Behandelter Abschnitt Heb 6,1-3
Auf dem Weg zum vollen Wuchs (V. 1-3)
Heb 6,1-3: 1 Deshalb, das Wort von dem Anfang des Christus verlassend, lasst uns fortfahren zum vollen Wuchs und nicht wiederum einen Grund legen mit der Buße von toten Werken und mit dem Glauben an Gott, 2 der Lehre von Waschungen und dem Hände-Auflegen und der Toten-Auferstehung und dem ewigen Gericht. 3 Und dies werden wir tun, sofern Gott es erlaubt.
Nachdem der Schreiber die Gefahr geistlichen Rückschritts angesprochen hat, ermahnt er die Hebräer nun, dass sie „zum vollen Wuchs fortfahren“ sollten. Das hier mit „vollem Wuchs [Vollkommenheit]“ (teleiotes) übersetzte Wort ist im griechischen Text dasselbe Grundwort, das in Hebräer 5,14 für „Erwachsene“ (teleios) verwendet wird. Indem er sie ermahnte, zur Vollkommenheit fortzuschreiten, bezog er sich also darauf, dass sie sich in der „festen Speise“ der christlichen Offenbarung der Wahrheit befestigen sollten. Diese ist, wie wir festgestellt haben, in den Briefen zu finden – besonders in den Briefen des Paulus.
Gleichzeitig suchte er sie daran zu hindern, zu der alttestamentlichen Stellung im Judentum zurückzukehren, von der sie gekommen waren. Sie sollten „fortfahren“ von den Grundsätzen des Königreichs, die der Herr in seinem irdischen Dienst gelehrt hatte – von „dem Wort von dem Anfang des Christus“ –, bis hin zum „vollen Wuchs“ im Christentum. Diese hebräischen Gläubigen befanden sich sozusagen auf einer Brücke, die sich vom Judentum zum Christentum erstreckte. Sie mussten diese Brücke verlassen, nicht indem sie zum alttestamentlichen System des Judentums zurückkehrten, sondern indem sie zur vollen Offenbarung im Christentum voranschritten. Wenn sie dort auf der Brücke irgendwo zwischen Judentum und Christentum stehenblieben, würde dies ihr geistliches Wachstum behindern und sie würden Unmündige (babes) bleiben. Die große Gefahr der geistlichen Unreife besteht darin, dass jemand in diesem Zustand dazu neigt, bestimmte Aspekte der Wahrheit falsch zu verstehen, und sie dann ablehnt, weil er denkt, es handle sich um einen Irrtum. Das zeigt, dass es negative Folgen hat, in der Wahrheit stehenzubleiben. Es ist in Ordnung, als Neubekehrter ein Kleinkind zu sein, das heißt ein „Unmündiger“ in geistlichen Dingen, aber es ist nicht Gottes Wille, dass wir in diesem Zustand bleiben (Eph 4,14).
Wenn er sagt: „das Wort vom Anfang des Christus verlassend“, meinte er damit nicht, dass sie die Lehren, die Christus während seines irdischen Dienstes gelehrt hatte, aufgeben sollten; auch meinte er nicht, dass wir die grundlegenden Wahrheiten des Christentums für „die Tiefen Gottes“ aufgeben sollten (1Kor 2,10). Gott würde uns niemals dazu ermuntern, die Lehren Christi aufzugeben, noch, die Grundlagen des Christentums aufzugeben. Der Gedanke des „Verlassens“ bedeutet hier, weiter voranzuschreiten in der Wahrheit, die sie durch den Dienst Christi empfangen hatten.
