Einleitung
Esau und Jakob hatten beide denselben Vater und dieselbe Mutter; dennoch haben sie sich völlig unterschiedlich entwickelt. Esau war der Erstgeborene, doch Gott hatte in seiner Souveränität festgelegt, dass der Ältere dem Jüngeren dienen würde (1Mo 25,23). Außerdem wusste Gott im Voraus um die sündige Entwicklung Esaus. Doch erst im letzten Buch des Alten Testaments Bibel finden wir den Ausspruch Gottes über ihn: „Esau aber habe ich gehasst“ (Mal 1,3). Das Böse musste erst sein Vollmaß erreichen, bevor der Herr das sagte. Obadja hat das endgültige Gericht des Volkes Edom, das von Esau abstammte, angekündigt.
Die Geschichte Edoms: Die früheren Länder Edom, Moab und Ammon befanden sich im Gebiet des heutigen Jordanien. Prophetisch könnte Edom ein Bild von Saudi-Arabien sein, doch wir wollen mit solchen Schlussfolgerungen vorsichtig sein; Moab ist eindeutig Jordanien. Edom spielt deshalb eine wichtige Rolle in der Schrift, weil der Stammvater ein Sohn Jakobs war.
Esaus Erwähnung als Edom (1Mo 25,30; 32,5)
Die Bildung des Volkes Edom in früher Zeit (1Mo 36)
Edom weigerte sich, Israel durch sein Gebiet ziehen zu lassen (4Mo 20,14-21)
David unterwarf Edom (2Sam 8)
Gott gebrauchte Edom zur Züchtigung Salomos (1Kön 11)
Edom kämpfte auf der Seite Israels und Judas gegen Moab (2Kön 3)
Parallelen zu Obadja (Joel 4,19; Jer 49,7-22; Ps 137,7; Klgl 4,21f.; Hes 25; 32; 35; 36, Amos 9,12; 4Mo 24,18). Möglicherweise kannte Jeremia Obadja. – Der Hass Edoms gegenüber Jakob wird insbesondere in Psalm 137,7; Hesekiel 25,12-14 und 35,15 beschrieben.
Obadja spricht nicht von der Eroberung Jerusalems durch die Chaldäer, sondern vom Eindringen von Fremden und von Plünderung. Beispiele solcher Einnahmen und Plünderungen sind:
im 5. Jahr Rehabeams durch den ägyptischen König Sisak (1Kön 14,25; ausführlich beschrieben in 2Chr 12,2f.)
unter Joram durch die Philister und Araber; sie führten Habe, Frauen und Söhne des Königs weg (2Chr 21,16ff.)
unter Amazja durch Joas (König von Israel), der einen Bruch in die Mauer machte (2Kön 14,13ff.; 2Chr 25,23ff.)
unter Jojakim (2Kön 24,1ff.; 2Chr 36,6ff.)
unter Jojakin (2Kön 24,10ff.; 2Chr 36,10ff.)
Wahrscheinlich hat Obadja vor Jojakim und Jojakin geweissagt. Vermutlich geht es bei der Einnahme Jerusalems um die Zeit Jorams (siehe 4.b).
Es gibt eine ganze Reihe Obadjas in der Schrift. Eine Identifikation mit diesem Propheten ist nicht möglich.
Edom lag früher im Gebiet des heutigen Süd-Jordaniens. Später waren in diesem Gebiet die Nabatäer. Gott hatte Edom das Gebirge Seir gegeben (1Mo 32,5; 33,14.16; 36,8.9.30; 4Mo 24,18; 5Mo 2,4ff.).
Die Edomiter bewohnten das im Einzelnen noch nicht genauer durchforschte Gebirge Seir, welches sich auf der Ostseite des Ghor (der Araba) von dem tiefen Felsenthale des in die Südspitze des Toten Meeres mündenden Ahsy bis Aela am roten Meere erstreckt und aus mächtigen, mit frischer Vegetation bedeckten Granit- und Prophyrfelsen besteht, die in hohen, steilen Sandsteinwänden westlich gegen das tief eingeschnittene Sandmeer des Ghor und der Araba abfallen, während es sich ostwärts ohne merkliche Erniedrigung in die weite arabische Sandwüste verliert [...], und ist reich an Klüften mit natürlichen und künstlichen Höhen, daher seine ältesten Bewohner Hortien d. h. Höhlenbewohner waren und auch die Edomiter zum Teil wenigstens in Höhlen wohnten. Die Hauptstadt Sela (Petra) im Wady Musa, von deren einstiger Herrlichkeit noch zahllose Überreste von in die Felsen eingehauenen Grabmälern, Tempeln und anderen Bauwerken Zeugnis geben ... (Keil).
Weitere Einzelheiten über Edom
Edom: Im Altertum bewohnte Edom das Hochland östlich der Araba-Senke zwischen dem Südende des Toten Meeres und dem roten Meer, seit dem 13. Jh. v. Chr. Gebiet der aramäischen Edomiter. Im 5. Jh. v. Chr. wurden die Edomiter von den Nabatäern verdrängt und wanderten nach Westen (Idumäa). Um 125 v. Chr. gliederte sie Johannes Hyrkanus durch Zwangsbeschneidung der Jüdischen Kultgemeinde ein.
