltung gebracht. Ich hoffe, ich nehme mir nicht zuviel heraus, wenn ich einen kurzen Überblick über die verschiedenen Berichte gebe, die wir in den Evangelien über Gethsemane und das Kreuz finden.
Von Gethsemane nach Golgatha - in den vier Evangelien
Bei Matthäus ist Christus das Opfer. Es gibt weder einen Tröster noch Trost, sondern die Seinen schlafen, und in Gethsemane wird Er mit Küssen verraten. Auf dem Kreuz hören wir dann den Ausruf: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» - Markus berichtet uns diesbezüglich so ziemlich dieselben Tatsachen. - Bei Johannes, wie wir bald sehen werden, geht es nicht um die Leiden, weder in Gethsemane noch am Kreuz, sondern um den Sohn Gottes, der sich selbst hingibt. - Bei Lukas finden wir mehr menschliche Qual in Gethsemane, aber keine am Kreuz.
Im Matthäus-Evangelium ist es einfach: Es ist das Lamm, das zur Schlachtung geführt wird; das Lamm, das seinen Mund nicht öffnet, ausser um sich als solches zu erkennen zu geben, und das dann für uns von Gott verlassen wird.
Bei Lukas sehen wir den Sohn des Menschen, und jeder einzelne Umstand entspricht dem Charakter des Evangeliums. Als Mensch geht daher sein Geschlechtsregister bis auf Adam zurück. Er ist der (abhängige) Mensch, der immer im Gebet ist. In Gethsemane, als Er den schrecklichen Kelch, den Er trinken musste, vor sich sah, war Er der Mensch, der im Voraus erkannte, was Er, als zur Sünde gemacht, alles zu leiden haben würde. Er war in Todesnot (und das finden wir nur bei Lukas); doch dies diente nur dazu, um seine Vollkommenheit hervorstrahlen zu lassen. Er betete heftiger. Er war als ein Mensch mit Gott. In seiner Seele ging Er durch die ganze Todesangst hindurch.
Am Kreuz hingegen finden wir dann überhaupt keine Leiden. Alles andere (das, was wir in den anderen Evangelien finden), bleibt wahr, doch es wird von einer anderen Seite betrachtet. Der treue Heiland wird uns dort unter einem anderen Gesichtspunkt vorgestellt. Die Leiden sind vergangen. Er bittet um Vergebung für die Juden. Er verspricht dem Übeltäter das Paradies. Und wenn alles vollendet ist, übergibt Er seinen Geist dem Vater. Nachdem Er alles verwirklicht hat, ist Gnade und Friede in seiner Seele. Das Verlassensein von Gott hat stattgefunden. Doch dies ist nicht die Seite der Geschichte, die wir bei Lukas finden.
Der Unglaube der Juden - bei Matthäus, Markus, Lukas und bei Johannes
Beachten wir auch, dass die drei anderen Evangelien (Matthäus, Markus und Lukas) den Bericht über die Kontroverse des Herrn mit den verschiedenen Gruppierungen der Juden zeitlich mit seinem letzten Einzug in Jerusalem verbinden. Ihr Unglaube kommt klar zum Vorschein.
Bei Johannes ist es anders. Der Unglaube der Juden in Bezug auf sein Wort (Kap. 8) und in Bezug auf seine Werke (Kap. 9) wird früher offenbar. Dann verkündet Er, dass Er gekommen ist, um seine Schafe aus den Juden und den Nationen zu suchen. Und dann, nachdem Gott von Ihm gezeugt hat, dass Er der Sohn Gottes, der Sohn Davids und der Sohn des Menschen, der als solcher sterben musste, ist, finden wir keine Kontroverse mit den Juden mehr. Diese Angelegenheit ist schon erledigt. Wir finden vielmehr Mitteilungen an seine Jünger über die Vorrechte und die Stellung, die sie nach seinem Weggang geniessen würden. Dies bringt uns zu den Ereignissen zurück.
Gethsemane
Verse 1-11. Die wenigen Verse, die uns von Gethsemane berichten, stellen uns den Erlöser zuerst in seiner göttlichen Macht vor. Dann sehen wir, wie Er sich selbst für die Seinen hingibt. Schliesslich erkennen wir seinen vollkommenen Gehorsam als Mensch. Über das, was vor der Ankunft von Judas geschah, wird nichts gesagt. Doch dann fällt auf sein freiwilliges Bekenntnis hin, dass Er Jesus von Nazareth sei, die ganze Schar zu Boden, verwirrt durch die göttliche Macht, die sich in Ihm offenbarte. Er hätte problemlos Weggehen können, um ihnen zu entkommen. Doch dafür war Er nicht gekommen. Nachdem Er ihnen nochmals erklärt hat, dass Er derjenige sei, den sie suchten, fügt Er hinzu: «Wenn ihr nun mich sucht, so lasst diese gehen.» Damit wurde jenes Wort, das auch für uns so kostbar ist, erfüllt: «Von denen, die du mir gegeben hast, habe ich keinen verloren.» Er tritt selbst in die Bresche, damit die Seinen vor Schaden bewahrt werden.
Petrus zieht sein Schwert, schlägt den Knecht des Hohenpriesters und haut ihm das Ohr ab. Jesus heilt ihn. Doch Er tut es mit den Worten: «Den Kelch, den mir der Vater gegeben hat, soll ich den nicht trinken?» Das ist vollkommene Unterwerfung unter den Willen seines Vaters, während Er gleichzeitig zeigte, dass sie durch ein Wort von Ihm machtlos wurden, und Er frei gewesen wäre.