Behandelter Abschnitt Obad 1-21
Die Geschichte Edoms ist in der ganzen Schrift von großem Interesse, da sie die Wege Gottes mit einem Volk zeigt, das Israel ähnlich ist, aber dessen Schicksal sich mehr und mehr von dem des auserwählten Volkes Gottes entfernt. Wir finden erste brüderliche Rücksichtnahme, sogar bei Obadja – Zärtlichkeit und Sehnsucht nach dem Bruder Edom. Es kommt die unvermeidliche Krise, das Gericht über die frühe Sünde, die immer deutlicher wird, bis schließlich die Geduld ein Gutheißen der Bosheit wäre. Gleichzeitig sehen wir in der Geschichte Edoms das Prinzip der moralischen Verantwortung sorgfältig aufrechterhalten, das Gott niemals aufgibt, sondern unverbrüchlich wahr und heilighält, da es auf die Feinde Gottes und auf seine Freunde gleichermaßen anwendbar ist. Dennoch finden wir auch das, was wir daneben nicht vergessen sollten – die souveräne Weisheit Gottes, der es von Anfang an weder nötig hatte, etwas von den Menschen zu erfahren, noch Gründe zu haben, um seinen Willen zu bestimmen. Er führte seine eigenen Gedanken und Absichten aus, sogar vor der Geburt der Kinder Isaaks. Es war so angeordnet, dass der Charakter des Fleisches offenbar werden sollte, nicht nur dort, wo es in der Familie Böses gab, sondern dort, wo es Glauben gab. Isaak zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Frömmigkeit aus, zweifellos durch einen häuslichen und ausgeglichenen Charakter in der zurückgezogenen Ruhe eines gottesfürchtigen Hauses, so entschieden wie Abraham durch eine stärkere und sich selbst verleugnende Gemeinschaft mit Gott.
Abrahams Glaube wurde in einem vielfältigeren und auffälligeren Bereich ausgeübt. Es gab mehr öffentliches Zeugnis bei dem Mann, den Gott als seinen Freund bezeichnete. So wie Isaak eher zurückhaltend war, so neigte er ebenfalls dazu, übermäßig nachzugeben, wenn er versucht wurde. Er selbst war der auserwählte Erbe nach der Aussetzung des Sohnes der Magd, Ismael, und es war in seiner Familie, unter den Zwillingssöhnen nicht nur Isaaks, sondern auch Rebekkas, vom gleichen Vater und der gleichen Mutter, dass Gott seine Souveränität erneut ausübte. Es ist unmöglich, eine größere Nähe zu finden, was die Umstände betrifft. Umso bemerkenswerter ist es, dass Gott noch vor ihrer Geburt das endgültige und unterschiedliche Schicksal der beiden Söhne ankündigte. Wie an anderer Stelle bemerkt wurde, ist es offensichtlich, dass die beiden nicht genau denselben Platz einnehmen konnten, wenn es Gott nicht gefallen hätte zu erwählen. Sollte Gott also seinen Anspruch aufheben oder es dem Menschen überlassen, nur unter dem Einfluss Satans zu stehen? Es war also sehr passend, dass Er erwählte, wer den höheren Platz haben sollte. Gleichheit besteht niemals; und sie konnten nicht beide mit dem Erstgeburtsrecht ausgestattet werden. Einer muss für den besseren Platz erwählt werden. Die Ordnung entweder des Fleisches oder der Auserwählung Gottes muss sich durchsetzen. Was ist am richtigsten? Sicherlich behält Gott, wie groß auch immer seine Gnade sein mag, immer seine eigene Souveränität bei. Er erwählte also Jakob, den Jüngeren, und nicht Esau, denn das hätte nur dem Menschen im Fleisch Bedeutung geben können – dem Menschen, wie er in seinem gefallenen Zustand ohne Gott ist. Unmöglich, dass Er den Fall oder seine Folgen sich selbst überlässt: Deshalb erwählt und handelt Er.
Gleichzeitig ist es bemerkenswert, dass, während das erste Buch der Bibel von Anfang an auf die Auserwählung Gottes hinweist, Er sich bis zum letzten Buch des Alten Testaments nicht völlig, umfassend und absolut moralisch zu Esau äußert. Erst in Maleachi sagt Er: „Esau aber habe ich gehasst“ (1,3). Ich könnte mir nichts Schrecklicheres vorstellen, als wenn dies im ersten Buch Mose gesagt worden wäre. Niemals stellt die Schrift Gott so dar, dass Er etwas sagt, bevor das Kind geboren war und seine Ungerechtigkeit und stolze Bosheit offenbart hatte: „Esau aber habe ich gehasst.“ Dort sind die Gedanken des Menschen so falsch. Es ist jedoch nicht gemeint, dass Gottes Auserwählung durch den Charakter der Individuen bestimmt wurde. Das hieße, der Mensch wäre der Herrscher und nicht Gott. Das ist nicht so: Gottes Auserwählung entspringt seiner eigenen Weisheit und Natur. Sie passt zu Ihm und ist seiner würdig; aber die Verwerfung eines Menschen und eines Ungläubigen ist niemals eine Frage der Souveränität Gottes. Es ist die Auserwählung Gottes, Gutes zu tun, wo und wie es Ihm gefällt; es ist niemals die Absicht seines Willens, irgendeinen Menschen zu hassen. Eine solche Lehre gibt es in der Bibel nicht.
Ich behaupte daher, dass die Auserwählung zwar eine ganz klare und biblische Wahrheit ist, dass aber die Konsequenz, die die Menschen aus der Auserwählung ziehen, nämlich die Verwerfung der Nichterwählten, eine bloße Wiedergabe des Fatalismus ist, der einigen Heiden und allen Moslems gemein ist, die unbegründete Schlussfolgerung des menschlichen Denkens in göttlichen Dingen. Aber das menschliche Denken in den Dingen Gottes, das sich nicht auf die göttlichen Offenbarungen seiner Gedanken in seinem Wort gründet, ist zu nichts gut, sondern wesentlich und ausnahmslos falsch. Es ist für den Menschen unmöglich, abstrakt über den Willen Gottes gerecht zu denken. Der einzig sichere oder angemessene Grund ist, sich an die einfache Darstellung seiner eigenen Erklärungen zu halten; und das aus dem sehr einfachen Grund, dass ein Mensch aus seiner eigenen Einsicht heraus argumentieren muss, und seine eigene Einsicht ist in der Tat weit davon entfernt, Gottes Einsicht zu sein. Vernunft bedeutet Schlussfolgerung nach den notwendigen Gesetzen des menschlichen Verstandes. Hier aber, wo die Grundlage der Wille Gottes ist, muss der Glaube, um richtig zu denken, von dem ausgehen, was Gott ist, gemäß dem, was Er selbst sagt. Die Gefahr ist, aus dem, was der Mensch ist, und aus dem, was der Mensch fühlt, zu folgern. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen dem, was vertrauenswürdig ist, und dem, was in Fragen dieser Art wertlos ist. Der Mensch muss sich unterwerfen, um von Gott und seinem Wort beurteilt zu werden, nicht um für Ihn zu urteilen. Kein Mensch ist befugt, an seiner Stelle zu denken oder zu sprechen. Aber wir dürfen und sollen lernen, was Er uns von sich und seinen Wegen in seinem Wort gesagt hat.
Es gibt auch keine ernsthafte Schwierigkeit, noch weniger einen Widerspruch zu dem, was hier gesagt wird, in der biblischen Tatsache, die oft bei der Diskussion von Punkten wie diesem vorgebracht wird – die Verstockung des Pharaos. Es lässt sich leicht zeigen, dass ein solches gerichtliches Handeln von Seiten Gottes zweifellos gerecht ist. Die Schrift lässt uns den stolzen, grausamen und lästerlichen Charakter des Pharaos vor der Verstockung sehen; noch spricht sie davon, dass der Herr sein Herz verstockte, bis er sich völlig dem Eigenwillen und der Verachtung Gottes hingegeben hatte. Aber was die so ausgedrückte Sache betrifft, so glaube ich, dass es sich um eine wirkliche Zufügung Gottes wegen eines rebellischen Widerstands gegen seine Forderungen und seine Autorität handelt.
Es mag nun ein solcher Umgang mit einem Menschen sein, aber Er verhärtet ihn nicht in erster Instanz, dass er nicht glauben soll; sondern nachdem er gehört und sich geweigert hat zu glauben, versiegelt Gott ihn in einem verstockten Zustand. Das ist aber in keinem Fall die erste Handlung Gottes, sondern die letzte, gerichtliche und vergeltende, wenn er ein angemessenes und treu gegebenes Zeugnis missachtet hat. Das Herz jedes Menschen, wenn es einfach ist, beugt sich von innen heraus vor der Wahrheit Gottes. Wenn es ungekünstelt ist (ich sage nicht bekehrt), empfinden wir, wie rechtschaffen, heilsam und gut das alles ist. Alles, was den offenbarten Charakter und die Gedanken Gottes verzerrt oder gar ignoriert, ist falsch und wird immer zu falschen Schlussfolgerungen führen. Aber im Allgemeinen besteht der Fehler nicht so sehr in falschen Ableitungen aus der Schrift, sondern in menschlichen Vorurteilen und bloßem Theoretisieren.
Es gibt calvinistische Spekulationen genauso wie arminianische. Es scheint mir, dass beide Schemata unzweifelhaft parteiisch sind und der Wahrheit Gewalt antun. Die praktische Lektion ist, Vertrauen nur in Gottes Wort zu hegen. Wir können sicher in seiner Offenbarung ruhen, so wie wir verpflichtet sind, in ihr zu ruhen. Die besten Männer, die, die am meisten im Dienst helfen, sind anfällig für Irrtümer; und wir müssen uns davor hüten, durch bloßes Auswechseln von Namen in die alte Schlinge der Tradition oder des Vertrauens auf Menschen zu fallen. Unser eigener Tag bietet keine bessere Sicherheit als ein anderer. Vertrauen wir auf Gott und das Wort seiner Gnade, das uns aufrichten kann! Nichts anderes kann uns auf die Dauer vor Illusion und Falschheit bewahren. Im Gegenteil, wenn der Mensch anfängt, sich etwas anzumaßen, geht er in die Irre, ganz gleich, wie seine Stellung ist. Muss ich euch, die ihr hier seid, sagen, dass, wenn dies ein gerechtes Empfinden an sich sein sollte, es in Bezug auf uns selbst genauso stark empfunden werden sollte wie in Bezug auf andere?
