Behandelter Abschnitt 1Kor 7
Führt ungezwungen von diesen Gedanken zu bestimmten Fragen, welche dem Apostel in Hinsicht auf Ehe und Sklaverei vorgelegt wurden; das sind Fragen, die mit den verschiedenen Beziehungen dieses Lebens zu tun haben. Folglich gibt uns Paulus weiter, was er von dem Herrn gelernt hat sowie jene Gedanken, von denen er als Gebote des Herrn sprechen konnte. Damit unterschied er in der schönsten Weise nicht zwischen inspiriert und nicht inspiriert, sondern zwischen Offenbarung und Inspiration. Das ganze Wort Gottes ist inspiriert; darin gibt es keinen Unterschied. Kein Teil der Schrift ist weniger inspiriert als ein anderer. „Alle Schrift ist von Gott eingegeben“ (2Tim 3,16). Aber nicht alles ist seine Offenbarung.
Wir müssen unterscheiden zwischen Bibelstellen, die offenbart sind, und der Inspiration der ganzen Bibel. Wenn etwas durch Gott offenbart wird, dann ist es eine vollkommen neue Wahrheit und natürlich ein Gebot des Herrn. Das inspirierte Wort Gottes hingegen enthält Aussprüche aller Arten von Menschen und oft Gespräche gottloser Menschen ja, sogar des Teufels. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass letztere keine göttlichen Offenbarungen sind.
Gott teilt indessen häufig mit, was Satan oder gottlose Menschen sagen (z. B. Pilatus‘ Worte an unseren Herrn oder an die Juden). Augenscheinlich enthalten solche Aussprüche nichts, was „Offenbarung“ genannt werden könnte. Aber der Heilige Geist inspirierte den Schreiber des betreffenden Bibelbuchs, um uns genau mitzuteilen, was jene Personen sagten, oder Er offenbarte, was Gott über jene dachte. Nimm zum Beispiel das Buch Hiob, in dem die Aussprüche der Freunde angeführt werden! Welcher geistliche Leser könnte daran denken, dass diese in irgendeiner Weise autorisierte Ausleger der Gedanken Gottes waren? Verschiedentlich sagten sie sehr Falsches, manchmal Sprüche der Weisheit und oft Meinungen, die nicht das Geringste mit Hiob und seiner Angelegenheit zu tun hatten. Jedes Wort des Buches Hiob ist inspiriert. Heißt das jedoch, dass alle Sprecher notwendigerweise die Gedanken Gottes aussprachen? Tadelte nicht der eine Redner einen anderen oder alle Übrigen? Müssen wir darüber diskutieren? Auf den ersten Blick kann die obige Unterscheidung einer Seele große Schwierigkeiten bereiten. Bei einer reiferen Betrachtung wird hingegen alles klar und harmonisch; und das Wort Gottes wird herrlicher in unseren Augen.
So ist es auch in diesem Kapitel, in dem der Apostel sowohl das Gebot des Herrn als auch sein eigenes gereiftes geistliches Urteil gibt, welches, wie er ausdrücklich sagt, nicht ein Gebot des Herrn ist. Dennoch war er inspiriert, um sein Urteil abzugeben. So ist das ganze Kapitel inspiriert, der eine Teil genauso wie der andere. Bei der Inspiration gibt es keinen Unterschied. Was von den verschiedenen inspirierten Werkzeugen geschrieben wurde, ist so absolut von Gott, als hätte Er alles ohne ihre Mitwirkung selbst geschrieben. Es gibt keine Grade der Inspiration und auch keine Unterschiede. Aber im inspirierten Wort Gottes stehen nicht immer Offenbarungen. Manchmal leitete der Geist Gottes einen Mann bei einem Bericht über Dinge, die er gesehen und gehört hat. Manchmal berichtete jener Mensch durch den Geist Wahrheiten, die kein Mensch gesehen oder gehört haben konnte. Verschiedentlich handelt es sich um eine Prophetie hinsichtlich der Zukunft, in anderen Fällen um eine der Zeit angemessene Mitteilung der Gedanken Gottes über seine ewigen Absichten. Dennoch ist alles dies in gleicher Weise göttlich inspiriert.
Der Apostel legt also soweit ich es hier kurz skizzieren kann - dar, dass es Fälle gibt, in denen eine Heirat unbedingt zur Pflicht wird. Doch zweifellos gab es auch den besseren Weg einer uneingeschränkten Hingabe an Christus. Gesegnet ist jeder, der sich so ohne Hindernis dem Dienst für den Herrn weiht. Es muss jedoch eine Gabe Gottes sein. Der Herr Jesus hat denselben Grundsatz aufgestellt; denn es ist wohl kaum nötig, darauf hinzuweisen, dass wir in Matthäus 19 dieselbe Wahrheit in einer anderen Form finden.
