Behandelter Abschnitt Joh 2,1-25
Im ersten Kapitel fanden wir die Kirche und Israel in den beiden Gruppen dargestellt, die sich um Christus sammelten.
Demgemäß kommen wir im zweiten Kapitel, Verse 1-12, zum „dritten Tag“ oder zur Hochzeit, auf der Jesus selbst für den Wein sorgte.
Diese Umstände geben uns eine Erklärung der vorbildlichen Bedeutung dieser Szene. Denn der „dritte Tag“ (auch der Auferstehungstag war der dritte Tag), die Hochzeit und der Wein, für den der Herr selbst sorgte, sind Dinge, die für den mit der Schrift Vertrauten in Verbindung mit dem Reich stehen. Ich zweifle nicht daran, dass diese Hochzeit das kommende Reich des Herrn darstellt, wo Er als König und Bräutigam zugleich erscheinen wird.
Zu dieser Hochzeit in Kana war der Herr als Gast eingeladen worden, aber am Schluss derselben wird Er der Gastgeber, der den Wein besorgt und austeilt. So wird Er selbst, nachdem wir die geringere Freude geschmeckt haben, die unser Fleiß und unsere Geschicklichkeit uns gegeben haben mögen, bald die Freude des Reiches zubereiten und mit uns neu von der Frucht des Weinstocks trinken. Durch diese einfache, gnädige Handlung verwandelt der Herr dieses bloße Hochzeitsfest in Kana in ein Geheimnis und macht es zu einer Gelegenheit, Seine Herrlichkeit zu offenbaren, indem Er darin das Reich vorstellt, das Nathanael in Seiner Person erkannt hatte. Er selbst wird der Gastgeber oder Bräutigam. Der Speisemeister ruft den Bräutigam, der sie eingeladen hatte, als sei er der Spender; aber es war Jesus, der die Freude bereitete und der den guten Wein für Sein Volk noch bis zuletzt aufbewahrt, bis alle andere Freude vorüber ist. Jesus war der wahre Bräutigam. Das war das Fest, wo Er das Wasser in Wein verwandelte. So wird Er im Reich alle unsere Quellen der Freude bei Seite setzen und schenken, „was kein Auge gesehen . . . hat und in keines Menschen Herz aufgekommen ist“.
Ich möchte diese Gelegenheit benutzen, darauf hinzuweisen, für wie lebendig wir diese Zusicherung halten sollten, dass Freude unser Teil sein wird, das uns bestimmte notwendige Element, worin sich unsere Ewigkeit bewegt. Unsere Herzen sind freilich gewohnt, Freude mit Argwohn zu vermischen, aber wir müssen diese Neigung von uns weisen und das Herz in eine andere Richtung lenken. Freude ist das Wesentliche; Mühsal, Gefahr und Sorge sind nur untergeordnet, wie jemand gesagt hat. Das ist eine Wahrheit voller Trost. Als die Ratschlüsse vor alters gefasst und die Ordnung der Schöpfung geplant wurden, war das eine Zeit und ein Schauplatz göttlicher Freude. Die Weisheit war damals des Herrn Wonne, und der Weisheit (oder Christi) Wonne war bei den Menschenkindern und auf dem bewohnten Teil Seiner Erde (Spr 8). Diese Freude Gottes wurde anderen mitgeteilt; die Engel empfanden sie und machten sie sich zu eigen (Hiob 38,7). Und natürlich jubelte auch die Schöpfung am Tag ihrer Geburt.
Der Zusammenbruch dieses Systems, der durch den Abfall des Menschen hervorgerufen wurde, hat die Freude nicht gehemmt, sondern nur ihren Charakter verändert. Die Erlösung wird zu einer anderen Quelle der Freude, die erhabener, größer und inniger ist. Die neue Schöpfung wird der Anlass zu einer weit größeren Freude sein, als die alte es gewesen ist. Welch ein Fraß kam aus dem Fresser, welch eine köstliche Speise für die Seele Jesu! Welche Süßigkeit sogar für Gott kam aus dem Starken, und welche Quellen der Erfrischung selbst himmlischer Regionen öffneten sich im unfruchtbaren Sand dieser verderbten Welt!
