Einleitung
Die Kapitel 15–17 enthalten Worte des Herrn, die Er unter freiem Himmel gesprochen hat (17,1). Er spricht jetzt nicht über das Kommen des Geistes und über sein Hingehen zum Vater, sondern über das, was sie auf der Erde sein würden, nachdem Er weggegangen wäre. Er würde sich ein neues Zeugnis, ein neues Volk, in der Welt bilden.
Aus Kapitel 14,31 können wir ersehen, dass der Herr die Worte aus Kapitel 15 und 16 auf dem Weg vom Obersaal nach Gethsemane gesprochen hat. Der Wechsel des Ortes ist in Übereinstimmung mit dem Wechsel des Themas: In Kapitel 14 ging es um die großen Vorrechte in Verbindung mit der Stellung vor dem Vater (Obersaal), in Kapitel 15 um die Verantwortung der Jünger in der Welt entsprechend ihrer neuen Stellung.
Der Weinstock zeigt uns die Notwendigkeit, in Gemeinschaft mit dem Herrn zu sein. Auf einem anderen Weg können wir keine Frucht bringen (vgl. W. Kelly, Was von Anfang war, S. 251).
Johannes 13 zeigt uns, wie der Herr Jesus uns nach seinem Weggehen durch seinen Dienst im Himmel in Gemeinschaft mit Ihm und dem Vater erhält: Er wäscht uns beständig die Füße, Er wirkt durch das Wort Gottes in uns und nimmt dadurch die Verunreinigungen aus unserem Leben weg. In Kapitel 14 geht es um die neue Stellung, die wir, einsgemacht mit Ihm, vor dem Vater haben: „An jenem Tag werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin, und ihr in mir und ich in euch“ (14,20). Das ist die engst mögliche Beziehung zum Vater.
Der Genuss der Segnungen ist vom Gehorsam gegenüber den Geboten und dem Wort des Herrn abhängig. Nur so können wir uns in seiner Liebe und der Gemeinschaft mit Ihm erhalten. In Kapitel 15 geht es nicht um unsere Stellung vor dem Vater, sondern unser Zeugnis in der Welt. Beim Fruchtbringen geht es um unsere Verantwortung.
Die Hauptkennzeichen echter Frucht sind Liebe und Zeugnis. Das bestätigt Galater 5,22: die Aufzählung beginnt mit der „Liebe“.
Der Herr gebraucht in diesem Kapitel vier Bezeichnungen für die Jünger:
Jünger, die in der Schule Gottes vom Herrn selbst lernen, Schüler (V. 8)
Freunde, die in die Gedanken Gottes Einsicht bekommen haben (V. 15)
Knechte, die durch die Erfüllung des Willens Gottes in der Welt Feindschaft erfahren (V. 20)
Zeugen, die anstelle des Herrn ein Zeugnis in der Welt ablegen, aber auch über den Herrn. Wir sollten seine Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung bezeugen (V. 27)
Einteilung
Fruchtbringen – der Vater als Weingärtner (V. 1–8)
Eine neue Gemeinschaft der Liebe, in der allein Frucht gefunden wird (V. 9–17)
Die Welt ohne Christus – Hass gegen alles, was von Gott kommt (V. 18–25)
Der Sachwalter als Tröster und Zeuge der Herrlichkeit Christi (V. 26.27)
Vers 1
Ich bin der wahre {o. wahrhaftige} Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner {w. Ackerbauer}: Gott wünscht Freude von dieser Erde zu empfangen (Wein = Freude). Doch Er hat vergeblich auf Frucht von seinem irdischen Volk Israel gewartet (Jes 5,1-7; Jer 2,21-22; Ps 80,14-16; Hos 10,1; Hes 1530). Nun tritt der Herr an die Stelle Israels. Tempel, Priestertum, Opfer, Feste, Gesetz, Vorschriften und Riten werden in Kürze ihr Ende, bzw. ihre Erfüllung, finden.
Wahrhaftig [ajlhqinovς]: 1) wahrhaft(ig), untrüglich: 1a) im Gegensatz zu dem, was nur fiktiv, imaginär oder vorgetäuscht ist; als eine Realität im Kontrast zu einem Abbild, das nicht das wahre Wesen selbst hat, (Lk 16,11; Joh 1,9) u. a. 1b) zuverlässig (Gegenteil von unvollkommen, fehlerhaft oder falsch; Heb 10,22; Off 3,7.14; 6,10; 19,11) 2) wahr, der Wahrheit entsprechend, zuverlässig
Weinstock: Indem der Herr sich als der wahre Weinstock vorstellt, war für jeden Israeliten klar, was Er meinte. Er trat an die Stelle Israels. Das Versagen Israels im Fruchttragen zeigt sich in der Ablehnung Christi. Die Verwerfung Christi ist eine entsetzliche Frucht. Er bezieht seine Jünger in diese Stellung als Reben am Weinstock ein. Das Bild des Weinstocks entspricht nicht dem Bild des Leibes. Der Leib ist die untrennbare Einheit zwischen Haupt und Gliedern (Apg 9,4); der Weinstock das Bild der Beziehung zwischen Christus und Bekennern, die berufen sind, Frucht zu bringen.
Mein Vater ist der Weingärtner: Hier spricht der Herr zu seinen Jüngern von seinem Vater. Die Jünger kannten noch wenig den Vater. Sie hatten noch keine persönliche Beziehung zum Ihm. Den Vater zu kennen bedeutet auch, Ihn als den zu kennen, der Zucht ausübt (Heb 12).
30 Das Holz ist zu nichts nütze. Der große Wert des Weinstocks besteht im Fruchttragen.↩︎