Behandelter Abschnitt 1Kor 6-8
Es gab noch einen weiteren ernsten Fall: Ein Bruder verklagte einen anderen vor Gericht. Wir sehen keine Veranlassung zu dem Gedanken, dass die Korinther so weit gefallen waren, mit einem Weltmenschen vor Gericht zu gehen. Das würde ein noch tiefer herabreichender Schritt gewesen sein. „Es rechtet Bruder mit Bruder, und das vor Ungläubigen!“ (V. 6). Wie oft hört man heutzutage die Worte: „Nun, wir hätten von einem Bruder Besseres erwartet. Jetzt soll er die Folgen seiner bösen Tat auch erfahren.“ Das waren die Gefühle des Klägers in Korinth. Welche Waffe benutzt der Apostel in diesem Fall? Er stellt den erhabenen Platz in der Herrlichkeit vor, den Gott für den Christen vorgesehen hat. „Wisset ihr nicht, daß die Heiligen die Welt richten werden? . . . daß wir Engel richten werden?“ (V. 2f). Gehen solche Menschen vor heidnische Gerichte? Daran sehen wir, wie praktisch die ganze Wahrheit Gottes ist und wie Er das strahlende Licht des herannahenden Tages auf die geringsten Angelegenheiten des alltäglichen Lebens wirft.
Außerdem, es gab keine Gegend in der Welt, wo die persönliche Reinheit unbekannter war als in Korinth. Ja, so waren die Gewohnheiten in der antiken Welt. Es würde nur die Ohren und die Gedanken der Kinder Gottes beschmutzen, wenn ich irgendwelche Beweise von der Verworfenheit, in welcher die damalige Welt lag, anführen wollte; und dieses galt sogar für ihren besten Zustand, die größten Weisen und vornehmsten Menschen nicht ausgenommen. Das sind, ach!, die Schriften, welche der Jugend unserer Tage in die Hand gegeben werden1 und sich vielleicht mehr als jemals zuvor in ihren Köpfen2 befinden. Jene Weisen, Dichter und Philosophen der alten heidnischen Zeit lebten häufig gewohnheitsmäßig in unnatürlichem sittlichen Schmutz und dachten sich nichts dabei. Die Heiligen Gottes stehen in der Gefahr, durch die Atmosphäre der äußeren Welt beeinflusst zu werden, nachdem die erste Hingabe der Gnade abgekühlt ist. Dann neigen sie dazu, ihre alten Gewohnheiten wieder aufzunehmen. So war es sicherlich bei den Korinthern.
Folglich wurden diese Gläubigen zu ihrer früheren Unreinheit des Lebens zurück verführt, als das himmlische Licht schwächer wurde. Wie beschäftigte sich der Apostel damit? Er erinnerte sie an das Wohnen des Heiligen Geistes in ihnen. Welch eine Wahrheit! Mit welcher Kraft wirkt sie auf den Gläubigen! Der Apostel schreibt nicht einfach, dass sie erlöst sind, obwohl er das natürlich auch anführt. Noch weniger erörtert er mit ihnen die sittliche Schändlichkeit der Sünde oder zitiert er das Gesetz Gottes, welches die Sünde verdammt. Er stellt ihnen nachdrücklich dasjenige vor, was das besondere Teil eines Christen ist. Hier ging es nicht um eine Frage bezüglich des Menschen, Jude oder Nichtjude, sondern eines Christen.
Darum erinnert er sie an die kennzeichnend christliche Segnung: Der Heilige Geist wohnt in dem Gläubigen und macht dessen Leib (nicht seinen Geist, sondern seinen Leib) zu einem Tempel des Heiligen Geistes. Gerade in dieser Beziehung hatte der Feind anscheinend jene Korinther in die Irre geführt. Sie fanden Gefallen an dem Gedanken, dass sie durchaus rein im Geist sein konnten, auch wenn sie mit ihrem Leib taten, was sie wollten. Nein, antwortet der Apostel, der Leib ist der Tempel des Heiligen Geistes. Der Leib gehört dem Herrn und Heiland. Daher beansprucht Er sowohl den Geist als auch den Leib für sich. Zweifellos ist es etwas Großes, wenn der Geist von Christus erfüllt ist. Andererseits kann das zügellose Fleisch des Menschen durchaus über den Herrn reden und zur selben Zeit dem Bösen gegenüber nachsichtig sein. Diese Handlungsweise wird abgestellt durch die gesegnete Tatsache, dass der Heilige Geist schon jetzt in dem Christen wohnt; er ist nämlich um einen Preis erkauft worden. So hält gerade die Berufung zur Heiligkeit den Heiligen Gottes stets in einem Bewusstsein von seinen ungeheuren Vorrechten sowie seiner vollkommenen Erlösung.
1 Anm. d. Übs.: Kelly spricht hier von den antiken Schriftstellern Ovid, Horaz, usw., deren Lektüre bis vor wenigen Jahrzehnten zur klassischen Schulbildung gehörte und die vielleicht heute noch in manchen Schulen gelesen werden.↩︎
2 Anm. d. Übs.: Im englischen Original steht an dieser Stelle „hands“ („Hände“). Da Kelly gerade vorher schon von den Händen gesprochen hat, vermute ich, dass ein Textfehler vorliegt und dass hier, was sinngemäß und von der Buchstabenfolge her gut passt, vielleicht „heads“ (= „Köpfe“) stehen sollte.↩︎