Behandelter Abschnitt Joh 20,1-2
In jedem der Evangelien ist die Auferstehung, so wie auch alles andere, in Übereinstimmung mit dem besonderen Gesichtspunkt des Evangeliums beschrieben. Zum Beispiel finden wir im Lukasevangelium, das den Herrn Jesus in seiner Vollkommenheit als den Sohn des Menschen darstellt, Einzelheiten, die beweisen, dass Er nach seiner Auferstehung immer noch wahrer Mensch war. So aß Er Fisch und von einer Honigscheibe. Nur Johannes zitiert im Einklang mit seinem Ziel, den „Eingeborenen vom Vater“ zu zeigen, die Worte des Herrn sofort nach seiner Auferstehung, dass Er im Begriff stand, zu seinem Vater aufzufahren.
Im Verlauf des Kapitels spielen sich drei verschiedene Szenen ab. Erstens finden wir in Johannes 20,1-18 die Begebenheit, früh am Morgen der Auferstehung, in der Maria Magdalene eine bedeutende Rolle einnimmt. Sie soll die Jünger bekanntmachen mit der neuen Stellung, in der sie sich nun befinden. Der Herr gebraucht sie, um die Seinen auf den neuen christlichen Boden zu führen. Zweitens finden wir in Johannes 20,19-23 den Bericht, wie der Herr seinen Jüngern am gleichen Tag abends erscheint und ihnen einen Vorgeschmack seiner Gegenwart und seiner Verwaltung in der Gemeinde gibt. Drittens wird in Johannes 20,24-31 beschrieben, auf welche Weise der Herr den Seinen acht Tage später erscheint. Diese Begebenheit scheint eine Vorschau des gottesfürchtigen Überrests der Juden zu sein, der in der Zukunft besondere Segnungen empfangen und den Anfang der Wiederherstellung Israels bilden wird.
Joh 20,1.2: 1 Am ersten Tag der Woche aber kommt Maria Magdalene früh, als es noch dunkel war, zur Gruft und sieht den Stein von der Gruft weggenommen. 2 Sie läuft nun und kommt zu Simon Petrus und zu dem anderen Jünger, den Jesus lieb hatte, und spricht zu ihnen: Sie haben den Herrn aus der Gruft weggenommen, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben.
Falls andere Frauen Maria begleiteten, so wie es die synoptischen Evangelien anzudeuten scheinen, wird nur Maria in dem Bericht von Johannes in den Vordergrund gestellt. Sie war von Dämonen besessen gewesen, aber der Herr hatte sie aus diesem schrecklichen Zustand erlöst. Nun hing ihr Herz an dem Einen, der sie befreit hatte, und sie hatte, zusammen mit einigen anderen Frauen, den Herrn begleitet und Ihm ergeben gedient (Lk 8,23; 23,55; 24,10). Es scheint jedoch, dass ihre Liebe tiefer war als die der anderen und sie deshalb in dieser wunderschönen Szene in den Vordergrund gestellt wird. Wir müssen daher diesem Bericht entnehmen, dass das, was Christus am meisten schätzt, die Liebe zu Ihm selbst ist. In seinen Augen ist Liebe wichtiger als Dienst. Die Gemeinde in Ephesus war vorbildlich in ihrer Mühe und Arbeit, um Ihm zu dienen, aber der Herr musste ihr sagen: „Du hast deine erste Liebe verlassen.“ Vielleicht werden viele Dienste mit einem Mangel an Liebe verrichtet, doch gibt es kaum eine tiefe Liebe für den Herrn, ohne dass Er uns in seinem Dienst gebraucht. Daher werden wir noch sehen, wie der Herr diese ergebene Frau als Bindeglied zwischen Ihm und seinen Jüngern gebraucht.
Ohne überhaupt eine Auferstehung des Herrn in Erwägung zu ziehen – denn anscheinend erwartete nicht einer der Jünger, dass Er auferstehen würde –, ist Maria unwiderstehlich durch Liebe hingezogen zu dem Ort der Grablegung des Herrn, die sie beobachtet hatte. Sie findet keine Ruhe in einer Welt, wo Christus nicht ist. Sie kommt „früh, als es noch dunkel war, zur Gruft“, doch sie bemerkt, dass der Stein weggenommen und das Grab leer ist. In ihrer Verzweiflung eilt sie zu den beiden leitenden Aposteln, um ihnen zu berichten: „Sie haben den Herrn aus der Gruft weggenommen, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben.“ Es ist deutlich, dass das leere Grab kein Beweis für Maria ist, dass der Herr auferstanden war; das Einzige, was ihr in den Sinn kommt, ist der unwürdige Gedanke, dass Weltmenschen es geschafft haben, den Leib des Herrn wegzutragen.