Unsere einzige Sicherheit liegt in der einfachen und bedingungslosen Unterwerfung unter das Wort Gottes. Dazu brauchen wir die Führung des Geistes. Aber wir sind nie sicher, die lenkende Kraft des Geistes bei uns zu haben, es sei denn, das Auge ist allein auf Christus gerichtet. So sind diese drei Sicherheiten immer zusammen, wo wir recht stehen; und wenn sie nicht alle von uns verwirklicht werden, gibt es keine wirkliche Befreiung von uns selbst noch Gewissheit über den Sinn und Willen Gottes. Der Versuch, das Wort Gottes ohne die Belehrung des Geistes zu gebrauchen, führt in den Rationalismus. Die Anmaßung, das Wirken des Geistes Gottes ohne das Wort zu haben, führt in den Fanatismus. Aber wir brauchen neben dem Wort und dem Geist ein Band (wenn ich so sagen darf) zwischen ihnen, um uns fest und sicher, aber dennoch abhängig und demütig zu halten; und dieses Band der anziehenden Kraft, das sowohl das Wort als auch den Geist Gottes zusammenhält, ist, dass wir unser Auge auf Christus gerichtet halten. So wird Christus anstelle des Ichs (der wahren Wurzel aller Fehler) unser Gegenstand – der zweite Mensch und nicht der erste.
Das ist also, wenn man die Bemerkung über die Verstockung des Pharaos weglässt, die frühe Offenbarung über Esau, der selbst der Stammvater der Edomiter war; aber wir haben auch die Geschichte, die durch die Schrift verfolgt wird. Sie gelangten früh zu beträchtlicher Macht und Bedeutung. 1. Mose 36 gibt uns den Aufstieg und die Entwicklung ihrer nationalen Größe, die Linie zuerst ihrer Fürsten, wie sie genannt werden, was in der modernen Sprache wahrscheinlich den Scheichs ihrer Stämme entsprechen würde; und dann später der Könige, die im Land Edom regierten, bevor irgendein König über die Kinder Israels regierte. Diese Könige könnten wir, so nehme ich an, Emire nennen, das heißt, vielleicht nicht im absoluten Sinne eines Königs, sondern eher eines Häuptlings für gemeinsame Zwecke; denn unter diesen Söhnen Edoms gab es ein großes Maß an Unabhängigkeit, wenn man bedenkt, dass sie Orientalen waren. In der Tat ist es bei den verwandten Kindern der Wüste immer noch so. Obwohl der Emir beträchtliche Rechte und Privilegien haben mag, behalten die Unterhäuptlinge nicht wenig Unabhängigkeit für sich. Diese verschiedenen Stadien des Gemeinwesens waren beide in der frühen Geschichte Edoms entwickelt. Sie hatten Fürsten und sogar Könige, die in ihrer Mitte gediehen, als die Kinder Israels als Ganzes unklar und unbeständig waren. Sie hatten sogar ihre reguläre Linie von Königen – wie wir mit Sicherheit aus einem sehr interessanten Vers wissen, der dem Rationalismus eine neue Gelegenheit bietet, seinen unwissenden und selbstgenügsamen Unglauben zu entlarven – lange bevor die Kinder Israel Saul auf den Thron beriefen; nein, ich würde sagen, bevor sie aus der Wüste kamen. Ich vermute, ohne in der Sache sicher zu sein, dass es der Aufenthalt Israels in der Wüste war, der ungefähr die Epoche des Wechsels von ihren einfachen Fürsten, wie sie in der Schrift genannt werden, zu ihren Königen darstellte. Meine Begründung dafür ist Folgende: Während wir in 2. Mose 15,15 hören, dass die Fürsten von Edom bestürzt waren, lesen wir in 4. Mose 20,14 von dem König von Edom, der den Kindern Israel nicht erlaubte, durch sein Land zu ziehen. Obwohl sie versprachen, nicht von ihren Wassern zu trinken oder ihre Früchte anzurühren, ohne dafür zu bezahlen, verweigerte er absolut und rücksichtslos diese Gunst, die ihn selbst nichts kostete, aber für das Volk Gottes von Bedeutung war. Es scheint also, dass beim Eintritt Israels in die Wüste noch der alte Zustand einer Anzahl unabhängiger Oberhäupter herrschte, aber bevor sie die Wüste verließen, herrschten Könige in rascher Folge, wie es zu einer solchen Zeit und in einem solchen Zustand wohl sein mag.
Aber wie auch immer man das beurteilen mag, das Herannahen der Kinder Israels brachte die Gefühle der Edomiter auf die Spitze. Das ist immer so. Niemand kennt sich selbst, bis er mit dem, was von Gott ist, in Berührung kommt. Das ist der wahre und entscheidende Prüfstein für einen Menschen. Daher ist Christus der vollkommene Prüfstein sowie der Standard, weil Er allein die vollkommene Offenbarung Gottes ist. Er ist Gott, aber dann ist Er Gott im Menschen; und deshalb wird Er, indem Er zu uns herabkommt, in unserer Mitte lebt, spricht, handelt und leidet, zur vollständigsten, ja absoluten Prüfung der menschlichen Natur. Als das wahre Licht machte Er jeden Menschen offenbar, dem Er begegnete. Und so ist es bis zum heutigen Tag, obwohl Er nicht hier auf der Erde ist. Gewiss, Er ist im Himmel; aber die Verkündigung seines Namens und seiner Wahrheit hat die gleiche wesentliche Wirkung wie seine Anwesenheit, als Er hier auf der Erde war, wenn nicht sogar noch eine größere, denn jetzt wird im Evangelium die wichtigste denkbare Ergänzung zur Macht seiner Person in der Wirksamkeit seines Werkes verkündet. Doch leider wird die menschliche Natur durch beides zum Stolpern gebracht. Es ist eine Beleidigung für den Menschen, jemanden zu finden, der ein Mensch ist, und der niedrigste aller Menschen, und doch unendlich größer als Adam und alle seine anderen Söhne – jemand, dem der Mensch niemals gleichkommen oder sich Ihm auch nur annähern kann, der sich aber gleichzeitig in Gnade zu den Niederträchtigsten und Schlimmsten herabbeugt, um sich über sie zu erbarmen und durch den Glauben zu retten.
Nun gibt es nichts, was das Gemüt des Menschen mehr stört als eine solche Herablassung, besonders von jemandem, dem er Unrecht getan hat, denn sie sagt ihm nur, wie wertlos, schuldig und verdorben er selbst ist. Folglich ist die rettende Gnade Gottes in Christus unvergleichlich anstößiger, als wenn Er ein Gesetzgeber wie Mose gewesen wäre, denn das hätte immerhin noch einen gewissen Spielraum für die Fähigkeiten des Menschen, für seine Vernunft und für seine Verdienste gelassen; aber als nichts anderes als ein Sünder behandelt zu werden, ist die größtmögliche Beleidigung; was folglich das Kreuz Christi nicht verfehlt, ohne sich vor dem Menschen zu verstellen, denn es ist die vollste Offenbarung der menschlichen Wertlosigkeit auf der einen Seite und der Gnade Gottes auf der anderen.
So war es in gewissem Maß, wenn auch gewiss schlecht dargestellt, in Israel als denen, die Gott auserwählt hat vor Edom und seinen Kindern. Diese mögen individuell noch so anständig gewesen sein – wahrscheinlich in der Regel weit davon entfernt, so finster und verdorben zu sein wie ihre kanaanitischen Nachbarn; aber als das Schicksal Israels anbricht, kommt die Feindschaft ihrer Herzen voll zum Vorschein. Obwohl nichts respektvoller und aufrichtiger sein konnte als die Annäherungsversuche Moses und der Kinder Israel, wurde der Hass der Edomiter ganz unverkennbar. Sie wollten auf nichts anderes hören als auf die bösartigen und stolzen Vorschläge ihres eigenen Herzens. Gott zeigt seinen Charakter auf die bewundernswerteste Weise. Nach seinem Willen wendet sich das Volk ab, obwohl es durch seine Entscheidung dazu berufen war, das erste der Völker dieser Welt zu sein. Die Israeliten Volk nehmen die grundlose Beleidigung ihres Bruders Edom mit Gelassenheit hin, und das auf ausdrücklichen Befehl Gottes, der sein Volk Geduld lehren will.
Es ist immer gut für jemand, der bald Macht ausüben wird, die Übung zur Geduld zu lernen. Aber hat Gott damit nicht, soweit es ging, deutlich gemacht, wie Er sein Volk auf diese Weise leitet und erzieht? Sie kehren um, nehmen die Anmaßung ihrer Verwandten sanftmütig hin und halten sich ruhig an die Führung des Herrn, der in ihrer Beleidigung beleidigt wurde. Aber noch mehr als das: Sie werden ermahnt, die freundlichsten Empfindungen gegenüber diesen Edomitern zu hegen, ein Gebot, das in den Inhalt des Gesetzes aufgenommen wurde. Was auch immer der Ausschluss anderer sein mag, im fünften Buch Mose finden wir ausdrücklich festgelegt, dass ein Edomiter nach der dritten Generation in die Versammlung des Herrn aufgenommen werden darf (23,8.9). Eine ungewöhnliche Erlaubnis, wenn man sie so nennen darf, und ein besonderes Vorrecht an sich; aber wie auffallend ist es, dass sie ausgerechnet auf diejenigen ausgedehnt wurde, die ihre Verwandtschaft mit Israel so entschieden missachtet hatten wie diese Söhne Edoms.1 All dies erscheint umso lehrreicher, als im Fall eines Ammoniters oder Moabiters der Eintritt bis zur zehnten Generation verweigert wurde. So ist der wahre Gott: Niemand außer Ihm hätte an einen solchen Kurs gedacht; nur Er selbst befahl es seinem Volk; denn es war das, was solche, die seinen Namen lieben, empfinden und danach handeln sollten.
Aber es gibt noch ein anderes Prinzip. Je größer die Geduld Gottes ist, je schlechter sich der Mensch in Gegenwart seiner Güte und Geduld verhält, umso gewaltiger muss das Gericht sein, wenn es kommt. Dies können wir in der letzten Geschichte Edoms lesen. Zweifellos gibt es in diesen Tagen des Unglaubens viele, die meinen, Edom sei untergegangen; und sicherlich wäre es für jeden Ethnologen schwierig, zufriedenstellend herauszufinden, wo und wer die Edomiter gerade jetzt und für viele Jahrhunderte vor unserem Tag sind. Aber wenn wir von Schwierigkeiten sprechen, müssen wir uns daran erinnern, wem sie wirklich gehören. Wenn es eine Frage des Menschen ist, stehen unbestritten enorme Hindernisse im Weg; aber es liegt außerhalb unseres Maßes und ist einfach Gottes Sache und seinen Wortes. Ich stehe also ganz bewusst und deutlich dazu, dass der Edomiter nicht ausgestorben ist – dass er unter anderen Namen fortbesteht, die der Mensch jetzt unmöglich aufspüren kann. Aber es gibt noch eine andere und damit zusammenhängende Tatsache, die ebenso wunderbar ist, aber weniger allgemein anerkannt wird. Das alte Volk Gottes, die zwölf Stämme Israels, ist noch nicht als Ganzes hervorgekommen.
