Behandelter Abschnitt 1Kor 5
Mit Kapitel 5 betreten wir einen anderen und noch schmerzvolleren Abschnitt des Briefs. Ein schreckliches Beispiel von Sünde war offenbar geworden - so anstößig in der Tat, dass es noch nicht einmal unter den Nationen statt findet. Es handelte sich um einen Fall von Blutschande (Inzest) und das unter den von Gott Berufenen und in Christus Jesus Geheiligten! Nicht im Geringsten wird die Frage erhoben, ob die schuldige Person ein Erlöster war oder nicht. Noch weniger erlaubte Paulus jene Einwände, welche so oft und in schmerzlicher Weise zur Beschönigung angeführt werden: „Oh, er (oder sie) ist doch ein lieber Christ!“ Christliche Zuneigung ist sehr schön.
Als Brüder sollen wir einander sogar lieben bis zur Hingabe unseres Lebens. Es ist auch völlig richtig, das Werk anzuerkennen, das Gott gewirkt hat, insbesondere wenn es durch seine Gnade geschah. Falls jedoch eine Person, die den Namen des Herrn trägt, durch Unwachsamkeit in Böses gefallen ist, welches natürlich den Heiligen Geist betrübt und dem Schwachen Anlass zum Straucheln gibt, dürfen wir nicht mehr so reden. Im Gegenteil ist jetzt die Zeit gekommen, gerade aus der Liebe heraus, die Gott eingepflanzt hat, uns sehr ernst mit den Dingen zu beschäftigen, die den Namen des Herrn verunehren. Mangelt es dann an Liebe zu dieser Person? Gerade der Apostel zeigte kurze Zeit später, dass er mehr Liebe zu dem Sünder hatte als irgendeiner von den Korinthern.
Der 2. Korintherbrief ersucht sie ernstlich, ihre Liebe zu dem, der hinausgetan werden musste, wieder zu betätigen. Jetzt waren sie ihm gegenüber zu streng, während sie anfangs zu lässig gewesen waren. In unserem Kapitel musste erst ihr Gewissen geweckt werden. Sie waren es dem Herrn Jesus schuldig, sich mit dieser Angelegenheit zu befassen. Es ging nicht nur darum, den anstößigen Mann loszuwerden. Sie mussten gewiss auch nachweisen, dass sie in dieser Sache rein waren. Nachdem der Schuldige jedoch zur Buße gekommen war, stellte Paulus ihnen einen anderen Weg vor. „Ich, zwar dem Leibe nach abwesend, aber im Geiste gegenwärtig, habe schon als gegenwärtig geurteilt . . . “ (V. 3).
Der Fall war außerordentlich anstößig; und es gab keine Frage. Die Tatsachen waren nicht anzuzweifeln, der Skandal unerhört. „Ich . . . habe schon als gegenwärtig geurteilt, den, der dieses also verübt hat, im Namen unseres Herrn Jesus Christus (wenn ihr und mein Geist mit der Kraft unseres Herrn Jesus Christus versammelt seid) einen solchen dem Satan zu überliefern zum Verderben des Fleisches.“ Es wurde nicht erörtert, ob die Person bekehrt war oder nicht. Tatsache ist, dass kirchliche Zucht voraussetzt und von der Grundlage ausgeht, dass jene, an denen sie ausgeübt wird, Christen sind. Andererseits geht es bei Fragen der Zucht nicht um die Entfaltung christlicher Zuneigungen. Letztere würden unser Gewissen in die Irre führen und unsere Augen von dem Punkt weglenken, auf den der Heilige Geist unsere Aufmerksamkeit richtet.
In der Mitte der Korinther gab es ein schlimmes Übel; und da es bekannt war, aber nicht gerichtet wurde, waren alle darin verwickelt. Niemand konnte rein sein, bevor es nicht hinausgetan war. Der Apostel drückt sein Verlangen aus, dass durch das „Verderben des Fleisches“ der Geist jenes Mannes am Tag des Herrn errettet werde. Dennoch fordert er die Heiligen in Korinth auf, so zu handeln, wie es der Name des Herrn erfordert, und zwar auf der Grundlage dessen, dass sie „ungesäuert“ waren. Falls sie frei von dem Bösen waren, dann sollten sie auch entsprechend handeln. Sie sollten in der Praxis jene Reinheit bewahren, die dem Grundsatz nach ihr Teil war. Sie waren ungesäuert und sollten deshalb „ein neuer Teig“ (siehe Fußnote) sein. Bekanntermaßen war noch „alter Sauerteig“ unter ihnen. Was hatte er dort zu suchen? „Tut den Bösen von euch selbst hinaus!“ (V. 13). Sie sollten den Bösen nicht nur vom Tisch des Herrn „hinaustun“ das wird nicht gesagt -, sondern „von euch selbst.“ Dies ist viel schwerwiegender als ein Ausschließen von jenem Tisch. Natürlich bedeutet es ein Ausschluss vom Tisch des Herrn, aber auch von ihren eigenen Tischen. Sie werden aufgefordert, „mit einem solchen selbst nicht zu essen“ (V. 11). Eine gewöhnliche Mahlzeit oder irgendeine vergleichbare Tätigkeit drückt selbst in den natürlichen Dingen Gemeinschaft mit einer Person aus, welche auf diese Weise den Herrn verunehrt, und wird deshalb verboten.
