(Ein Auszug aus seinem Buch „Aus Glauben in Glauben“)
Der Zugang zur Gnade
Der Apostel schreibt an Kinder Gottes, also an Gerechtfertigte und ich hoffe, dass auch du, lieber Leser, ein Gerechtfertigter bist, losgelöst von der Vergangenheit und mit der Vergebung der Sünden verpflanzt in eine neue Welt durch den heiligen Geist, der uns als Siegel der Sündenvergebung geschenkt worden ist aus freier Gnade. Die Rechfertigung ist im Grunde ein Akt des Augenblicks, wenn es auch nicht so scheint. Es ist der Augenblick in dem ein Lichtstrahl auf unser vergangenes Leben gefallen war.
Nun sehen wir unser vergangenes, verlorenes Leben nicht mehr als etwas an, was nicht mehr gut gemacht werden kann, sondern wir betrachten es im Lichte Jesu Christi, der kam, um die Verlorenen zu retten, und der die verlorene Vergangenheit nicht nur vergibt, sondern sogar noch fruchtbar macht für die Ewigkeit. Das war es ja, was den Kirchenvater Augustinus veranlasste auszurufen: „Oh glückselige Schuld!“ Er war besonders tief gefallen - infolge dessen hatte im Gott tiefe Blicke in die Gnade geschenkt - aus der Tiefe der Schuld in die Tiefe der Erlösungsgnade. Wir brauchen aber nicht durch den tiefsten Sündenschlamm gegangen zu sein, um die Tiefe der Erlösungsgnade zu erfassen - wir brauchen uns nur unserem Gott hinzugeben, dann öffnet er uns den Blick in die Tiefe unserer natürlichen Verderbtheit, auch wenn wir vor Menschenaugen rein und unschuldig dastehen.
In der Erfahrung braucht die Rechtfertigung aber nicht immer ein einzelner Akt, der Akt eines Augenblicks, zu sein. Gott hat unsere Schuld getilgt und in der Bekehrung löst er uns von unserer Vergangenheit. Wenn wir aber durch die Wiedergeburt hineingeboren werden in eine kranke, sieche Gemeinde, wie das vielfach der Fall ist, so kann es geschehen, dass der Herr dem Einzelnen, der sich bekehrt, erst später - erst ganz allmählich - die Tiefe des Falls aufdecken, ihn erst ganz allmählich auf dieses oder jenes aufmerksam machen kann. Worauf er in der schwülen Luft lauer, nicht durchgeheiligter Kinder Gottes nicht aufmerksam werden konnte. Da kann es vorkommen, dass der Herr uns für Einzelnes erst das Gewissen weckt und uns erst Stufenweise von der Vergangenheit löst.
Vers 1: „Nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben“ - nicht durch besondere Übungen - nicht durch alle möglichen Übungen, in denen sich unsere teuren Brüder vor der Reformation in ihrer Aufrichtigkeit und in ihrem Durst nach Heiligung verzehrten - nein durch Glauben, durch Glauben an das Verdienst Jesu Christi, der unsere Sünden hinauf genommen hat ans Kreuz, der sie für immer und ewig getilgt und der niemand durch den Geist in das neue Heil einführt, ohne ihn zugleich einzuführen in ein neues Leben, in Lebensgemeinschaft mit Ihm. Andernfalls würden wir in der nächsten Stunde wieder ebenso befleckt dastehen, wie wir es vorher gewesen sind. Er hebt uns aus der Welt heraus und in Christo hinein - das ist eine neue Welt, unsere Heimatwelt; denn wir sind in und zu Christus geschaffen.
Dort ist unsere Heimat, und nur soweit wir in unserem Geiste zur Ruhe kommen, sind wir tüchtig in einem neuen Leben zu wandeln - zu wandeln in der Richtung zu Gott hin, so dass wir die Augen aufheben können zum Vater, als versöhnte Kinder, die Ruhe gefunden haben am Kreuze, die Gewissheit haben, dass ihre Sünden getilgt sind und die somit Frieden haben mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus! Das ermöglicht uns dann auch mit anderen als Friedenskinder umzugehen, auch wenn sie noch Waffen tragen, noch kriegerisch gesinnt sind. Wir sind Friedenskinder und durch die Macht des Friedens und der Friedensstellung Gott gegenüber haben wir Ausrüstung, alles feindliche Waffengeklirr zu überwinden, alles zu überwinden, was der freien Betätigung brüderlicher Gemeinschaft noch im Wege steht.
In den allen überwinden wir weit in der Macht des Friedens und des neuen Leben, das mit der Vergebung der Sünden mitgeteilt worden ist. Das ist etwas ununterbrochen Fortsetzendes. Als Versöhnte stehen wir nun in Verbindung mit der oberen Welt. Wir haben durch den gleichen Glauben, durch den wir gerechtfertigt worden sind, einen freien Zugang hinauf zu der Gnadenfülle für den täglichen Bedarf zum Ausharren und Stillesein, zu immer erneutem Vergeben. Es ist eine Fülle von Gnade, die sich nie erschöpft und die im täglichen Bedarf auch bei den widerwärtigsten Elementen vollkommen genügt. Und wo wir uns beklagt haben, dass man uns das Leben so schwer macht, lernen wir Gott danken, dass wir durch das Schwere in unserem Leben einen tiefen Einblick bekommen in die Tiefen der Gnade - eben weil wir durch diese tiefere Nöte gegangen sind als andere. Da hört das Klagen dann auf.
Auszug aus seinem Buch „Aus Glauben in Glauben“)
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