Es entspricht also der Ähnlichkeit des göttlichen Umgangs mit seinem Volk, dass Er auch seine Feinde aufruft, zum Vorschein zu kommen. Daher wird Gott im selben kritischen Moment, in dem Er das auserwählte Volk aus dem Staub der Jahrhunderte auftauchen lässt, in dem es begraben und größtenteils unbekannt war, auch den Schleier entfernen, der noch unter anderem das verwandte Volk der Edomiter mit ihrem unsterblichen Hass gegen die Kinder Israels verbirgt. Der große und endgültige Konflikt des Zeitalters wird dann ohne weitere Verzögerung eintreten. Das ist zweifellos die Darstellung der Propheten; und ich glaube, dass sie nicht den gegenwärtigen Erscheinungen oder den Hoffnungen und Ängsten der Menschen entsprechen.
Lass mich hier auf ein bekanntes Kapitel in Jesaja hinweisen, um zu beweisen, was ich soeben besaht habe: Jesaja 11. Die Zeit, von der hier die Rede ist, ist die, in der der Messias sein Reich hier auf der Erde errichten wird, wovon das Kapitel in der Tat unbestreitbar handelt, wenn jenes gesegnete Bild des Friedens und der Freude verwirklicht wird, wenn der Messias die Geringen in Gerechtigkeit richten und den Sanftmütigen Recht sprechen wird in Gerechtigkeit, nachdem Er die Erde mit der Rute seines Mundes schlagen und mit dem Hauch seiner Lippen den Gottlosen getötet hat. Wir wissen, dass dies genau die Stelle ist, die der Apostel Paulus auf das Erscheinen des Herrn Jesus in Herrlichkeit anwendet, wenn Er den Menschen der Sünde vernichtet.
Jeder einsichtige Gläubige weiß, dass dieses Gericht noch nicht vollendet ist, sondern dass es auf die Wiederkunft Christi wartet. Außerdem machen die Eigenschaften der Erde und ihrer Bewohner, rational und irrational, jeden Beweis überflüssig, um sicher zu sein, dass die Veränderung in der Zukunft liegt; denn zu welcher Zeit, seit die Sünde in die Welt gekommen ist, hat der Wolf sich beim Lamm aufgehalten und der Leopard sich beim Ziegenbocken gelagert? Es ist ein Tag, der noch nicht stattgefunden hat, an dem das Kalb und der junge Löwe und das Mastvieh zusammen sein werden, und ein kleiner Knabe wird sie treiben. Dann, nicht vorher, „denn die Erde wird voll Erkenntnis des Herrn sein, wie die Wasser den Meeresgrund bedecken“ (Jes 11,9). Ist es zu stark, es als so absurd wie ein Märchen zu bezeichnen, wenn jemand behauptet, dass es in der Welt die kleinste Annäherung an eine solche Freude gibt oder jemals gegeben hat? Ich besitze tiefere Freuden des Heiligen Geistes inmitten von Menschen, die von der Welt zu Christus abgesondert sind; aber hier geht es um die Erde, die Völker, die Geschöpfe Gottes im Allgemeinen. Es ist die schöne Zukunft Gottes, wenn sein Gesalbter in Zion regieren wird, wenn es nicht wie jetzt die himmlische Herrlichkeit sein wird, die uns durch die Gnade des Glaubens eröffnet wird, sondern wenn die Erde und die ganze Schöpfung die Glückseligkeit dessen erkennen wird, der kommen wird, um der König zu sein, der, da Er ihr Schöpfer ist, nichtsdestoweniger gestorben ist, damit Er nicht nur den Gläubigen, sondern alle Dinge mit Gott versöhnen konnte. Der Herr wird es zu seiner Zeit tun.
Mitten in Jesajas faszinierender Beschreibung lesen wir dann: „Und es wird geschehen an jenem Tag, da wird der Herr noch ein zweites Mal seine Hand ausstrecken, um den Überrest seines Volkes, der übrig bleiben wird, loszukaufen aus Assyrien und aus Ägypten und aus Pathros und aus Äthiopien und aus Elam und aus Sinear und aus Hamat und von den Inseln des Meeres“ (11,11). Und damit nicht der geringste Zweifel aufkommt, sagt er: und Er wird „die Vertriebenen Israels zusammenbringen, und die Zerstreuten Judas wird er sammeln“ (11,12). Was kann man sich deutlicher vorstellen als dies? Es wird nicht nur die Wiederherstellung des alten Volkes sein, sondern seine geistige Erneuerung. „Und der Neid Ephraims wird weichen, und die Bedränger Judas werden ausgerottet werden; Ephraim wird Juda nicht beneiden, und Juda wird Ephraim nicht bedrängen“ (11,13).
Nun zur Wiederbelebung der offensichtlichen Existenz ihrer alten Feinde. „Und sie werden den Philistern auf die Schultern fliegen nach Westen“ (11,14a). Die Philister werden zu Lastträgern. So wie sie die Israeliten in früheren Zeiten mit der größten Demütigung behandelt haben, werden sie jetzt gezwungen sein, ihre Diener zu sein. Eine sehr gute Sache also, dass sie sogar Diener sein dürfen. Gott hätte sie in strenger Gerechtigkeit ausrotten können; aber Er ist gut, und so heißt es: Und sie „werden miteinander plündern die Söhne des Ostens; an Edom und Moab werden sie ihre Hand legen“ (11,14b).
Deutet dies nicht an, was ich beweisen möchte – dass Edom eines jener Gebiete und Völker ist, die Gegenstand des Handelns Gottes bei der zukünftigen Wiederherstellung Israels sein werden? Wir müssen bedenken, dass das tausendjährige Werk Gottes nicht an einem Tag vollbracht werden wird – zweifellos an jenem Tag, aber nicht an einem Tag. Der Tag des Herrn ist eine beträchtliche Zeit. Meiner Meinung nach umfasst er das ganze Jahrtausend und noch ein wenig mehr. Er umfasst einen Zeitraum, bevor das Friedensreich beginnt, und einen Zeitraum danach, wenn das Friedensreich, wie es richtig heißt, vorüber ist. Es umfasst die vorbereitenden Handlungen des Herrn, in denen Er den Grund für seine Herrschaft des Friedens und der Herrlichkeit über die Erde legen wird; und es wird auch eine Zeitspanne enthalten, nachdem das Friedensreich vorbei ist, wenn Satan, losgelassen aus dem Abgrund, seine letzte Anstrengung durch Gog und Magog zu seiner eigenen Zerstörung sowie der seiner Anhänger unternehmen wird.
Alle diese Ereignisse und auch der große weiße Thron – das heißt das ewige Gericht über die bösen Toten von Anfang an – sind Teil des Tages des Herrn. Es ist daher offensichtlich, dass der Tag des Herrn ein Ausdruck ist, der, wie wir gesehen haben, in seinem zentralen Teil die tausendjährige Herrschaft Christi umfasst, aber auch Ereignisse wichtiger Art einschließt, die dieser Herrschaft vorausgehen und folgen. Das alles gehört zum Tag des Herrn. So spricht die Schrift, und die Schrift kann nicht gebrochen werden.
Dies mag also dazu dienen, zu zeigen, dass Edom nicht, wie allgemein angenommen wird, unter nicht unerheblicher Veränderung des prophetischen Wortes untergegangen ist. Der Edomiter ist nicht ausgestorben, wenn auch vorläufig nicht als solcher zu sehen, wie er lange Zeit gewesen ist – sicherlich unbekannt für uns Westler. Aber dieser Volksstamm existiert mit Sicherheit für Gott, genauso wie die zehn Stämme; und wenn der Tag kommt, an dem Er an den Nationen der Welt Vergeltung übt, müssen all diese verschiedenen Parteien zum Guten oder zum Schlechten wieder hervorkommen. Das ist die Stimme der Heiligen Schrift. All dies bezeugt offensichtlich den lebendigen Wert des Wortes Gottes, selbst in dem, was äußerlich und fern erscheinen mag. Anstatt nur von ausgestorbenen und verschwundenen Völkern zu sprechen, deren tote Knochen von Historikern mit schmerzlicher Ungewissheit aus ihren Gräbern gezogen werden, um als Gegenstände der Neugierde betrachtet zu werden, finden wir in den Schriften deutlich die unbestreitbaren Eigenschaften nicht nur Gottes und seines Volkes, sondern auch der Völker, die sich ihnen widersetzten, dargelegt; denn mit diesen wird Gott noch mit Sicherheit handeln.
Daher wird man feststellen, wie es mir vor vielen Jahren aufgefallen ist, dass man von den Völkern sagen kann, dass sie bestimmte moralische Züge haben, die einen Charakter ausmachen. So war der hervorstechende Charakterzug Edoms der Neid gegenüber dem Volk Gottes. Wir finden das bei keinem anderen Volk so ausgeprägt. Nehmen wir ein anderes Volk, das mit Edom in Verbindung steht, wie wir es in dieser Prophezeiung von Obadja finden werden. Könnte man sagen, dass die Feindschaft gegen Israel der besondere und unfehlbare Charakter Babylons war? Zweifellos war Babylon die größte Geißel, aber eine, die Israel je hatte: Ich sage eine, weil die Römer die Juden schrecklicher behandelten als sogar Babylon, wie der Prophet Jesaja ausdrücklich andeutete. Trotz alledem gab es weder im Fall Babylons noch selbst Roms eine solche persönliche, beharrliche Bosheit, wie sie in Edom konzentriert zu sein schien. Es steht außer Frage, dass der Charakter Edoms dem entspricht, was der Herr uns durch Isaak wissen lässt. „Siehe, fern von der Fettigkeit der Erde wird dein Wohnsitz sein und ohne den Tau des Himmels von oben her. Und von deinem Schwert wirst du leben, und deinem Bruder wirst du dienen; und es wird geschehen, wenn du umherschweifst, wirst du sein Joch zerbrechen von deinem Hals“ (1Mo 27,39.40). Es wäre schwer, sich eine Vorhersage dieser Art vorzustellen, bei der sich jedes Wort in der gesamten Geschichte der Menschheit wahrhaftiger bestätigt hätte als im Leben und in den Veränderungen Edoms beziehungsweise Israels. Dennoch ist hierin keine Andeutung ihrer Bosheit und ihres rachsüchtigen Hasses enthalten. Vom Schwert zu leben, bedeutet nicht unbedingt Feindschaft; denn ehrgeizige Aktivität führt oft zu einer Karriere der Eroberung und Entschlossenheit, ihren eigenen Weg zu gehen, wo keine besondere Feindschaft vorhanden ist.
