Behandelter Abschnitt Neh 6
In Kapitel 6 ist Nehemia wieder im Kampf. Aber diesmal ist es ein persönlicher Kampf, den er allein auszufechten hat. Er führt hier nicht, wie in Kapitel 4, den Feldherrnstab, indem er seinen Leuten in die eine Hand das Schwert und in die andere die Kelle gibt, sondern er kämpft eigenhändig, Stirn gegen Stirn gegen die Ränke seiner Feinde. Auch sehen wir ihn in diesem Kapitel durch verschiedene Versuchungen hindurchgehen. Aber durchweg erscheint er als ein aufrichtiger Mann, dessen „ganzer Leib“ deswegen „licht“ ist. Er deckt die Listen des Feindes auf und ist in Sicherheit. Daneben finden wir jedoch noch gewisse besondere Sicherheiten, deren kurze Betrachtung uns nur nützlich sein kann.
Erstens beruft er sich seinen Feinden gegenüber auf die Wichtigkeit des Werkes, an dessen Vollendung er arbeitete (V. 3).
Zweitens stellt er ihnen die Bedeutung seiner eigenen Person vor (Neh 6,11).
Das sind für jeden Heiligen Gottes schöne, brauchbare Beweisgründe angesichts des Versuchers. Ich glaube, dass wir den Herrn selbst sie benutzen sehen und dass Er uns lehrt, dasselbe zu tun. In Markus 3 kommen seine Mutter und seine Brüder zu Ihm, anscheinend in der Absicht, Ihn von dem zurückzuhalten, was Er für sie tat. Sie machen es geradeso, wie hier die Feinde Nehemias. Aber der Herr weist, angesichts dieser Absicht oder in Beantwortung der Ansprüche, die Fleisch und Blut an Ihn stellten, auf die Wichtigkeit des Werkes hin, das Er damals vollführte. Er war beschäftigt, seine Jünger und die Menge zu belehren, indem Er ihnen das Licht, die Wahrheit und das Wort Gottes mitteilte. Und das gesegnete Ergebnis eines solchen Werkes überstieg nach seinen eigenen Worten weit den Wert aller fleischlichen Verbindungen mit Ihm. Die Ansprüche des Wortes Gottes, das Er in jenem Augenblick verkündigte, hatten viel größeres Gewicht als die der Natur.
In gleicher Weise führt der Herr seine Jünger in die Erkenntnis der Würde ihres Dienstes ein. Er fordert sie auf, „niemand auf dem Weg zu grüßen“, wenn sie im Dienst seien, und sich durch nichts aufhalten zu lassen – weder durch ein Abschiednehmen von den Ihrigen, noch selbst durch die Teilnahme an dem Begräbnis eines Vaters (vgl. Lk 10,4; 9,59.61).
In Lukas 13,31ff versuchen dann die Pharisäer, den Herrn in Menschenfurcht zu versetzen, geradeso wie Schemaja es in unserem Kapitel mit Nehemia zu tun sucht (V. 10). In dem Bewusstsein der Würde seiner Person lässt der Herr die Pharisäer dann aber wissen, dass Er allein das Verfügungsrecht über sich hatte, dass Er so lange wandeln konnte, wie es Ihm gefiel, und seine Reise beenden konnte, wann Er wollte – dass also die Pläne des Herodes eitel waren, es sei denn, dass Er selbst ihnen erlaubte, ihren Lauf zu nehmen. Ähnlich ist es in Johannes 11. Hier waren es die Jünger, die Ihn hindern wollten, nach Judäa zu gehen, wo noch kurz vorher sein Leben in Gefahr war. Hier zeigt Er sich wieder in gleicher Weise als Der, der Er war, offenbart seine persönliche Würde und antwortet ihnen gleichsam von dieser Höhe herab (vgl. V. 9–11).
In 1. Korinther 6 ist es die Absicht des Heiligen Geistes, den Heiligen durch den Apostel Mut und Kraft einzuflößen, indem Er sie an den erhabenen Platz, an die Ehrenstellung erinnert, die ihr Teil war. „Wisst ihr nicht“, schreibt Paulus dort, „dass wir Engel richten werden?“ (V. 3) und „dass ihr nicht euer selbst seid? Denn ihr seid um einen Preis erkauft worden“ (V. 19.20). „Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist?“ (V. 19).
In allem diesem gibt es große Schönheiten. Fürwahr, es sind Kriegswaffen, Waffen, aus göttlichem, himmlischem Metall geschmiedet. Mit ihnen Siege zu erringen, das ist tatsächlich christlicher Kampf. Den Versuchungen wird begegnet und dadurch widerstanden, dass die Seele das Gefühl in sich trägt von der Wichtigkeit des Werkes, zu dem Gott uns gesetzt, und von der persönlichen Würde, zu der Er uns erhoben hat. O möchten wir diese Waffen nicht nur bewundern, sondern auch nehmen und benutzen, wie sie da vor unseren Augen in Gottes Rüstkammer hängen! Man kann so leicht die Tauglichkeit eines Werkzeuges für die zugedachte Arbeit betrachten und anerkennen, und doch dabei schwach und ungeschickt bleiben, es zu benutzen und durch dasselbe jene bestimmte Arbeit zu verrichten.
In Bezug auf Nehemia, diesen treuen Knecht Gottes, möchte ich noch kurz den Gedanken eines Freundes wiedergeben. Er machte darauf aufmerksam, dass, obwohl das nach Nehemia benannte Buch von ihm selbst geschrieben ist und ein Stück Selbstbiographie darstellt, er uns doch mit sich selbst nicht weiter bekannt macht, als es notwendigerweise aus seiner Verbindung mit dem Volk Gottes und seinem Dienst in dessen Mitte hervorgeht. Von seinem Familienleben oder von seinen häuslichen Verhältnissen hört man nichts – ebenso wenig von seinem Alter oder von seinem Geburtsort, so dass man wohl sagen kann, er habe sich selbst nicht nach dem Fleisch gekannt.