Petra: Ruinenstätte und Felsenburg in Südjordanien zwischen dem Totem Meer und dem Rotem Meer, im Altertum wichtiger Knotenpunkt im Karawanenverkehr von Süd-Arabien nach Syrien; Hauptstadt des Nabatäerreichs bis zur Eroberung durch die Römer. Petra, im 4. Jh. n. Chr. Noch Hauptstadt der röm. Provinz Palästina, verlor durch Verlagerung der Karawanenwege nach Palmyra seit dem 3. Jh. an Bedeutung und verfiel nach Eroberung durch die Araber (629/32). Ausgrabungen (seit 1929) legten verschiedene Bauten der Stadt frei. Mehrgeschossige Grabanlagen sind in die Felsen hineingearbeitet (seit dem 1. Jh. v. Chr.) Ihre kunstvollen Fassaden zeigen eine Mischung hellenistisch-röm. Tempel- und Fassadenarchitektur). (Gr. Brockhaus).
Die Gegend ist sehr felsig, mit steilen Abhängen, wie schon aus dem Bericht in 2. Chronika zu ersehen ist: Amazja, der König von Juda, schlug die Edomiter im Salztal, zehntausend Mann, und nahm Sela ein im Streit, und er gab ihm den Namen Joktheel bis auf diesen Tag (2Kön 14,7). – Amazja aber fasste Mut und führte sein Volk aus; und er zog ins Salztal und schlug die Kinder Seir, zehntausend Mann. Und die Kinder Juda führten zehntausend lebendig gefangen und brachten sie auf die Spitze eines Felsens [von Sela] und stürzten sie von der Spitze des Felsens hinab, so dass sie allesamt zerbarsten (2Chr 25,11ff.). – Von dort brachte Amazja die Götter Edoms mit nach Hause und verehrte sie, was zu seinem Untergang führte.
Nabatäer: In der Antike mächtiger nordwestarabischer Volksstamm, der seit dem 5./4. Jh. v. Chr. im Gebiet der Edomiter sesshaft wurde. Ursprünglich Nomaden und Karawanenführer, wurden sie durch die Kontrolle der Handelswege von Südarabien nach dem Mittelmeergebiet allmählich auch politisch bedeutsam. Sie dehnten im 2./1. Jh. v. Chr. ihre Macht nach Syrien aus, wo König Aretas III. (87–62 v. Chr.) Damaskus eroberte. Die Hauptstadt war Petra. – Idumäa ist der griechische Name Edoms in Israel.
Das Buch Obadja und damit das Handeln Gottes mit einem Feind des Volkes Gottes ist ein Beispiel der langen Geduld Gottes. Doch es kommt ein Punkt, wo Geduld ein Gutheißen der Sünde wäre (vgl. W. Kelly, Obadja, S. 167).
Dieser Feind kannte Gott sehr gut, weil er ein Sohn Isaaks war. Gott hatte über Esau bereits vor der Geburt eine Prophezeiung gegeben. Es ist immer gut, Gottes uneingeschränktes, souveränes Handeln anzuerkennen! Das hat Esau nicht getan! Er neidete Jakob den Segen. Was für ein Fluch war das Handelns Esaus für seine Nachkommen. – Gott verkündet seinen Hass im letzten Buch des Alten Testaments (Maleachi), nicht früher.
Literatur
Darby, J. N, Betrachtungen über das Wort Gottes – Obadja
Kelly, William, Der Prophet Obadja, https://biblische-lehre-wm.de/wp-content/uploads/AT-31-Obadja-WKelly-D.pdf
Rossier, Henry, Der Prophet Obadja, Neustadt/Weinstr.
Einteilung
Edom vertraut auf seine Felsensitze (V. 1–6)
Edom ist betrogen worden und verzagt (V. 7‒9)
Die Ursache des Untergangs Edoms (V. 10–14)
Vergeltung für Edom und alle Völker am Tag des Herrn (V. 15.16)
Jakob bekommt die Wohnsitze der Heiden (V. 17–19)
Der versprengte Teil wird zurückkehren (V. 20)
Retter auf dem Berg Zion, die Edom richten: Das Reich gehört dem Herrn (V. 21)
Vers 1
Gesicht Obadjas. So spricht der Herr, Herr, über Edom: Eine Kunde haben wir von dem Herrn gehört, und ein Bote ist unter die Nationen gesandt worden: „Macht euch auf und lasst uns gegen es aufstehen zum Kampf“: Gott gibt einen Entschluss bekannt; außerdem sendet Er einen Boten unter die Völker: offensichtlich ein Volk, das andere zum Krieg versammelt. Wir finden hier keine Zeitangabe.
Alle Kriege gehen letztlich von Gott aus: „Und der Herr ließ ... regnen von dem Herrn“ (1Mo 19,24). Einmal wird Gott das Böse Edoms ins Gericht bringen. Gott wird die umliegenden Völker zum Gericht benutzen; Er führt sie herbei (Jes 13,17; Jer 51,1.11; Hab 1,6). Krieg war immer in der Hand Gottes ein Mittel zur Züchtigung oder zum Gericht.1
1 „Gott bezeugt seinen Zorn: Denn sehen wir das Leibliche an, so müssen wir bekennen, dass von ziemlicher Zeit her die dieser Kirche angehörigen Reiche und Länder, wenn auch in unterschiedlichen Graden und zu unterschiedlichen Fristen, alle oft erfahren haben müssen die Plagen wie Pest, Hunger und sonderlich stetswährende oder doch öfter wieder aufbrechende Kriege. Mit ihnen pflegt nach der Schrift der gerechte Gott seinen Zorn zu bezeugen und anzudeuten. Ich halte aber gleichwohl solche Trübsale für das geringste, ja für eine Wohltat, wodurch Gott noch viele der Seinen erhalten und dem Schaden etwas gewehrt hat, der durch leibliches Wohlergehen noch verzweifelter würde“ (Philipp Jakob Spener, Pia desideria, S. 10, Brunnen).↩︎