Behandelter Abschnitt 1Kor 5,1-2
Es gab einen schwerwiegenden Grund, warum der Apostel von einer solchen Alternative als einer „Rute“ sprechen sollte. Denn die Versammlung in Korinth hatte zu der Zeit keinen glücklichen Namen, wenn das allgemeine Gerücht stimmte.
Überhaupt hört man, dass Hurerei unter euch sei, und zwar eine solche Hurerei, die nicht einmal unter den Nationen vorkommt: dass einer seines Vaters Frau hat. Und ihr seid aufgebläht und habt nicht vielmehr Leid getragen, damit der, der diese Tat begangen hat, aus eurer Mitte weggetan würde (5,1.2).
Es war erschütternd genug, dass ein so ungeheures Übel Eingang in die Versammlung Gottes gefunden hatte. Aber was den Apostel am meisten betrübte – und das war auch gut so – war die Duldung des Übeltäters in ihrer Mitte. Die Versammlung kann einen Christen nicht daran hindern, in die schlimmste Sünde zu fallen, aber sie ist verpflichtet, mit dem Bösen so umzugehen, wie sie mit Christus vor Gott und den Menschen identifiziert ist. Hier auf der Erde ist der Grund ihres Seins: Sie ist der Tempel Gottes, wie Paulus in Kapitel 3 zur Warnung vor unsauberen und verderblichen Theorien angemahnt hatte; wenn aber diese heilige Wohnung Gottes durch den Geist mit falscher Lehre unvereinbar ist, so gewiss und noch offensichtlicher mit Unmoral. Nun gab es in ihrer Mitte eine Abartigkeit, die über die Praxis der Heiden hinausging – ein sogenannter Bruder, der mit seiner Stiefmutter lebte!
Zugegeben, die Versammlung in Korinth war jung in der Erkenntnis des Herrn, und nur wenige, wenn überhaupt, Männer mit geistlicher Erfahrung waren unter ihnen. Gaben hatten sie reichlich; aber Älteste werden nirgends angedeutet, wie wir ja wissen, dass sie nicht in einem kindlichen Zustand waren und auch nicht sein konnten. Und die göttliche Weisheit, daran zweifle ich nicht, wählte eher diesen Zustand als einen reiferen und voll ausgestatteten, umso besser für die Anforderungen eines Tages wie dem unseren vorzusorgen.
Aber sicherlich hätten die jüngsten Gläubigen zumindest über eine solche Sünde entsetzt sein müssen, wo Gottes Geist wohnte. Sie hatten vielleicht keine besondere Belehrung über die Zucht oder frühere Fälle von Bösem, während der Apostel bei ihnen war. Aber warum trauerten sie nicht, dass der, der solch ein Übel in der Versammlung angerichtet hatte, entfernt würde? Demütigung und Gebet sind die Mittel derer, die ein Unrecht spüren und noch nicht wissen, wie es zu beheben ist; und der Herr hätte für sie gehandelt oder ihnen gegeben, für Ihn zu handeln. Stattdessen waren sie „aufgebläht“ – eine ernste Verschlimmerung des Unheils. Ich will nicht so weit gehen, anzunehmen, dass der Übeltäter einer von denen war, auf die sie stolz waren und die der fleischlichen Menge halfen, auf den Apostel zu schimpfen. Doch es scheint klar genug zu sein, dass die selbstherrliche Lehre und die schlechte Moral in seinem Geist zusammengingen. Hatten sie den Keim jener unheiligen Idee in ihr Herz gelassen, die in modernen und sogar evangelikalen Kreisen so weit verbreitet ist, dass das Böse eines anderen nicht zu richten sei, sondern jeder nur sich selbst zu richten habe? Es ist zur Zerstörung der Herrlichkeit Gottes in der Versammlung. Denn was kann direkter alle gemeinsame Verbundenheit im Guten, alle gemeinsame Verantwortung für das Böse angreifen? Wo solche Ansichten geduldet werden, ist es klar, dass die Gegenwart des Heiligen Geistes entweder ignoriert oder vergessen wird; denn kein Gläubiger wird absichtlich sagen, dass er ein Genosse der Ungerechtigkeit sein kann, und das muss er sein, wenn das Böse bekannt ist und nicht gerichtet wird, dort, wo Er wohnt.