Behandelter Abschnitt Rt 1,19-22
Der Empfang einer wiederhergestellten Seele
„Und so gingen beide, bis sie nach Bethlehem kamen. Und es geschah, als sie nach Bethlehem kamen, da geriet die ganze Stadt ihretwegen in Bewegung, und sie sprachen: Ist das nicht Noomi? Und sie sprach zu ihnen: Nennt mich nicht Noomi, nennt mich Mara; denn der Allmächtige hat es mir sehr bitter gemacht. Voll bin ich gegangen, und leer hat mich der Herr zurückkehren lassen. Warum nennt ihr mich Noomi, da der Herr gegen mich gezeugt und der Allmächtige mir Übles getan hat?
Und so kehrte Noomi zurück, und Ruth, die Moabiterin, ihre Schwiegertochter, mit ihr, die aus den Gebieten von Moab zurückkehrte; und sie kamen nach Bethlehem beim Beginn der Gerstenernte“ (1,19–22).
Dieser Teil der Geschichte Ruths endet wie selbstverständlich mit dem Empfang einer wiederherge- stellten Seele. Wir haben die Bitterkeit des Weges eines Abtrünnigen gesehen und sind den Spuren des gnädigen und wiederherstellenden Weges des Herrn gefolgt. Jetzt müssen wir lernen, dass die wahre Antwort auf die Wiederherstellung durch den Herrn der Empfang seitens des Volkes Gottes ist.
Die Augen fest auf das Land und das Volk Gottes gerichtet, eilten die wiederhergestellte Gläubige und die Neubekehrte weiter, bis „sie nach Bethlehem kamen“. Und als sie nach Bethlehem kamen, kam die ganze Stadt ihretwegen in Bewegung. Wir müssen zugeben, dass es in unserer Zeit wenig Kraft zur Wiederherstellung gibt. Kann es nicht sein, dass das so ist, weil wir so wenig Mitgefühl mit solchen haben, die gefallen sind? Gläubige fallen, das Böse wird verurteilt und mit denen, die das Böse verübt haben, wird richtig gehandelt, aber wir sind ihretwegen nur wenig bewegt, und wie selten finden daher Abtrünnige den Weg zurück zum Volk Gottes. Die Welt ist voller trauriger Herzen und gebrochener Herzen und verirrter Gläubiger, und sie werden so selten wiederhergestellt, und wir sind so selten ihretwegen bewegt!
Nichts wird das Werk der Wiederherstellung in einer Seele so vervollständigen wie das Mitgefühl der Gläubigen für diese Seele. So war es auch bei Noomi. Der liebevolle Empfang, mit dem sie empfangen wurde, öffnet ihr Herz und entlockt ihr ein schönes Bekenntnis, das die Echtheit ihrer Wiederherstellung bescheinigt.
Sie erkennt an, dass der Herr sie, wie tief sie auch gefallen ist, doch nicht aufgegeben hat. Sie spricht von den Tagen ihrer Irrwege und anerkennt, dass der „Allmächtige . . . mit mir gehandelt“ hat (V. 20, Darby Translation). Wir mögen aufhören, uns mit Ihm zu beschäftigen, aber Er liebt uns zu sehr, als dass Er aufhören könnte, mit uns zu handeln. Und das ist gut so, denn der Schreiber des Hebräerbriefes sagt: „Was ihr erduldet, ist zur Züchtigung: Gott handelt mit euch als mit Söhnen . . . Wenn ihr aber ohne Züchtigung seid, deren alle teilhaftig geworden sind, so seid ihr denn Bastarde und nicht Söhne“ (Heb 12,7.8).
Noomi bekennt, dass das Handeln, mit dem der Herr mit uns in unserer Abtrünnigkeit handelt, sehr bitter ist, und so muss sie hinzufügen, dass der Herr „sehr bitter“ mit ihr gehandelt hat.