Manch ein Volksstamm wiederum würde viel lieber nicht zum Schwert greifen; und doch scheuen sie sich nicht, Gewalt anzuwenden, wenn sich andere nicht beugen, die ihnen im Weg stehen. Das ist wohl eher das, was wir in Edoms Verhalten gegenüber anderen sehen. So begehrten sie, wie wir wissen, in früheren Zeiten die Besitztümer der Horiter auf dem Berg Seir (5Mo 2,22), eines besonderen Volkes, das in Höhlen und Gruben der Erde lebte. Aber die Söhne Edoms vernichteten sie und wohnten an ihre Stelle. Wiederum haben sie eine der bemerkenswertesten Städte in der Welt, bestehend aus dem, was man Troglodyten nennt, in denen der alte Volksstamm wohnte, wie danach sie selbst. Es waren Behausungen, und keine ungemütlichen Behausungen, die aus dem nachgiebigen Sandstein von Petra und anderen Orten in Idumäa herausgeschnitten wurden. Da das Klima bemerkenswert trocken ist und der Stein sich hervorragend für solche Arbeiten eignet, ob groß oder klein – sowohl für private Behausungen als auch für öffentliche Empfangsräume – nutzten sie diese Höhlen zum Leben. Die Überreste sind selbst für unsere Zeit bemerkenswert. Die Edomiter begehrten eine solche natürliche Festung, da sie gut zu ihrem Schicksal passte; denn da sie von bemerkenswertem kriegerischem Charakter waren, sahen sie mit klarem angeborenen Verhalten, dass, da sie am Rand der Wüste den Angriffen von Räubern, ihren ismaelitischen Verbindungen oder anderen ausgesetzt sein mussten, die felsigen Behausungen des Berges Seir sich als ein bewundernswertes Mittel zur leichten Verteidigung gegen Überraschung erweisen würden. Niemals waren die äußeren Umstände eines Landes besser an die nationalen Eigenschaften und ein durch die Prophezeiung definiertes Ziel angepasst, obwohl ich nicht behaupte, dass sie sich bei ihrer Wahl bewusst waren, so geleitet zu werden.
Wer auch immer jetzt dort leben mag, die Edomiter werden am Ende dort zu finden sein. Dies scheint mir durch das Wort Gottes angedeutet zu sein, das immer und in allem die einzige schlüssige Autorität ist; und die Schrift lässt dem Gläubigen wenig Grund zum Zögern in dieser Angelegenheit. Es ist nicht so, dass ein Volk einfach an einen anderen Ort verpflanzt wird, dort Wurzeln schlägt, sich mit anderen zusammenschließt und in gewisser Weise ein neues Volk bildet. Ein schlimmes Ende erwartet dieses Land und dieses Volk mit der Zeit. Sie mögen andere haben, die sie für den Augenblick verdrängen (darüber gebe ich keine Meinung ab); aber es ist aus dem Wort Gottes klar bekannt, dass die Edomiter in Idumäa sein werden, und dass dort das Gericht Gottes nicht ausbleiben wird, um sie am Ende zu erreichen, wenn der Messias an der Spitze seines alten Volkes steht.
Es scheint also, dass ihr besonderer Charakter, allmählich, wenn nicht von Anfang an, ein unerbittlicher Hass gegen die Kinder Israels ist. Von alters her werden die gute Hand Gottes zu Israels Gunsten und die herrlichen Pläne, die Er für sie vorgesehen hat, nur eine Wirkung auf Edom gehabt haben: Anstatt irgendeinen Trost aus dem Gedanken zu ziehen, dass, wenn sie selbst nicht die Geehrtesten waren, wenigstens die, die ihnen nahestanden, diesen höchsten Platz von Gott geschenkt bekommen hatten, wird Israels Gewinn im Gegenteil wie früher nichts als tödlichen Neid hervorrufen; und dies immer mehr und vor allem in den Nöten der Juden, die ihr Mitleid hätten hervorrufen sollen.
Das ist der Anlass für die Prophezeiung des Obadja. Auch ist das Thema nicht darauf beschränkt. Die Feder Jesajas hat ein äußerst schreckliches Bild des Gerichts gezeichnet, das die Edomiter erwartet. Da unser Prophet sich sehr kurzfasst, verbinde ich absichtlich ein paar andere Schriftstellen damit.
In Jesaja 34 lesen wir: „Denn der Zorn des Herrn ergeht gegen alle Nationen“ (V. 2). Es ist offensichtlich, dass dies in seiner vollen Bedeutung eine zukünftige Begebenheit ist. Zweifellos mag es den Zorn des Herrn über bestimmte Nationen in vergangenen Zeiten gegeben haben; aber es wäre schwer zu sagen, dass er über alle Nationen in der hier beschriebenen Weise ausgeprägt war: „Und das ganze Heer der Himmel zerschmilzt; und die Himmel werden zusammengerollt wie ein Buch; und ihr ganzes Heer fällt herab, wie das Laub vom Weinstock abfällt und wie das Verwelkte vom Feigenbaum. Denn trunken ist im Himmel mein Schwert; siehe, auf Edom fährt es herab“ (V. 4.5). Wie können vernünftige Menschen, um nicht zu sagen gläubige und ehrfürchtige Männer Gottes, das alles auf das anwenden, was die Menschen den Tag des Gerichts nennen? Denn wenn die gottlosen Toten vor dem großen weißen Thron stehen, um ihr Gericht zu empfangen, wird es keine Frage von Edom oder irgendeinem anderen Land sein. Es ist unbestreitbar, dass, wenn die Elemente des Universums im Brand aufgelöst werden, keine Rede davon sein wird, dass ein Land oder ein Volk mehr als ein anderes gerichtet wird, sondern dass es um einen völlig neuen und endgültigen Zustand der Dinge geht. Hier geht es um das Gericht über die Erde, während sie noch besteht, nicht um jenes Gericht, das Auswirkungen auf die Ewigkeit hat, bei dem die alte Schöpfung verschwindet, um den neuen Himmel und die neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt. In der Tat ist das Gericht über Edom, obwohl es über alles in der Vergangenheit hinausgeht, sehr weit von dieser radikalen und endgültigen Veränderung für die Ewigkeit entfernt.
Als Ganzes wartet die Prophezeiung, welche Teilerfüllung sie auch immer erfahren haben mag, auf ihre vollständige und pünktliche Erfüllung vor der Zeit und der Szene des großen weißen Thrones in Offenbarung 20 am Ende der tausendjährigen Herrschaft des Friedens und der Glückseligkeit, der sie daher der Natur der Dinge nach vorausgehen muss. Man vergleiche auch den Zusammenhang mit dem folgenden Kapitel Jesaja 35. Das Tausendjährige Reich wird sicherlich auf die gewaltigsten Schläge des göttlichen Gerichts folgen; und dieser über Edom ist einer der schlimmsten. „Denn trunken ist im Himmel mein Schwert; siehe, auf Edom fährt es herab und auf das Volk meines Bannes zum Gericht. Das Schwert des Herrn ist voll Blut, es ist gesättigt von Fett, vom Blut der Lämmer und Böcke, vom Nierenfett der Widder; denn der Herr hat ein Schlachtopfer in Bozra und eine große Schlachtung im Land Edom“ (Jes 34,5.6).
Bozra war eine ihrer wichtigsten Städte. Wir haben also nicht nur das Land im Allgemeinen, sondern auch die Tatsache, dass die Stadt bestehen bleibt oder vor diesem Tag wieder auftaucht. „Und Wildochsen stürzen mit ihnen hin, und Stiere mit kräftigen Ochsen“ (V. 7a). Natürlich ist die Sprache hochgradig bildlich; das wird von allen Seiten zugegeben. Die Frage ist, bildlich für was? Von himmlischen Dingen oder von irdischen? Von der Ewigkeit oder von der Zeit? Unzweifelhaft Letzteres. „Und ihr Land wird trunken von Blut, und ihr Staub von Fett gesättigt. Denn der Herr hat einen Tag der Rache, ein Jahr der Vergeltungen für die Rechtssache Zions“ (V. 7b.8). Es ist nicht der neue Himmel und die neue Erde, sondern das irdische Volk tritt hervor – Zion, die Stadt des großen Königs, das messianische Königtum, das universale Königreich des Sohnes des Menschen. Deshalb können die Gerichte über die Völker nicht mehr aufgeschoben werden. Es geht ausdrücklich um die Erde, und es sind ernste Fragen bezüglich der Nationen, die gelöst werden müssen, bevor der Herr als der wahre Salomo regiert. Das macht die wahre Natur dieser Gerichte überdeutlich.
Daher kann nichts die Kraft der Sprache des prophetischen Geistes übersteigen. Wie Er hier sagt: „Und seine Bäche verwandeln sich in Pech und sein Staub in Schwefel; und sein Land wird zu brennendem Pech. Nacht und Tag erlischt es nicht, ewig steigt sein Rauch empor. Von Geschlecht zu Geschlecht liegt es verödet, für immer und ewig zieht niemand hindurch“ (V. 9.10).
Wir sind uns alle der Eile bewusst, mit der einige Leser (Prophetenschüler kann man sie kaum nennen) versucht haben, zu zeigen, dass dies bereits vollbracht ist. Seit dem Beginn dieses Jahrhunderts herrschte weithin der Eindruck, dass ein Mann, der versuchte, durch das Land Edom zu ziehen, mit Sicherheit sterben müsse; und wenn nicht auf der Stelle, so doch zumindest sehr bald danach. All dies war im Prinzip ein Irrtum. Ohne hier und da von Eingeborenen zu sprechen, sind nicht wenige Reisende durch Edom gezogen und haben dort gelebt, um ihre Berichte zu schreiben und zu veröffentlichen, so dass wir, so unwissend wir auch immer noch sein mögen, wesentlich mehr über das Land wissen, als es jahrhundertelang bekannt war.
Sogar wenn wir also die geringsten Tatsachen nehmen, wird deutlich, dass die Prophezeiung nicht gescheitert ist, sondern dass die Zeit für ihre Erfüllung noch in der Zukunft liegt. Das ist die einzig richtige Schlussfolgerung. Es soll ein Land sein, in dem keine Menschen mehr wohnen und in dem für immer keine Fremden durchziehen. Es wird durch den schonungslosen Zorn Gottes vor der ganzen Welt zu einem herausragenden Beispiel der völligen Verwüstung gemacht werden.
Was alles noch deutlicher hervortreten lässt, ist, dass die schreckliche Beschreibung der absoluten Verwüstung Edoms, und dies unter der mächtigen Hand Gottes, zu oder kurz vor der Zeit stattfindet, wenn die Wüste wieder aufblüht: „Die Wüste und das dürre Land werden sich freuen, und die Steppe wird frohlocken und aufblühen wie eine Narzisse“ (Jes 35,1). Wer kommt umhin, darin das vorhergesagte und lang erwartete Tausendjährigen Reich zu sehen? Nicht, dass „dieser Tag“ entweder ein bloßer Unterschied im Grad gegenüber dem jetzigen Tag sein soll, oder auf der anderen Seite, wie manche annehmen, die völlige Auslöschung alles Bösen. Der neue Himmel, in dem die Gerechtigkeit wohnt, wird ein Ort des absolut Guten sein, wenn alles Böse gerichtet und für immer in den Feuersee verbannt sein wird. Von da an ist die Trennung ewig. Die Hütte Gottes ist bei den Menschen, und Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott. Dann gibt es nur noch das Gute. Das Böse wird bestraft und für immer weggetan sein. Aber der tausendjährige Zustand wird nur ein Unterpfand davon sein; es wird ein wirkliches und öffentliches Zeugnis davon geben, aber nicht die Sache selbst in ihrer Fülle, so dass nichts mehr zu wünschen übrigbleibt.