Die ganze Schrift gibt uns Zeugnis davon, und wir brauchen nichts weiter aufzuzählen. Doch muss ich den vorliegenden Versen noch etwas hinzufügen, so lieblich sind diese Berichte für das Interesse der Heiligen an diesen Dingen. Die Diener allein sind es, die mit dem Herrn in Verbindung gebracht werden. Sie sind mit Seinen Geheimnissen vertraut, während sogar der Speisemeister nichts davon weiß. Auch die Mutter des Herrn, die dem Fleisch nach mit Ihm verwandt ist, muss abseits stehen (V. 4). Es sind die Diener, die Ihm während der ganzen Szene am nächsten stehen. So ist es auch mit uns, Geliebte. Jesus, der Herr der Herrlichkeit, der Erbe aller Dinge, war hier auf der Erde ein Diener. Er kam nicht, „um bedient zu werden, sondern um zu dienen“, und diejenigen, welche den niedrigsten Dienst versehen, werden Ihm am nächsten gebracht. An dem Tag, an welchem Er den wahren Wein des Reiches austeilen wird, werden Seine Knechte, die Ihm gedient haben, wie hier, unter Seiner Leitung Spender der Freude und als Mitwisser des Geheimnisses Seiner Herrlichkeit ausgezeichnet sein. „Wenn mir jemand dient, so wird der Vater ihn ehren.“
Danach sehen wir in den Versen 13-22 unseren Herrn in Jerusalem mit Autorität den Tempel reinigen und so die königlichen Vorrechte des Sohnes Davids geltend machen (S. Mt 21,12). Er wird herausgefordert hinsichtlich Seines Anspruchs auf diese Autorität und führt als Beweis einfach Seinen Tod und Seine Auferstehung an7. „Brecht diesen Tempel ab“, sagt Er, „und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten“. Und so ist es; dies ist Sein Rechtsanspruch. Seine Rechte und Würden als Schöpfer der Welt und Herr Israels waren Ihm, wie wir sahen, verweigert worden (Joh 1,10.11), und Sein Anspruch darauf wurde abgelehnt. Wir wissen aber, dass Er alle Macht im Himmel und auf der Erde durch einen anderen Rechtstitel erworben hat, nämlich durch den Tod und die Auferstehung, wodurch Er den unrechtmäßigen Besitzer verdrängt und dem Menschen das verwirkte Erbe wiedergewonnen hat. Das gibt Ihm ein sicheres, unbestreitbares Recht auf alle Dinge.
Die Apostel sprechen ständig von dem Tod und der Auferstehung des Herrn als der Grundlage und dem Siegel Seiner Ansprüche auf mannigfaltige Ehren und Herrlichkeiten. Die Predigt des Petrus in Apostelgeschichte 2 ist ein Beweis davon. Er sagt dem Volk Israel, dass sie Ihn „durch die Hand von Gesetzlosen umgebracht“ hätten, dass Gott Ihn aber auferweckt und Ihn sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht habe. Die Belehrung von Paulus in Philipper 2, neben anderen Schriften, bezeugt dasselbe. In dieser Stellung antwortet der gelobte Herr auf die Herausforderung der Juden und beweist Seinen Anspruch auf die höchsten Ämter und auf die Ausübung königlicher und priesterlicher Autorität mit Seinem Tod und Seiner Auferstehung. Weil Er sich selbst erniedrigte, hat Gott Ihm einen Namen gegeben, der über jeden Namen ist. Der Sohn Davids wurde aus den Toten auferweckt nach dem Evangelium des Paulus (2Tim 2,8). Jesu Krone beruhte auf Seinem Kreuz sichtbar für die ganze Welt, die jüdische, griechische und lateinische (Lk 23,38). Alle diese Zeugnisse bringen somit zum Ausdruck, wie es Jesus selbst hier tut, dass Seine Leiden zu Seinen Herrlichkeiten führen (1Pet 1,11), und dass Sein Anspruch auf Tod und Auferstehung gegründet ist.
Auf diese Weise wird also die Freude des Reiches offenbart und sowohl die Macht dieses Reiches als auch der Anspruch des Herrn darauf dargestellt und begründet. Nun, zu seiner Zeit entsteht die Frage nach dem Anrecht anderer, mit Ihm in dasselbe Reich einzugehen, und diese Frage wir jetzt hier erörtert (Joh 2,23 - 3,21).
Diese heilige und ernste Angelegenheit berührt uns alle sehr. Der Mensch ist ein Geschöpf, dem der Herr, der Schöpfer, nicht vertrauen kann. Adams Ungehorsam und Auflehnung gegen Gott machten ihn vertrauensunwürdig. Der Mensch tat alles, was er konnte, um Gottes Herrlichkeit in die Hand eines anderen zu verkaufen. Die Einführung des Gesetzes hatte bewiesen, dass er des Vertrauens noch immer unwürdig war, und der Herr selbst bestätigte diese Tatsache: „Jesus selbst aber vertraute sich ihnen nicht an, weil er alle kannte.“ Er wusste, was in dem Menschen war, und Er konnte nichts Vertrauenswürdiges in ihm finden. Welch ein Urteil! Ja, mehr noch als das!
Der Mensch, wie er ist, kann niemals so verbessert werden, dass Gott ihm wieder vertrauen könnte. Die menschlichen Gefühle mögen angerührt, das Verständnis belehrt und das Gewissen überführt sein; dennoch kann Gott dem Menschen nicht vertrauen. Deshalb lesen wir, dass „viele an seinen Namen glaubten, als sie seine Zeichen sahen, die er tat. Jesus selbst aber vertraute sich ihnen nicht an“. Der Mensch zeigte sich von seiner besten Seite, er war bewegt von dem, was Jesus tat. Aber doch konnte ihm der Herr kein Vertrauen schenken. Deshalb heißt es nun: „Ihr müsst von neuem geboren werden.“
7 Im Matthäusevangelium, wo der Herr wegen Seines Anspruchs auf die gleiche Autorität angegriffen wird, bezieht Er sich auf den Dienst Johannes‘ des Täufers und nicht, wie hier, auf Seinen Tod und Seine Auferstehung (Mt 21,23-32). Dies kennzeichnet den Unterschied der beiden Evangelien. Denn der Dienst Johannes‘ des Täufers war der Beweis Seiner Autorität gegenüber den Juden, Tod und Auferstehung bestätigen sie jeder Kreatur.↩︎