Behandelter Abschnitt Rt 1,1922
Verse 19–22 | Noomi und Ruth kommen nach Bethlehem
Und so gingen beide, bis sie nach Bethlehem kamen. Und es geschah, als sie nach Bethlehem kamen, da geriet die ganze Stadt ihretwegen in Bewegung, und sie sprachen: Ist das [nicht] Noomi? 20 Und sie sprach zu ihnen: Nennt mich nicht Noomi, nennt mich Mara; denn der Allmächtige hat es mir sehr bitter gemacht. 21 Voll bin ich gegangen, und leer hat mich der Herr zurück kehren lassen. Warum nennt ihr mich Noomi, da der Herr gegen mich gezeugt und der Allmächtige mir Übles getan hat? 22 Und so kehrte Noomi zurück, und Ruth, die Moabiterin, ihre Schwiegertochter, mit ihr, die aus den Gebie ten von Moab zurückkehrte; und sie kamen nach Bethlehem beim Beginn der Gerstenernte.
Gemeinsam gehen Noomi und Ruth den Weg nach Bethlehem. Es ist an zunehmen, dass Ruth unterwegs ihre Schwiegermutter gefragt hat, wie das Leben früher in Bethlehem war. Alte Erinnerungen werden in Noo mi hochgekommen sein. Vielleicht hat sie darüber gesprochen, wie Gott für sein Volk gesorgt hat. Möglicherweise hat sie auch von dem Wegzug der Familie aus Bethlehem erzählt und warum sie von dort weggegangen sind. Sie wird das vielleicht auch in Moab schon einmal erzählt haben, aber jetzt spricht alles umso mehr zu Ruths Herzen. Sie sind ja auf dem Weg nach Bethlehem, mit der schönen Bedeutung Brothaus. Bald wird sie dort sein! Für Ruth wird es ein erstes Kennenlernen sein, dem sie erwar tungsvoll entgegensieht.
Bei Noomi werden andere Gefühle überwogen haben. Das zeigt sich auch in den ersten Worten, die sie in Bethlehem spricht. Diese Worte sind eine Reaktion auf das, was die Frauen sagen, die sie von früher kennen. Sie wird gespannt gewesen sein, wie es hier aussieht und ob sich während der Zeit ihrer Abwesenheit viel verändert hat. Noch gespannter wird sie darauf gewesen sein, wie die Menschen in ihrer Stadt auf ihre Rückkehr reagieren würden.
Diese Reaktion ist zu erwarten. Es geht eine Welle der Aufregung durch die Stadt. Ihre Rückkehr zum Volk Gottes bringt die ganze Stadt in Be wegung. Es geht von Mund zu Mund. Die Frauen, die sie von früher her kennen, sehen in dieser Noomi zwar jemand, die an die Noomi von früher erinnert, aber sie ist doch nicht mehr dieselbe. So angesehen sie früher war, so armselig kommt sie nun daher.
Aus der Reaktion der Stadt auf die Rückkehr Noomis können wir noch eine Lehre ziehen. Wenn wir das mit einer Person vergleichen, die vom Weg abgekommen ist und in die Gemeinde zurückkehrt, wie reagieren wir dann? Bewegt uns das? Es kann ein Schock sein, die Frage ist nur, ob vor Freude oder vor Schreck. Wer mit Reue zurückkehrt, muss von uns mit dem Zuspruch unserer Liebe aufgenommen werden (2Kor 2,6-8).
Als die Frauen sie mit ihrem Namen anreden, ein Name, der „Liebliche“ oder „Huldvolle, Angenehme“ bedeutet, erhebt sie Einspruch. Sie sollen sie nicht mehr mit diesem Namen ansprechen. Für sie ist das Leben nicht mehr lieblich und angenehm. Sie empfindet auch nicht, dass der Herr sie lieblich oder angenehm findet. Sie sollen sie lieber anders nennen, Mara, das bedeutet „Bitterkeit“. Durch ihr Abweichen hat sie die rechte Sicht auf den Herrn verloren und sieht nicht mehr, wer Er für sie sein will. Dadurch schreibt sie dem Herrn ungereimte Dinge zu. Sie beschul digt Ihn, den Allmächtigen, es ihr „sehr bitter gemacht“ zu haben.
Gott hat sich Abraham einst als „Gott, der Allmächtige“ (1Mo 17,1) vor gestellt. Auf der Grundlage dieses Namens hat Gott seinen Segensbund mit Abraham geschlossen. Noomi verwendet diesen Namen jedoch nicht, weil sie seinen Segen erfahren hat, sondern weil Er es ihr bitter gemacht hat. Der Allmächtige ist nicht für, sondern gegen sie. Er hat ihr nichts Gutes, sondern Böses angetan. Seine Allmacht ist ihr nicht zum Trost und zur Stärke gewesen, sondern ist ihrer Meinung nach die Ursa che ihres Elends.
Sie erkennt wohl an, dass sie selbst (sie betont „ich“) weggegangen ist. Es war ihre eigene Initiative. Sie ging freiwillig, ohne dass sie dazu ge zwungen wurde, und sie ging „voll“. Sie erkennt auch an, dass der Herr sie hat zurückkehren lassen. Nicht weil sie das wollte, sondern weil der Herr sie innerlich dazu gedrängt hat, ist sie zurückgekehrt. Das geschah, als sie leer war. Eigenwille ließ sie weggehen, Gnade brachte sie zurück. Sie ist auf dem Weg der Wiederherstellung, aber noch ist sie nicht voll ständig wiederhergestellt. Wiederherstellung ist ein Prozess. Die Zucht muss eine vollständige Auswirkung haben.
Wo der Weg der Wiederherstellung eingesetzt hat, sind die ersten Resul tate der vollen Ernte sichtbar. So ist es auch vielsagend, dass die beiden Frauen „beim Beginn der Gerstenernte“ nach Bethlehem kommen. Das bedeutet, dass das Volk damit beschäftigt ist, nach dem Passah die Erst lingsgarbe vom Feld zu holen. Die Erstlingsgarbe spricht von der Auf erstehung Christi. Zu diesem Zeitpunkt kehren sie zurück. Der Glaube darf das sehen. Auf dieser Grundlage findet Wiederherstellung statt.
Die Auferstehung Christi ist der Beweis dafür, dass sein Versöhnungs werk vollkommen von Gott angenommen wurde. Dadurch ist für jeden, der vom Weg abgekommen ist, Wiederherstellung möglich. Der „Beginn der Ernte“ beinhaltet die Verheißung der ganzen Ernte. Der Beginn der Wiederherstellung beinhaltet die Verheißung einer vollständigen Wie derherstellung.
Die Auferstehung Christi beinhaltet auch eine Verheißung. Er ist als „der Erstling“ (1Kor 15,23) aller, die entschlafen sind, auferstanden. Seine Auferstehung verheißt die Auferstehung aller, die des Christus sind. Die volle Ernte seines Werkes wird sichtbar werden, wenn Er in der Mitte all der Seinen auf der Erde erscheinen wird, um sein Friedensreich auf zurichten. Trotz all unseres Versagens dürfen wir darauf unsere Augen richten.