Im Tausendjährigen Reich wird es zum Beispiel den Tod geben, nicht als Regel, sondern als Ausnahme. Dennoch wird der Tod, wenn auch nur als gerichtliche Strafe, noch nicht ganz abgeschafft sein. Es wird auch die Notwendigkeit der Heilung geben, wie wir aus Offenbarung 22,2 und Hesekiel 47 entnehmen können. Es wird sogar Gerichte Gottes geben, wo es nötig ist, wie es in Jesaja 65,20; 66,24; Sacharja 14,17-19 deutlich wird. Allerdings wird es nur wenige Gerichte unter außergewöhnlichen Umständen geben, ohne den letzten Ausbruch der fernen Heiden am Ende des Jahrtausends mit einzurechnen (Off 20,7-9).
Offensichtlich wird dann die gnädige Macht Gottes sowohl die Barmherzigkeit zurückhalten als auch beispiellose Freigebigkeit und Güte unter den Menschen gewähren, nicht nur unter den Auserwählten wie jetzt. Jener Tag wird eine Periode der Regierung sein, die in sich selbst immer das Böse voraussetzt, das kontrolliert werden muss; während es im neuen Himmel und auf der neuen Erde das Böse nichts mehr geben wird. Dann wird die Gerechtigkeit nicht nur regieren, wie oft bemerkt wird, sondern sie wird dort wohnen, wo alles neu gemacht ist. Dann ist das Regierens nicht mehr erforderlich, sondern gibt es nur noch Ruhe und Freude, Liebe und Lob und Dank für immer. So wird also das Reich Christi über die Erde für die ihm zugewiesene Zeit, wenn die teilweise Erneuerung des Himmels und der Erde eintritt, dadurch gekennzeichnet sein, dass die Gerechtigkeit regiert, und der ewige Zustand des neuen Himmels und der neuen Erde dadurch, dass die Gerechtigkeit dort wohnt. Das ist die biblische Unterscheidung zwischen den beiden.
Im Friedensreich wird die Gerechtigkeit alles Böse beherrschen, das sich noch zeigen mag; das wird selten sein, weil der große Anführer des Bösen gebunden ist, und die Herrlichkeit des Herrn wird leuchten und seine Güte frei und in Fülle gegeben. Aber im neuen Himmel und auf der neuen Erde wird es nichts Böses mehr geben, außer an seinem eigenen Platz, und Satan wird nie mehr umherstreifen, um die Menschen zur Rebellion und Zerstörung zu verleiten, und Gott als bloßen Richter erscheinen lassen, anstatt dem Fluss und der Fülle seiner Liebe Raum zu geben. Alles Gericht wird vor dem Erscheinen des neuen Himmels und der neuen Erde vollzogen sein. Alle, die sich endgültig auf die Seite Satans gestellt haben, werden endgültig gerichtet sein; und so wird es eine dauerhafte Trennung geben zwischen dem, was von Gott und für immer bei Gott ist, und dem, was endgültig verworfen wird, um die Folgen mit Satan zu erleiden, den sie Gott und seinem Gesalbten vorgezogen haben.
So lautet die Aussage der Heiligen Schrift, und eine ernstere Wirklichkeit kann es nicht geben. Dieselbe Offenbarung, die uns im Voraus den ewigen Zustand sehen lässt, zeigt uns den Feuersee nicht weniger als Himmel und Erde. So lernen wir mit gleicher Deutlichkeit das ewige Elend derer, die verlorengehen, wie die ewige Glückseligkeit derer, die gerettet werden. Wenn Gott mir bezeugt, das eine zu glauben, habe ich die gleiche Autorität, das andere zu glauben. Kann der Mensch, der sich erlaubt, aus der Schrift zu wählen, als gläubig betrachtet werden? Wer nur das glaubt, was er für vernünftig hält, ist ein Gläubiger in seinem eigenen Sinn, aber nicht nach dem Wort Gottes. Ein Gläubiger ist jemand, der akzeptiert, was Gott sagt, und für ihn ist damit jede Frage zu beantwortet.
Es ist müßig, die anderen Schriftstellen, die von Edom sprechen, nachzuschlagen, aber ich darf die Aufmerksamkeit auf Jesaja 63 lenken, als die Prophezeiung von Wiederkunft des Herrn, nachdem das Gericht vollzogen ist, das zuerst in Kapitel 32 angedroht wurde. Vergleiche dazu auch Jeremia 49,7-22, wo der Herr im Gegensatz zu der Hoffnung, die manche Feinde hegen, nicht sagt, dass er ihre Gefangenschaft in den letzten Tagen wenden wird, ebenso wenig wie die des Landes der Philister, der Städte Damaskus und Hazor: Ihr Schicksal ist besiegelt, wenn auch aus anderen Gründen. Besonders Edom wird diesen deutlichen und endgültigen Charakter des Gerichts treffen. Die Freude des kommenden Zeitalters wird sein trauriges Gericht nicht umkehren. Solange die Erde besteht, wird Edom der Verwüstung preisgegeben sein; der unerbittliche, unversöhnliche Hass der Söhne Edoms auf die Juden wird über sie die gerechte, verdiente Zerstörung bringen.
Genauso können wir im Neuen Testament sehen, dass das babylonische System Roms, das große Zentrum des Götzendienstes und der Verderbnis, in ähnlicher Weise der Gegenstand des Gerichts ohne Gnade Gottes sein wird. Dies scheint Rom physisch oder geographisch einzuschließen, entsprechend dem Aspekt, der in Offenbarung 14,8; 16,19 und insbesondere in Kapitel 18 beschrieben wird. Der Rauch wird als aufsteigend für immer und ewig beschrieben; eine erste und öffentliche Darstellung, dass das Zeitalter des universellen Segens zur Ehre des Sohnes des Menschen ebenfalls die Zeit des Gerichts über einige besonders Schuldige sein wird. Welch eine Warnung an alle Völker! „Denn wenn deine Gerichte die Erde treffen, so lernen die Bewohner des Erdkreises Gerechtigkeit“ (Jes 26,9).
Auch wird die göttliche Rache nicht nur bestimmte Heiden treffen: Die letzten Verses Jesajas beschreiben, so denke ich, die abtrünnige Juden. Obwohl die Form des Wortes vielleicht nicht die strengste Bezeichnung für die Übertretung des Gesetzes des Bundes des Herrn ist, wird es sowohl auf jüdische als auch auf heidnische Gottlosigkeit angewandt, wie man deutlich in Amos 1 und 2 sehen kann. Die Masse oder „die Vielen“, von denen in Daniel die Rede ist, werden in höchstem Maße leiden, ebenso wie die Heiden, die sich entweder dem Antichrist anschließen oder gegen Christus kämpfen werden. Aber die Beschreibung dieser Sünde zuerst in Jesaja 65 und auch der Strafe in Jesaja 66 lässt mich vermuten, dass zumindest einige unter dem Gesetz gewesen sein müssen. Heiden werden nie als Übertreter in dem Sinn bezeichnet, dass sie gegen das Gesetz oder den Bund verstoßen haben, sondern eher als „Sünder aus den Nationen“, obwohl wir gesehen haben, dass es in dem allgemeinen Sinn eines gottlosen Aufruhrs oder einer gottlosen Opposition gegen Gott gesagt werden kann. Wir hören nie von so etwas wie „Übertreter [παραβάται] der Nationen“. Die Juden, die unter den formalen oder positiven Bedingungen des Gesetzes stehen, werden folglich zu diesem Punkt gebracht; wenn sie dieses Gesetz verletzen, sind sie nicht nur Sünder wie die Heiden, sondern auch Übertreter; das heißt, sie sind der deutlichen Verletzung des bekannten Gesetzes Gottes schuldig. Folglich ist ihre Schuld größer, und deshalb wird an ihnen ein besonderes Exempel statuiert werden, wenn auch nicht nur an ihnen, wie wir in Matthäus 25,41-46 sehen können. Sie werden den wahren Gott Israels, den Herrn, verleugnet haben; sie werden den, der in seinem eigenen Namen kommt, den Antichrist, angenommen haben; sie werden wieder zu Anbetern von Götzen geworden sein. Nachdem sie also den wahren Christus abgelehnt und den falschen angenommen, das Zeugnis und den Geist Gottes verworfen haben, werden sie der letzten großen Lüge Satans und ihres gesetzlosen Oberhauptes ausgeliefert sein und in diesem Zustand vom göttlichen Gericht getroffen werden. Dementsprechend werden sie als eine ewige Schande und Warnung in ihrem Leiden vor den Augen ihrer jüdischen Mitmenschen, ja vor „allem Fleisch“ beschrieben. Gott wird das bewirken und sie zur Schau stellen, und zwar im Tal Hinnom, außerhalb der Stadt des großen Königs. Dort wird dieses Schauspiel geschehen, das durch seine Nähe zum irdischen Zentrum der Herrlichkeit und des Segens an jenem Tag noch schrecklicher ist.
Zweifellos ist es auf solche Illustrationen wie diese gegründet, dass so viele ihre Vorstellungen von der Hölle gebildet haben. Aber es liegt ein großer Irrtum zugrunde, wenn auch keineswegs in der Richtung, die Schrecken der Verdammnis zu verschlimmern. Wenn wir der Heiligen Schrift glauben, ist es unmöglich, die Schrecklichkeit des ewigen Gerichts zu übertreiben; aber meiner Meinung nach sind die jesuitischen Vorstellungen von der Hölle niedrig und vulgär und irdisch. Sie bringen Elemente hinein, die für natürliche Gemüter fast lächerlich sind, und setzen die Wahrheit Gottes dem Spott aus. Zugleich beruhen sie auf einer veränderten Wahrheit. Es gibt keinen Grund zu glauben, dass das ewige Gericht über die, die das Evangelium Christi ablehnen, ein solches irdisches Spektakel sein wird. Solche, die auf irdische Weise gesündigt haben, werden nach irdischer Art bestraft werden; aber derjenige, der jetzt das Evangelium verleugnet, wird auf eine Weise bestraft werden, die dem entspricht, was er verleugnet. Es gibt immer ein gerechtes Maß im Handeln Gottes, eine vollkommene Abstufung der Strafe für die Sünde, auch wenn der Mensch nicht in der Lage ist, dies zu beurteilen. Das Evangelium zu verwerfen ist noch schlimmer als das Gesetz zu übertreten; denn es geht viel tiefer gegen die göttliche Herrlichkeit als das bloße Versagen des Menschen in seiner Pflicht gegenüber Gott und seinen Mitmenschen. Dies ist das Gesetz. Aber das Evangelium zu verwerfen, bedeutet, die Gnade Gottes in seinem Sohn zu verwerfen; es bedeutet, die Wahrheit zu verwerfen, dass Gott bereit ist, Sünder auf seine eigenen Kosten durch die Erlösung in Christus zu retten, indem der Sünder Ihm sozusagen das unendliche Geschenk ins Gesicht zurückwirft.