Auch uns erinnert der Apostel, dass alle Züchtigung für die Gegenwart nicht ein Gegenstand der Freude, sondern der Traurigkeit zu sein scheint (Heb 12,11).
Noomi nimmt in sehr schöner Weise alle Schuld an ihren Irrwegen auf sich. Sie sagt: „Ich bin gegangen.“ Am Anfang der Geschichte lesen wir, dass ein Mann auszog, um sich in den Gebieten Moabs aufzuhalten, aber sie sagt kein Wort gegen ihren Mann. Sie beschuldigt nicht andere und entschuldigt nicht sich selbst.
Noomi nimmt alle Schuld an ihrer Abtrünnigkeit auf sich, aber sie schreibt zu Recht dem Herrn allein ihre Wiederherstellung zu. Sie sagt: „Der Herr hat mich zurückkehren lassen.“ Ich sorgte für mein Weggehen, aber der Herr sorgte für meine Rückkehr. Im gleichen Geist sagt David: „Er erquickt meine Seele“ (o.: „Er stellt meine Seele wieder her“; siehe Fußnote von Psalm 23,3).
In Augenblicken des Selbstvertrauens und der Selbstzufriedenheit mögen wir denken, wir könnten allein zu dem Herrn zurückkehren, aber kein Abtrünniger würde jemals zum Herrn zurückkehren, wenn Er ihn nicht wiederherstellen würde. Das Gebet des Herrn für Petrus, bevor er fiel, und der Blick des Herrn, als er fiel, brachen das Herz des Petrus und führten ihn zur Wiederherstellung. Petrus folgte von weitem und Petrus fiel, aber es war der Herr, der ihn zurückbrachte.
Noomi sagt nicht nur, dass der Herr sie zurückkehren ließ, sondern dass der Herr sie nach Hause brachte (V. 21, Darby Translation). Wenn der Herr zurückbringt, dann bringt Er in die ganze Wärme und Liebe des häuslichen Bereichs. Als der Hirte sein verlorenes Schaf auf die Schultern nahm, brachte er es nach Hause. Er scheint zu sagen: „Für mein Schaf ist nichts gut genug, außer mein Haus.“
Trotzdem ist es bewegend, dass sie anerkennen muss, dass, obwohl der Herr sie zurückkehren ließ, Er sie doch leer zurückkehren ließ. In der Zeit unseres Abirrens vom Herrn machen wir keine geistlichen Fortschritte. Der Herr muss sich vielleicht mit uns beschäftigen, um uns von allem zu entleeren, was unsere Seele am Fortschritt hindert. Wir müssen dann mit Noomi bekennen: „Voll bin ich gegangen und leer hat mich der Herr zurückkehren lassen.“ Wie alle, die abirren, musste auch Noomi leiden. Zwar wird sie auf herrliche Weise wiederhergestellt, zwar kommt sie wahrhaftig nach Hause und zum Volk des Herrn und zum Land des Herrn zurück, aber ihren Mann und ihre Söhne bekommt sie nicht zurück. Sie sind für immer fort. Sie suchte Sorglosigkeit und Ruhe von Kampf und Übungen, sie fand nur Tod und Verlust. Sie wurde leer zurückgebracht.
Aber wenn der Herr uns leer zurückbringt, dann bringt Er uns an einen Ort des Überflusses. So war es auch bei Noomi. Denn Noomi kehrte zurück „beim Beginn der Gerstenernte“.
Welch ein Trost für unsere Herzen. Wenn wir in unserem Mitgefühl füreinander versagen, bei dem Herrn gibt es kein Versagen. Noch eine kurze Zeit, dann wird der Herr seine armen, verirrten Schafe nach Hause bringen, und am Ende wird keins fehlen. Dann werden wir in der ewigen Heimat der Liebe die Fülle der himmlischen Ernte genießen. Es wird der Beginn einer Ernte des Segens und der Freude sein, die kein Ende haben wird.