Beachten wir auch: Sie mussten hinaustun! Der Apostel handelte keinesfalls für sie. Gott legte besondere Sorgfalt darauf, dass dieser Fall, welcher eine bis zum äußersten gehende Zuchthandlung erforderte, dort auftrat, wo der Apostel nicht anwesend war. Welche bewundernswerte Unterweisung für uns, die wir keinen Apostel mehr unter uns haben! Auch kann niemand vorgeben, dass es sich in unserem Kapitel um eine Versammlung mit einer hohen Stufe an Erkenntnis und Geistlichkeit handelte. Im Gegenteil! Die Verantwortlichkeit zur Zucht beruht auf unserer Beziehung als eine Versammlung zum Herrn und hängt nicht ab von veränderlichen praktischen Zuständen. Die Korinther waren „Kleinkinder“, sie waren fleischlich.
Der Apostel, welcher sie sehr liebte, konnte sie nicht als geistlich bezeichnen. Nichtsdestoweniger beruhte diese Verantwortlichkeit auf der Tatsache, dass sie Glieder Christi waren sein Leib. Wenn Erlöste im Namen des Herrn versammelt sind und somit Gottes Versammlung darstellen - wenn sie den Glauben besitzen, um diese Stellung hienieden einzunehmen und den Heiligen Geist in ihrer Mitte anwesend anzuerkennen, dann besteht in dem Dargelegten - und nichts Geringerem ihre Verantwortlichkeit. Auch hat der ruinierte Zustand der Kirche (Versammlung) keinen Einfluß auf diese Frage, noch befreit er die Gläubigen von ihrer Pflicht gegen den Herrn. Die Versammlung in Korinth hatte schon bald im Großen und Ganzen schwerwiegend versagt. Das war umso anstößiger, wenn wir den Glanz der ihnen geschenkten Wahrheit und die auffallende Entfaltung der göttlichen Kraft in ihrer Mitte bedenken. Die Anwesenheit von Aposteln auf der Erde, die schöne Entfaltung der Pfingstgnade in Jerusalem und die nur kurze Zeitspanne, seitdem sie aus dem Heidentum in eine Stellung der Gnade Gottes gebracht worden waren - alles dieses machte den gegenwärtigen Zustand der Korinther umso schmerzvoller. Doch nichts kann jemals die Erlösten von ihrer Verantwortlichkeit, sei es als Einzelperson, sei es als Versammlung, frei machen. „Tut den Bösen von euch selbst hinaus!“
Wir müssen noch einen anderen Gesichtspunkt betrachten! Der Maßstab des Heiligen Geistes über Sünde entspricht nicht dem des Menschen. Wer von euch, liebe Geschwister, würde einen Schmäher mit einem Ehebrecher auf eine Stufe stellen? Ein Schmäher ist ein Mensch, der eine beleidigende Sprache verwendet, um einem anderen zu schaden. Das ist nicht ein vorübergehender Ausbruch des Fleisches (so traurig dieser ist), welcher vielleicht provoziert worden ist oder auf jeden Fall auf Unwachsamkeit zurückgeführt werden kann. Die Gewohnheit, Übles zu reden, kennzeichnet einen Menschen als Schmäher; und ein solcher ist unpassend für die Gemeinschaft der Heiligen oder die Versammlung Gottes. Das ist der alte Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit (V. 8). Diese Person ist unrein. Zweifellos urteilt die Welt anders.
Hier geht es indessen nicht um das Urteil der Welt. Die Korinther standen jedoch unter ihrem Einfluß. Der Apostel hatte schon gezeigt, dass ein Wandel in Menschenweise nicht den Standard eines Christen erreicht. Jetzt sehen wir, dass ein Wandel wie die Welt - mag er auch noch so verfeinert sein - stets den Christen der Gefahr aussetzt, verderbter als die Menschen der Welt zu handeln. Gott hat seinen Kindern den Namen Christi aufgeprägt; und alles, was seinen Namen nicht zum Ausdruck bringt, passt weder zum Christen noch zu Gottes Versammlung. Die Korinther wurden in Person alle entsprechend der Gnade, der Heiligkeit und der Herrlichkeit Christi als verantwortlich angesehen bezüglich der Sünde, die in ihrer Mitte begangen worden war und von der sie wussten. Sie waren verpflichtet, sich in ihren Wegen rein zu halten.