Einige haben in der Tat ein dogmatisches System, das uns sagt, dass alle Menschen einfach nach dem Gesetz gerichtet werden, in der Annahme, dass dies der einzige Grund für die Verantwortung aller Menschen ist, wobei Heiden und Juden als gleichermaßen unter dem Gesetz stehend betrachtet werden. Aber die Annahme ist nicht nur irrig, sie zeugt auch von der schmerzlichsten Ablehnung oder Unkenntnis der Heiligen Schrift. Sie hat jeden Fehler, den eine bösartige Hypothese haben kann. Die Tatsachen werden abgelehnt, und das wahre Prinzip bleibt unberührt; es hat nie so gegolten, wie sie meinen, dass es immer gilt; und in der Gegenwart gilt es zum Teil nicht, weil eine größere Verantwortung eingetreten ist. Sie macht zu viel aus dem alten Zustand der Heiden; sie macht zu wenig aus dem Gericht, das jetzt über jeden kommt, der die große Erlösung ablehnt. Die biblische Art, das Gericht darzustellen, macht es daher unvergleichlich tiefgründiger und gewaltiger. Es ist klar, dass die Jesuiten weder die Vorrechte des Evangeliums noch das Gericht Gottes zu schätzen wissen, da ihr Hauptpunkt ein menschlicher Gebrauch des Terrors ist, um auf das dunkle Herz und das schuldige Gewissen einzuwirken. Man hat sie deshalb als große Prediger bezeichnet; aber ihr Weg ist eine dramatische Darstellung wie der Leiden der Verdammten, so auch der äußeren Umstände des Kreuzes Christi. Zweifellos hat das alles seinen wirklichen Platz; aber der Teil Gottes wird gewöhnlich ausgelassen.
Es wird dann mindestens drei verschiedene Anwendungen des Gerichts für die Menschen auf der Erde unmittelbar vor der Tausendjährigen Herrschaft geben. Im Norden und Osten des Landes werden die sein, die in der irdischen Geschichte ihre Rolle als Widersacher Israels spielen; im Westen die, die als Freunde nach dem Evangelium zu den Heiden kommen werden. Zu diesen müssen die hinzugefügt werden, die von sich selbst aus kommen, die abgefallenen Juden des letzten Tages, die mit dem Römischen Reich und den westlichen Mächten gemeinsame Sache machen werden. Alles ist in völliger Ordnung: Alles, was wir brauchen, ist ein einfacher Glaube an die Schrift und an Gottes Bereitschaft, uns durch das Wirken seines Geistes das richtige Verständnis darüber zu geben.
So geht aus Hesekiel 25 hervor, dass die göttliche Rache am Berg Seir und den Edomitern durch die Hand Israels erfolgen wird. Und die große Last all der zahlreichen prophetischen Warnungen ist, dass die Gegenwart des Herrn darin offenbar werden wird; zweitens, dass es zu der Zeit sein wird, wenn alle Nationen und die ganze Erde unter Gottes Hand kommen werden; und drittens, dass die Epoche des Gerichts gerade dann sein wird, wenn der Segen beispiellos und unveränderlich über Israel und die Erde im Allgemeinen kommt. Vergleiche Jesaja 11; 34; Klagelieder 4,21.22; Hesekiel 25 und 35, Jesaja 63,3 schließt keineswegs aus (was an anderer Stelle behauptet wird), dass der Herr sein Gericht durch Israel vollziehen wird; denn „des Volkes“ ist zu verstehen als „der Völker“ oder Nationen, ohne Israel miteinzubeziehen. Es wird kein fremdes Instrument bei diesem Werk eingesetzt werden: Der Herr wird mit Israel dabei wirkungsvoll einsetzen.
In der Prophezeiung vor uns enthüllt Obadja die Zukunft in demselben Sinn: „So spricht der Herr, Herr, über Edom: Eine Kunde haben wir von dem Herrn gehört, und ein Bote ist unter die Nationen gesandt worden: ,Macht euch auf und lasst uns gegen es aufstehen zum Kampf!‘“ (V. 1), wegen ihres Widerstands gegen den offenkundigen Willen Gottes, der Edom zu einem geringen Volk gemacht hat, mit der Festigkeit des Berges Seir als natürlichem Versteck und Sicherheit. Aber sie trachteten nach großen Dingen und verabscheuten die Würde Israels. „Siehe, ich habe dich klein gemacht unter den Nationen, du bist sehr verachtet“ (V. 2). Das ist nicht so, wo ein Mensch oder ein Volk sich mit dem ihm zugewiesenen und zustehenden Los begnügt; es ist besonders das Verhängnis derer, die über ihr Maß hinausstreben. Dann ist es natürlich besonders schmerzlich, verachtet zu werden; und so war die Geschichte Edoms. Denn wie wir den Stolz bei Esau von Anfang an sehen, so sehen wir ihn bei den Edomitern bis zum Schluss. Sie scheinen schließlich so gewesen zu sein, wie es Söldner in der Fremde gewöhnlich sind – verachtet von denen, die sich selbst bedienten und sie beschäftigten. Es ist das Verhängnis eines Menschen, der seiner Sippe untreu ist, sich an Fremde für eine abscheuliche Aufgabe zu verkaufen, und dann ganz abgelehnt zu werden, wenn ihr Zweck erfüllt ist und er nicht mehr von Nutzen zu sein scheint. In etwa so scheint die Erfahrung von Edom gewesen zu sein. „Der Übermut deines Herzens hat dich verführt, der du in Felsenklüften, auf hohem Sitz wohnst und in deinem Herzen sprichst: Wer wird mich zur Erde hinabstürzen?“ (V. 3). Ihre von Natur aus uneinnehmbare Stellung würde sich nicht als Schutz erweisen, wenn Gott die Werkzeuge einlud, um sie von ihren stolzen Höhen herunterzureißen. Sei es, dass sie „auf hohem Sitz“ wohnen; sei es, dass Esau, wenn auch nicht mit seinen Lippen, in seinem Herzen spricht: „Wer wird mich zur Erde hinabstürzen?“, so ist das Wort Gottes ausgegangen: „Wenn du dein Nest auch hoch bautest wie der Adler und wenn es zwischen die Sterne gesetzt wäre: Ich würde dich von dort hinabstürzen, spricht der Herr“ (V. 4). Ihr Fall sollte umso vollständiger und hoffnungsloser sein.
Aber es kommt noch schlimmer als das. Nicht nur sollte sich ihre Sicherheit am Tag der Prüfung, als der Herr sie sich mit ihnen beschäftigte, als vergeblich erweisen, sondern darüber hinaus würde die Vergeltung für ihre Raubgier schonungslos sein. Sie hatten durch das Schwert gelebt und durch die Raubzüge, die im Allgemeinen auf das Schwert folgt; und so sollte auch ihre Strafe sein. „Wenn Diebe über dich gekommen wären, wenn nächtliche Räuber – wie bist du vernichtet! –, würden sie nicht gestohlen haben, bis sie genug hätten?“ (V. 5a). Sogar solche, die vom Raub leben, wären gewöhnlich zufrieden, wenn sie gestohlen hätten, was sie bei ihrem eiligen Besuch und ihrer Flucht erbeuten konnten; und diejenigen, die ehrlich unter den Weinstöcken arbeiten, sammeln nicht so gründlich, als dass sie nicht hier und da einen Rest übrigließen: „Wenn Winzer über dich gekommen wären, würden sie nicht eine Nachlese übriggelassen haben?“ (V. 5b). Und der Herr wird es ausdrücklich mit Israel mit der Zeit gut machen, wenn ihre Beschneidung kommen wird, um sein irdisches Königreich in ihrer Mitte zu errichten. Dies ist, wie alle wissen, üblich. Aber nicht so sollte ihr Gericht sein. „Wie sind die von Esau durchsucht, ausgeforscht ihre verborgenen Schätze!“ (V. 6). Es gibt nichts, was zurückbleibt – nichts, was man sich nehmen kann, wenn die Plünderer weg sind.
Was es so bitter machte, war auch die Tatsache, dass die, die sie zu ihren Freunden und Parteigängern zählten, ihnen dabei halfen. „Bis zur Grenze haben dich alle deine Bundesgenossen geschickt; betrogen, überwältigt haben dich deine Freunde, die dein Brot aßen; sie legten eine Schlinge unter dich. Es ist kein Verstand in ihm“ (V. 7). Diese Worte zeigen deutlich, dass die, denen sie volles Vertrauen geschenkt hatten, sich am Ende als ihre Feinde entpuppten, die sie umso mehr verletzen konnten, als sie mit ihren Personen, ihren Gewohnheiten, ihren Wohnungen und ihrem Besitz vertraut waren. Sie aßen ihr Brot, gemeint sind diejenigen, die das Brot Esaus aßen. Sie haben eine Schlinge unter sie gelegt. Es ist also offensichtlich, dass kein Verstand in ihm ist. „Werde ich nicht an jenem Tag, spricht der Herr, die Weisen aus Edom vertilgen und den Verstand vom Gebirge Esaus?“ (V. 8).
Sie waren stolz auf ihre besondere Weisheit und Klugheit; aber sie versagten ihnen in der Stunde der Not. Als sich das Blatt gegen Juda wandte, versuchten sie, die Feinde Judas auf ihre Seite zu ziehen und ihren unsterblichen Hass gegen die Gefallenen zu befriedigen. Sie schlossen Freundschaft mit den Babyloniern, mit Nebukadnezar und seinen Fürsten, die gegen Juda heraufzogen. Aber das ist die Vergeltung, die Gott ihnen zuteilwerden lässt. „Und deine Helden, Teman, werden verzagen, damit jedermann vom Gebirge Esaus ausgerottet werde durch Ermordung“ (V. 9).
Doch was dann geschah, war nicht das Ende. Dies ist, wie man glaubt, bereits bewiesen worden. Es ist aus der Schrift gezeigt worden, dass, wenn die letzten Ereignisse am Ende des Zeitalters kommen, Edom eines der Ziele des göttlichen Gerichts auf der Erde ist. Folglich muss es ein Wiedererscheinen dieses Volkes in seinem Land am letzten Tag geben; aber was unter Nebukadnezar geschah, ist eine bemerkenswerte Vorschattung dessen, was sich zu Beginn des Jahrtausends, oder vielmehr während der kurzen Krise, die ihm vorausgeht, wiederholen wird, wie schon mehrere Male erklärt worden ist. „Wegen der an deinem Bruder Jakob verübten Gewalttat wird Schande dich bedecken, und du wirst ausgerottet werden auf ewig. An dem Tag, als du gegenüberstandest, an dem Tag, als Fremde sein Vermögen wegführten und Ausländer zu seinen Toren einzogen und über Jerusalem das Los warfen, da warst auch du wie einer von ihnen“ (V. 10.11). Dies bezieht sich eindeutig auf ihr Verhalten zur Zeit Nebukadnezars. Damals warst „auch du wie einer von ihnen“ und hast dich mit den chaldäischen Plünderern eingelassen. „Und du solltest nicht auf den Tag deines Bruders sehen am Tag seines Missgeschicks“ (V. 12).