Während der Herr also seinen Apostel auf diese Weise verwendet, um uns sowohl sein Gebot als auch seine Gedanken mitzuteilen, wird uns das allgemeine Prinzip hinsichtlich der Lebensbeziehungen vorgestellt. Ausführlich wird festgelegt, dass ein Erlöster in den Umständen bleiben soll, in welchen er berufen wurde, und zwar aus sehr gesegneten Gründen. Angenommen, jemand war ein Sklave - er ist jetzt schon als ein Christ ein Freigelassener des Herrn. Wir müssen bedenken, dass es in jenen Tagen überall Sklaven gab. Die Herrschenden der damaligen Zeit nahmen sie aus allen Gesellschaftsklassen und Ländern. Es gab hochgebildete Sklaven, die früher eine hohe Stellung im Leben eingenommen hatten. Muss gesagt werden, dass jene Sklaven sich häufig gegen ihre grausamen Herren erhoben?
Die Erkenntnis Christi und der Besitz der göttlichen Wahrheit konnte ihr Empfinden von dem Schrecken ihrer Stellung nur noch vergrößern, falls nicht die Gnade dem entgegenwirkte. Setzen wir zum Beispiel den Fall, dass eine edle Person, der in ihrer Seele die Wahrheit Gottes mitgeteilt worden war, als Sklave einem Herrn dienen musste, der in all dem Schmutz des Heidentums lebte - was für eine Übung, in einer solchen Stellung zu dienen! Der Apostel legt den Nachdruck auf die Wahrheit von jener Freiheit in Christus, welche die Christenheit beinahe vergessen hat, nämlich, dass ich als Sklave Christi schon freigemacht bin. Unvergleichlich ist der Wert der Arbeit, die ein solcher Sklave tut. Zwanzig Millionen Christen legen keinen Wert auf eine derartige Freilassung. Wenn hingegen mein Herr mir die Freiheit schenken will, dann sollte ich sie annehmen. Sind der Sprachstil und die Gefühle des Apostels nicht bemerkenswert? Der Christ besitzt selbst als Sklave die höchste denkbare Freiheit. Jede andere Freiheit beruht auf den Umständen. Wenn du auf der anderen Seite ein freier Mensch bist, dann sehe zu, wie du deine Freiheit benutzt! Gebrauche sie als ein Sklave des Herrn! Der Freie wird an seine Knechtschaft erinnert, der Sklave an seine Freiheit. Welch ein wunderbarer Gegensatz zum Menschen ist der Zweite Mensch! Wie durchkreuzt diese Wahrheit alle Gedanken, Umstände und Hoffnungen des Fleisches!
Danach stellt Paulus am Ende des Kapitels die verschiedenen Lebensbeziehungen vor uns, wie sie durch das Kommen des Herrn beeinflusst werden. Nichts könnte mehr die Bedeutung jener Hoffnung als eine praktische Kraft zeigen. Es gibt nicht nur unmittelbare Anspielungen auf einen Gegenstand, wenn das Herz von diesem erfüllt ist, sondern auch mittelbare; und letztere sind stärkere Zeugnisse, welch einen Platz jener in unseren Herzen einnimmt, als die ersteren. Schon ein einfacher Hinweis verbindet uns dann mit dem, was unsere Freude und ständige Erwartung ausmacht. Falls ein Gegenstand hingegen wenig vor dem Herzen steht, dann muss er ausführlicher erklärt, bewiesen und immer erneut dargeboten werden. Aber dieses Kapitel stellt den Korinthern lebendig vor, wie alle äußeren Dinge vergehen, auch die Gestalt dieser Welt. Die Zeit ist kurz. Es ist zu spät, um einem Schauplatz, der sich so verändern wird, viel Bedeutung beizumessen oder dieses oder jenes hienieden zu suchen, wenn ein solcher Morgen vor unseren Augen steht. Daher werden jene Männer, welche Ehefrauen haben, aufgefordert, sich als solche zu betrachten, die keine haben. Die Kaufenden und Verkaufenden sollten über den Dingen stehen, welche das Geschäftsleben ausmachen. Kurz gesagt, Paulus stellt Christus und sein Kommen als die eigentliche Wirklichkeit vor. Alles andere sind nur Schatten, Umwandlungen und Bewegungen einer Welt, die schon jetzt unter unseren Füßen zerbröckelt. Kein Wunder also, dass der Apostel seine Ausführungen mit seinem eigenen Urteil zum Abschluss bringt, nämlich dass jener Mensch am glückseligsten ist, der sich nicht im Geringsten in die Dinge dieser Welt einlässt und sich ganz und gar Christus und seinem Dienst weiht.