Behandelter Abschnitt Hag 2,10-19
Kapitel 2,10–19: Vierte Botschaft: Appell Gottes an das Gewissen der Juden, damit sie Gehorsam zeigen
Zwischen den Versen 9 und 10 dieses zweiten Kapitels liegt der Beginn der Weissagung Sacharjas. Diese Botschaft zeigt deutlich, dass jeder Verfall bei denen, die den damaligen Überrest bildeten, ebenso wie bei denen, die heute das Volk Gottes darstellen, einen schlechten geistlichen Zustand zum Ursprung hat. Eine Tätigkeit im Dienst des Herrn kann nicht gedeihen, wenn sie nicht von einem angemessenen moralischen Zustand begleitet wird. Ein solcher kann nur aufrechterhalten werden, wenn man sich von dem absondert, was dem Wort Gottes entgegensteht.
Damals konnte sich der Überrest nur dann angemessen um das Werk für Gott kümmern, wenn er sich getrennt hielt von allem, was dem Gesetz nach unrein war. Heute muss sich der Gläubige, der sich inmitten der Unreinheiten der Namenschristen auf den Herrn beruft, von der Ungerechtigkeit zurückziehen und sich von jedem Gefäß der Unehre reinigen, wenn er begehrt, „nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werk bereitet“ zu sein (2Tim 2,21).
Die Frage, die hier den Priestern gestellt wird, hebt zwei wichtige Wahrheiten hervor, die das tägliche Leben derer regieren soll, die in einer Zeit des Niedergangs den Gedanken Gottes entsprechen wollen.
Einerseits lernen wir, dass eine heilige Sache keinesfalls das heiligen kann, was sie berührt, z. B. Brot, etwas Gekochtes, Wein oder Öl. Die gängige Idee, dass wir die Welt reinigen können, wenn wir uns mit ihr verbinden, oder dem Volk Gottes helfen können, indem wir uns mit den verdorbenen Systemen vereinigen, in denen sich Gläubige befinden können, ist also illusorisch. Dies ist sogar eine Sünde, denn wenn wir so vorgehen, sind wir nicht nur den anderen keine Hilfe, sondern wir verunreinigen uns selbst (1Kor 15,33), da eine unreine Sache das verunreinigt, was sie berührt. So werden gesunde Äpfel durch einen verfaulten Apfel verdorben (vgl. V. 13 mit 4. Mose 19,11).
Leider handelten die Söhne Judas nach diesem falschen Grundsatz – sie achteten nicht darauf, geheiligt zu sein. Das Werk ihrer Hände sowie ihre Opfer waren deswegen in den Augen des Herrn verunreinigt. Sie hatten nicht verstanden, dass all ihr Wirken von Gott nicht gutgeheißen werden konnte (V. 14). Sie hielten eher an dem Opfer Kains fest als an dem Opfer Abels. Ebenso wie die Galater, die „im Geist angefangen“ hatten, standen sie jetzt in der Gefahr, „im Fleisch zu vollenden“ (Gal 3,3). Sie vergaßen die wahre Reinigung im Bekenntnis und im Glauben.
Es war jetzt an ihnen, ihr Herz auf die Wege Gottes zu richten (und nicht auf ihre eigenen, wie im ersten Kapitel)! Der Herr hatte in Bezug auf sie gemäß seiner regierungsmäßigen Zucht gehandelt, indem er sie mit Kornbrand, Vergilben und Hagel geschlagen hatte (V. 17; 5Mo 28,22).23 Er wollte, dass sie sich von dem, was sie verunreinigte, trennten und dass sie zuerst aufhörten, Böses zu tun, um dann zu lernen, das Gute zu tun. Und dennoch war keiner von ihnen zu ihm umgekehrt (V. 17; Amos 4,6-11). Wie lässt sich Gott doch zu seinem Volk herab, wenn er durch den Propheten sagt: „Und nun richtet doch euer Herz auf die Zeit von diesem Tag an und aufwärts“ (V. 15).
Andererseits können die, welche das Volk Gottes bilden, gesegnet werden – egal, wie groß ihre Vergehen auch sein mögen. Vorher müssen sie jedoch Buße tun, im Gehorsam auf Gottes Wort handeln und im Herzen anerkennen, wie Gott für sie gewirkt hat. Sobald der Überrest seine Arbeit am Haus Gottes in diesem geistlichen Zustand weiterführt, kann der Herr ihm sagen: „Von diesem Tag an will ich segnen“ (V. 19).
Diese Verheißung folgt direkt nach der Erwähnung der Tatsache, dass keine Saat mehr auf dem Speicher ist und dass „der Feigenbaum, der Granatbaum und der Olivenbaum (. . . ) nichts getragen“ haben. Aus menschlicher Sicht ist keine Hoffnung mehr vorhanden, vielmehr ist das Handeln Gottes gefragt. Welche Ermutigung, dass man sich allein auf die Gnade Gottes verlassen kann und dass man sich in dieser wunderbaren Gnade stärken kann!
Findet diese ernste Warnung, die zugleich eine große Ermunterung ist, nicht ein Echo bei dem heutigen Volk Gottes? Zum einen werden wir gewarnt, dass jede Abweichung auf dem praktischen Glaubensweg, die uns außerhalb des Lichtes Gottes stellt, das Gott uns in Bezug auf die Vorschriften hinsichtlich seines Hauses gegeben hat, Zucht und Tadel nach sich ziehen wird. Sobald wir jedoch im Licht der Wahrheit wandeln, im Gehorsam auf sein Wort, werden wir gesegnet.
23 Das Vergilben, eine Gräserkrankheit, ist auf ein Übermaß an Feuchtigkeit zurückzuführen, der Kornbrand auf zu viel Hitze, welche durch den Ostwind, den Wüstenwind (1Mo 41,6), verursacht wird. Es ist auffallend zu sehen, dass Gott sich noch heute dieser Art der Plage bedient. Die Folge dieser schlechten klimatischen Bedingungen wird in V 19 angegeben. Vor drei Monaten erfolgte der Weckruf; dennoch hatten sie keine Ernten, da sie noch unter den Konsequenzen ihrer Sünde zu leiden hatten. Die schmerzhaften Folgen früherer Sünden dauern recht oft über den Zeitpunkt hinaus an, an dem es Buße und Umkehr gab.↩︎