Es ist noch nicht das strenge, unumkehrbare Gericht gegen Edom. Es gibt noch eine Art Übergang im Ton von Obadja. Der Herr ist langsam zum Zorn und voll Erbarmen. Daher finden wir in der Prophezeiung noch einen Ton der betrübten Zuneigung. Wenn Maleachi seinen Mund öffnet, ist das alles vorbei: „Esau aber habe ich gehasst“. Das konnte dann, und nur dann, in der Tiefe des Empfindens gesagt werden. Es gibt eine Vorbereitung darauf, wie wir gesehen haben, bei Jeremia, der wahrscheinlich nach Obadja lebte und in seiner Prophezeiung nicht wenig von der Last des Gerichts enthält, die wir jetzt betrachten. Es kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass Obadja eher der ältere der beiden war; aber dann, als jede Warnung gegeben wurde und Edom keine von beiden annahm, sondern in Feindschaft und Zorn gegen die Juden verharrte, wurden die Worte Gottes noch schwerer in der Anklage des Zorns des Herrn gegen sie: „Und du solltest nicht auf den Tag deines Bruders sehen am Tag seines Missgeschicks und dich nicht freuen über die Kinder Juda am Tag ihres Untergangs, noch dein Maul aufsperren am Tag der Bedrängnis“ (V. 12).
Nichts zeugt von größerer Bosheit und Schlechtigkeit, als einen anderen auszunutzen, wenn er am Boden liegt oder Kummer den Geist und die göttliche Züchtigung vernichtet. Es ist ein völlig verdorbenes Herz, das den Fall eines anderen ausnutzen könnte, um noch mehr auf ihm herumzutrampeln, wenn er im Staub liegt. Das ist genau das, was Edom damals getan hat und, wie ich annehme, an dem kommenden Tag wieder tun wird. Denn wir tun gut daran, uns daran zu erinnern, dass es weitere Handlungen Gottes geben wird, indem er die Übertreter seines Volkes ausrottet, und Edom wird noch einmal am Unmut Gottes über die Kinder Israels teilnehmen, bevor Gott ihnen ihren Platz der Vorherrschaft gibt.
Die Geschichte wird sich wiederholen. Sogar in menschlichen Dingen wird das in gewissem Maß bestätigt; aber in der göttlichen Geschichte ist es genau und unveränderlich wahr, weil alle Schrift mehr oder weniger einen vorbildlichen oder prophetischen Charakter hat. Daher ist das, was gewesen ist, das, was sein wird, und das, was zum Teil gewesen ist, wird noch einmal ganz sein. In einer solchen Welt ist es nicht verwunderlich, dass dies für die Bösen genauso gilt wie für die Guten. So wird es in der Zukunft Roms auffallend zu sehen sein, es wird besondere Züge haben, die zu dem Tag passen, an dem es als das aus dem Abgrund aufsteigende Tier wieder auftaucht. Aber in der Regel gilt das für alle. Sogar in unserem gepriesenen Herrn können wir die schöne Verbindung sehen zwischen dem, was Er in seinem ganzen Charakter der Gnade in der Erniedrigung war, und der Herrlichkeit, in der Er bei seiner Erscheinung und seinem Reich offenbart werden wird. „Du solltest nicht in das Tor meines Volkes einziehen am Tag seiner Not; und du, auch du solltest nicht auf sein Unglück sehen am Tag seiner Not, noch deine Hand ausstrecken nach seinem Vermögen am Tag seiner Not“ (V. 13). Er wiederholt die Worte „am Tag seiner Not“ als eine Art Refrain. „Und du solltest nicht am Kreuzweg stehen, um seine Flüchtlinge zu vertilgen, und solltest seine Entronnenen nicht ausliefern am Tag der Bedrängnis. Denn der Tag des Herrn ist nahe über alle Nationen“ (V. 14.15a).
Dies ist, wie wir unschwer erkennen können, das ausdrückliche Bindeglied und auch der Beweis für den Zusammenhang zwischen der Zukunft und der Vergangenheit. Der Tag des Herrn in seinem vollen und eigentlichen Sinn ist noch nicht gekommen. In einem teilweisen Sinn ist er über Ägypten gekommen; er ist auch über Babylon gekommen; er ist über andere große Mächte gekommen, die nacheinander unter dem göttlichen Handeln gefallen sind; aber im vollen Sinn ist der Tag des Herrn über alle Heiden noch nicht erschienen. Der Beweis dafür ist, dass an jenem Tag die Erde ein einziges vereinigtes Ganzes sein wird, alle Stämme und Sprachen, nicht am Ende oder allmählich in ihrem Verlauf durch zweitrangige Mittel, sondern durch das gnädige und allmächtige Eingreifen des Herrn, sich in seinem Lob vereinen werden, wenn alle Götzen vollständig und für immer verschwunden sein werden. Das hat es nie gegeben, seit die Götzen durch Satans List für diese Welt angefertigt wurden, und wird es auch nie geben, bis zum Tag des Herrn: Dann wird es seinen Verlauf von Anfang bis Ende kennzeichnen. Sogar die Rebellion, wenn die tausendjährige Herrschaft vorüber ist, wird keine Wiederherstellung von Satans List im Götzendienst sein. „Denn der Tag des Herrn ist nahe über alle Nationen: Wie du getan hast, wird dir getan werden [für Edom gibt es eine angemessene Bestrafung], dein Tun wird auf dein Haupt zurückkehren. Denn wie ihr getrunken habt auf meinem heiligen Berg, so werden beständig trinken alle Nationen; ja, sie werden trinken und schlürfen und werden sein wie solche, die nie gewesen sind“ (V. 15.16).
Aber wir können unterscheiden zwischen der vergangenen Bedrängnis Edoms, die die Heiden oder Nationen über es gebracht haben, und einer noch schrecklicheren Bedrängnis in der Zukunft, die in dieser kurzen Prophezeiung hervorgehoben scheint, wenn durch Israel als Ganzes der Berg Seir mehr denn je der Verwüstung preisgegeben wird, wegen der Demütigung, die sie den Söhnen Zions angetan haben, die dann gerettet und gesegnet werden sollen. So steht hier geschrieben: „Auf dem Berg Zion wird Errettung sein“ (V. 17a). Es ist nicht der Anfang, der einen Krieg entscheidet, sondern das Ende. Und das ist ein ernster Gedanke für uns, den wir ständig auf allen unseren Wegen beachten sollten. Man sieht oft eine Zeit lang viel Eifer; aber weise sind die, die auf einen anderen Tag schauen, ja, die für die Ewigkeit arbeiten; weise sind die, die nicht darauf schauen, wie die Dinge jetzt erscheinen, sondern wie sie in der Einschätzung des Herrn bei seinem Kommen sein werden. Es gibt keinen wirklichen Prüfstein außer dem besten aller moralischen Prüfsteine – dem Willen und dem Urteil des Herrn, der über allem steht. Um uns dabei zu helfen, wirkt die Kraft des Heiligen Geistes in uns durch das Wort Gottes. Es gibt kein anderes Mittel, um uns nüchtern und doch demütig, fröhlich und doch ernst zu halten, um zu empfinden, dass der Herr der einzige endgültige und angemessene Richter über alles ist, und um uns zu üben, ein Gewissen zu haben, das frei von Anstößen ist: und dies in nicht geringem Maß, indem wir das Licht des Tages, das heißt die Zukunft, auf die Gegenwart anwenden. Kann es überhaupt eine richtige Glaubenssicht geben, ohne diesen Tag vor Augen zu haben? Ohne ihn zu urteilen, wird weitgehend dem Schein entsprechen und insofern nicht der Gerechtigkeit Gottes.
In dieser Vorhersage finden wir also, wie vollständig das Blatt an jenem Tag gewendet wird, und dass der Berg Zion der Ort der Befreiung und nicht das Zeichen der Verwüstung Israels sein wird, und dass der Abschaum der Heiden die Hauptstadt des Landes Immanuels zertreten wird. „Und er wird heilig sein; und die vom Haus Jakob werden ihre Besitzungen wieder in Besitz nehmen“ (V. 17b). Dass es sich dabei keineswegs um das Evangelium handelt, sondern um das Königreich, wenn die beiden Dinge voneinander unterschieden sein werden, anstatt wie jetzt in der Christenheit zu verschmelzen, wird aus den folgenden Worten noch deutlicher, wobei es wirklich absurd ist, sie auf die Versammlung anzuwenden, und es ist gleichermaßen Unwissenheit und Irrtum, sie so zu erklären. Die Theologen bemühen sich vergeblich zu erklären, wie ein Überrest von Juda „das Haus Jakobs“ und „das Haus Josephs“ genannt werden kann. Aber diese Schwierigkeit wird nur durch das falsche System geschaffen, das die Vergangenheit übertreibt und die Zukunft andeutet und das alte Volk Gottes seiner Hoffnung beraubt: Das ist eine heidnische Einbildung (siehe Röm 11) und nicht die Wahrheit.
Diese Verse, wie auch andere bei den Propheten, betrachten die herrliche Zukunft für die Erde und das irdische Volk, das wiederhergestellt und in seinem Land vereint ist. „Und das Haus Jakob wird ein Feuer sein und das Haus Joseph eine Flamme, und das Haus Esau wird zu Stoppeln werden; und sie werden unter ihnen brennen und sie verzehren. Und das Haus Esau wird keinen Übriggebliebenen haben, denn der Herr hat geredet. Und die vom Süden werden das Gebirge Esaus, und die von der Niederung die Philister in Besitz nehmen; und sie werden das Gebiet Ephraims und das Gebiet Samarias in Besitz nehmen und Benjamin wird Gilead in Besitz nehmen“ (V. 18.19). Da die Orte ausdrücklich namentlich genannt werden, zeigt das, dass wir es nicht durch das, was man vergeistigen nennt, vergeuden sollten. In der Tat ist vergeistigen ein falscher Begriff; es sollte eher als Sinnbild angesehen werden. Die Hoffnungen Israels zu leugnen, hat nichts mit geistlicher Einsicht zu tun. In diesen Angelegenheiten besteht wahre geistliche Einsicht darin, das Wort Gottes in dem Sinn zu verstehen, in dem Gott es gemeint hat. Wir können das Prinzip der Schrift anwenden, und das kann durchaus legitim sein. Wir können das, was Gott über Israel sagt, aufgreifen und uns voll und ganz daran erfreuen; denn wenn Gott sein Volk damals geliebt hat, können wir sicher sein, dass die Versammlung auch jetzt geliebt ist, und jedes Glied dieses heiligen Leibes. Wenn wir sehen, wie sehr der Herr den Juden als solchen geliebt hat, sollten wir nicht zweifeln, sondern glauben, dass der Christ noch mehr geliebt wird. All das ist völlig wahr, und deshalb können wir das Handeln Gottes mit Isaak oder Jakob, David oder Salomo, mit Jesaja oder Hiskia betrachten. Wir können sie alle als voller Belehrungen für den Christen aufnehmen.
Gleichzeitig müssen wir uns daran erinnern, dass es auch eigentümliche und besondere Punkte gab; und so zeigt gerade in dieser Beschreibung die Erwähnung Samarias und Gileads und dergleichen, dass es keine Frage des Himmels oder der Ewigkeit, noch der Versammlung oder des Evangeliums ist. Die Juden haben sich des gleichen bildlichen Stils der falschen Anwendung des Wortes Gottes ebenso schuldig gemacht wie die Heiden. Zum Beispiel interpretieren sie den Edomiter so, dass er den Christen bezeichnet, und krönen ihre Bosheit mit der gotteslästerlichen Lüge, dass der Herr Jesus, ihr wahrer Messias, ein Edomiter war. Doch Doktoren aus den Nationen, die kaum weniger tadelnswert für ihre falschen Erklärungen sind, obwohl sie natürlich den Herrn ehren wollen, haben wenig Grund, die Rabbiner zu verurteilen.
Luther zum Beispiel (ein gesegneter Mann, wie er es war), hat, indem er sich nicht an den allgemeinen Umfang und Zusammenhang, sowie an die Angemessenheit jedes Satzes im Einzelnen hielt, die wahre Kraft der Prophezeiung so weit verloren, dass er annahm, dieses Kapitel bedeute das Evangelium. Kann ein weiterer Beweis für seinen beklagenswerten Mangel an Bibelkenntnis verlangt werden? Er muss eine höchst erstaunliche Phantasie gehabt haben, der das Evangelium in irgendetwas hineinbringt, was hier bisher gelesen wurde. Die goldene Regel ist, niemals der Schrift Gewalt anzutun. Sonst geht man immer fehl und macht die Wahrheit kraftlos, indem man Dinge vermischt, die sich unterscheiden. Ich sage dies nicht aus dem geringsten Mangel an Ehrerbietung für den großen Reformator; denn er war gewiss von allen, die die Wahrheit lieben, zu achten. Aber die Wahrheit hat höhere Ansprüche; und sein Name darf niemals benutzt werden, um ihre Autorität zu schwächen, wie wenn er durch Unwissenheit (zum Beispiel über die Hoffnungen Israels und das zukünftige Gericht der Lebenden) ihre Bedeutung zunichtemacht. Aber er war sowohl unvorsichtig als auch schwach in seinen Gedanken über das inspirierte Wort. So wissen wir wohl alle, dass er den Jakobusbrief nicht als ein biblisches Buch behandelte, und dass er an anderen Teilen des Wortes Gottes zweifelte. In der Tat ist es das, was den Rationalisten in Deutschland einen gewissen Vorteil verschafft hat, den sie nicht versäumt haben, ihren orthodoxeren Gegnern aufzudrücken. Denn die Partei, die den Rationalismus ausruft, ist doch sehr von der Tradition beeinflusst, genau wie die, die am meisten dagegen zu sein scheinen, und ihre Argumentation ist, meiner Meinung nach, von der oberflächlichsten Art. Wie dem auch sei, sogar Luther hat die Schule der Auslegung gebilligt, die das Zeugnis der Propheten von dem Volk abwendet, das unmittelbar im Blick ist, nämlich den Juden.
Die Wahrheit ist, dass Israel genauso im Mittelpunkt des Alten Testaments steht wie die Christen im Neuen; und wenn man diese beiden Tatsachen nicht festhält und im Blick hat, ist man immer in Gefahr, den Sinn Gottes zu verkennen und falsch auszulegen.
Obadja spricht dann in Vers 17 von einer irdischen Befreiung durch Gott, aber auf der Erde. Es ist die Wiederherstellung nicht der Kirche, sondern Israels; und der Geist spricht wörtlich vom Berg Zion, wie danach vom Berg Esaus, der Ebene der Philister, und den Feldern Ephraims und Samarias. Die Bilder von Feuer und Flamme, die andere wie Stoppeln verzehren, stellen in keiner Weise Gnade dar, sondern Gericht, wenn das Weltreich unseres Herrn kommt. Die Menschen und sogar die Gläubigen mögen zweifeln; aber „der Herr hat gesprochen.“ „Und die vom Süden werden das Gebirge Esaus, und die von der Niederung die Philister in Besitz nehmen; und sie werden das Gebiet Ephraims und das Gebiet Samarias in Besitz nehmen, und Benjamin wird Gilead in Besitz nehmen; und die Weggeführten dieses Heeres der Kinder Israel werden in Besitz nehmen, was den Kanaanitern gehört bis nach Zarpat hin; und die Weggeführten von Jerusalem, die in Sepharad [Sardis, der Metropole des lydischen Königreichs] sind, die Städte des Südens. Und es werden Retter auf den Berg Zion ziehen, um das Gebirge Esaus zu richten; und das Reich wird dem Herrn gehören“ (V. 19‒21).
Diese Befreier, von denen gesprochen wird, sind zweifellos Werkzeuge, die der Herr an dem kommenden Tag einsetzen wird, denn Er will seinem alten Volk große Ehre erweisen, wenn es zu wiederhergestellt wird; Er verspricht, den Schwächsten unter den Einwohnern Jerusalems wie David und das Haus David wie Gott zu machen, wie einen Engel des Herrn vor ihnen, wie Sacharja sagt. Dies scheinen die Personen zu sein, auf die hier Bezug genommen wird. Der Zusammenhang schließt jede Anspielung auf die Makkabäerzeit aus; noch weniger kann man Obadja mit Recht auf christliche Ereignisse beziehen. Es ist klar, dass er von den Tagen spricht, die dem Jahrtausend vorausgehen, wenn das Königreich des Herrn errichtet wird. Es ist unmöglich, die Aussage mit dem ewigen Zustand zu verbinden, wenn Gott alles in allem sein wird; denn dann wird, wie wir ausdrücklich gelehrt werden, das Reich dem Vater übergeben worden sein, damit Gott (Vater, Sohn und Heiliger Geist) alles in allem sein kann (1Kor 15,24‒28). Hier handelt es sich um die vorherige Zeit des Königreichs.
Ich glaube, dass es keine andere Auslegung der Schrift gibt, die alle Bedingungen des Zusammenhangs und der übrigen Bibel erfüllt, als diese. Wer würde leugnen, dass die Schrift als ihre letzte Kraft eine feste, bestimmte Bedeutung haben muss? Es muss einen wahren und vollständigen Zweck für das Wort Gottes geben, und das ist in keiner Weise gegen das jederzeit gültige Prinzip der Anwendung bestimmter Passagen. Das ist in Ordnung und würde nicht einen Moment lang beanstandet werden; aber wir müssen zwischen der Anwendung der Schrift und ihrer richtigen Auslegung unterscheiden. Letzteres bedeutet den vollen Sinn Gottes, die Absicht und den Umfang, sei es der Prophetie oder etwas anderem. Die Anwendung ist nach dem Beispiel des Apostels Petrus als praktischer Gebrauch vor „jenem Tag“ zu rechtfertigen.
Es ist bekannt, dass die Edomiter ihre Erfolge in dem Maß vorantrieben, wie Israel und Juda zerfielen; daher nahmen sie sogar einige der südlichen Bezirke und Städte Israels ein. Sie vermengten sich sehr mit den Juden. Dann kam das Volk der Nabatäer, das von Nebajot, dem ältesten Sohn Ismaels, abstammte, das das Land Idumäa in Besitz nahm und die Söhne Esaus in erheblichem Maß vertrieb. Infolge des Vordringens dieser Männer nach Edom strömten die früheren Bewohner in das Heilige Land, wo einige von ihnen beträchtliche Besitztümer erwarben, von denen sie einen Teil noch vor der Zeit unseres Herrn aufgeben mussten, wie bekannt ist. Dennoch war es eine idumäische Familie, die die Oberhand im Land gewann. Antipater war der Vorfahre des Herodes dem Großen, der in Jerusalem herrschte, als unser Herr geboren wurde, und versuchte, ihn zu töten. Aber dieser Zustand der Dinge ist eher die Umkehrung der Prophezeiung als ihre Erfüllung. In der Tat wartet das Ende unserer Prophezeiung auf den großen zukünftigen Tag des Herrn, um sich zu erfüllen. Es ist eine armselige Vorstellung, dass Obadja unter so deutlichen Begriffen so etwas wie die Erfolge der Makkabäer für etwas mehr als ein Jahrhundert vorausgesagt hat, gefolgt von der Familie der Idumäer, die über das Heilige Land herrschte. Die Tage des Königs Herodes waren weit entfernt von der Zeit, in der das Königreich des Herrn aufgerichtet werden wird.
Das Christentum hingegen kennt nur einen Erlöser. Die strahlenden Verheißungen Obadjas sind noch nicht erfüllt. Sie warten, wie alle anderen, die die Nationen und die Erde betreffen, auf das Erscheinen des Herrn Jesus und seines Reiches. Es ist nicht der ewige Zustand, wenn Gott alles in allem sein wird; denn dann wird das Reich dem Gott und Vater übergeben worden sein, wenn Er alle Herrschaft und alle Macht und Kraft weggetan haben wird. Denn Er muss herrschen, bis Er alle seine Feinde unter seine Füße gelegt hat. „Das Reich“ wird jene lange Zeitspanne sein, in der die göttliche Macht, verwaltet durch den Sohn des Menschen, die Erde veranlassen wird, gesegnete Ergebnisse nach Gottes Willen und Wort zu seiner Ehre zu offenbaren. Aber es wird eine Zeit der gerechten Herrschaft des großen Königs sein, das heißt eine Zeit, in der die Macht, verbunden mit Gerechtigkeit, das reichlich gegebene und in Barmherzigkeit erhaltene Gute auf der Erde offen belohnen und damit alles Böse niederschlagen wird, das sich zu zeigen wagt. Nicht so der ewige Zustand, der auf das Reich folgt; denn dann wird nach dem Gericht der Toten die ewige Scheidung stattgefunden haben, der neue Himmel und die neue Erde im absoluten Sinn, wo Gott bei den Menschen wohnt, ohne Tod, ohne Leid, ohne Geschrei, ohne Schmerz mehr, und die Bösen in den Feuersee, der der zweite Tod ist, geworfen worden sind.
1 Es gab auch ein Gebot, einen Ägypter nicht zu verabscheuen (5Mo 23,8), wozu das natürliche Gefühl durch eine stolze Erinnerung an Israels frühere Demütigung und Leiden im Land ihrer alten Knechtschaft veranlasst worden wäre: Gott wollte, dass sie großzügige, nicht rachsüchtige Erinnerungen pflegten.↩︎