Sechs Dinge, die das alttestamentliche Judentum charakterisieren (V. 1-3)
Er erwähnt sechs Dinge, die das alttestamentliche Judentum kennzeichneten und zu denen sie nicht zurückkehren sollten, weil diese durch die zukünftigen „Güter“ ersetzt worden waren, die durch den Tod und die Auferstehung Christi begonnen hatten (Heb 9,11; 10,1). Er sagt, sie sollten „nicht wiederum einen Grund legen“ … „mit der Buße von toten Werken“ (Heb 6,1)
Dies ist ein Hinweis auf das, was die Kinder Israel am Versöhnungstag taten, indem sie in Buße „ihre Seelen kasteiten“ (3Mo 16,29). Er nennt dies „tote Werke“, weil die Sündenfrage für die Gläubigen erst im vollbrachten Werk Christi am Kreuz ein für alle Mal geklärt worden ist. Die Sünden des Christen sind für immer weggenommen; sie werden nicht lediglich für ein weiteres Jahr bedeckt wie im alttestamentlichen Ritual am Versöhnungstag. Daher besteht jetzt keine Notwendigkeit mehr für diese Praxis. „mit dem Glauben an Gott“ (Heb 6,1)
Dies bezieht sich auf das rechtgläubige jüdische Verständnis von Gott als dem „einen HERRN“ (5Mo 6,4). Dies war der Glaube an Gott, ohne dass die drei Personen der Gottheit (der Dreieinheit) gekannt und unterschieden wurden, denn diese Wahrheit war zu alttestamentlichen Zeiten noch nicht ans Licht gekommen. Für eine solche Offenbarung musste Christus in die Welt kommen, um den Vater zu verkünden (Mt 11,27; Joh 1,18). Wenn sie nun zu der unvollständigen Offenbarung Gottes zurückkehrten, die die alttestamentlichen Heiligen hatten, bedeutete dies, das Licht, das wir jetzt im Christentum haben, zu missachten und es im Wesentlichen als falsch zu bezeichnen. „mit der Lehre der Waschungen“ (Heb 6,2)
Dies bezieht sich auf die zeremoniellen Waschungen, die das Judentum kennzeichneten. Sie symbolisierten die Heiligkeit, die nötig war, um sich Gott in Anbetung zu nahen. All diese äußerlichen Reinigungen sind im Christentum nicht notwendig, weil wir durch das vollendete Werk Christi „geheiligt“ geworden sind (1Kor 6,11; Eph 1,4; Kol 1,22; Heb 3,1). „mit dem Hände-Auflegen“ (Heb 6,2)
Dies bezieht sich auf das Ritual, das mit den jüdischen Opfergaben verbunden war (3Mo 1,4; 3,2; 4,4; 16,21 usw.). Diese Praxis bedeutete, dass der Opfernde sich mit dem Opfer, das er am Altar darbrachte, identifizierte. Da jedoch das eine Opfer Christi die Erfüllung dieser jüdischen Opfergaben ist, brauchen sie nicht mehr dargebracht zu werden, und daher ist auch diese Praxis nicht erforderlich (Sie bezieht sich nicht auf das Handauflegen in der frühen Kirche, wie es in Apostelgeschichte 6,6; 8,17; 9,17 usw. berichtet wird.). „mit der Toten-Auferstehung“ (Heb 6,2)
Dies bezieht sich auf das begrenzte Verständnis, das die Heiligen in alttestamentlicher Zeit von der Auferstehung hatten. Sie kannten eine Auferstehung nur in einem allgemeinen Sinn. Dies sehen wir in den Worten, die Martha in Johannes 11,24 an den Herrn richtete. Ihre Antwort wird als das rechtgläubige jüdische Verständnis der Auferstehung angesehen. Das Evangelium hat jedoch „Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht“ (2Tim 1,10), und wir wissen jetzt, dass es zwei Auferstehungen zwei völlig verschiedener Ordnungen gibt (Joh 5,28.29; Apg 24,15 usw.): Es wird eine Auferstehung der „Gerechten“ „aus den Toten“ geben, gefolgt von der Auferstehung der „Ungerechten“ – und zwischen diesen Auferstehungen liegen tausend Jahre [Off 20,11-15]. Wenn diese Hebräer zu dem begrenzten Verständnis der Auferstehung zurückkehrten, so wie die Heiligen des Alten Testamentes sie kannten, dann hieße das, dass sie sich von der Wahrheit abwendeten, die durch das Evangelium ans Licht gebracht worden war.
„mit dem ewigen Gericht“ (Heb 6,2)
Dies bezieht sich auf das jüdische Verständnis vom Gericht am letzten Tag (Hiob 19,25; Joh 11,24). Wiederum hat das Evangelium auch viele weitere Einzelheiten über das ewige Gericht ans Licht gebracht, wie sie im Neuen Testament zu finden sind, und deshalb können wir jetzt mit größerer Bestimmtheit darüber sprechen. Sich von dem abzuwenden, was im Christentum zu diesem Thema offenbart worden ist, bedeutet, diese höhere Offenbarung zu missachten.
Beachte: Der Schreiber fordert die Hebräer nicht auf, diese Dinge zu leugnen, denn sie waren allesamt wahr und von Gott gegeben. Er sagt ihnen, sie sollten weiter „fortfahren“ und die vollere Offenbarung der Wahrheit empfangen, die im Christentum ans Licht gekommen war. Wenn sie nun zu der begrenzten Offenbarung der Wahrheit zurückkehrten, so wie sie im Alten Testament zu diesen Themen zu finden ist, so bedeutete dies, zu bezweifeln, ob wir im Evangelium wirklich eine Offenbarung von Gott erhalten haben. Das ist Abfall vom Glauben. Daher rät er ihnen, nicht zurückzubleiben, sondern voranzugehen. Er fügt hinzu: „Dies werden wir tun, sofern Gott es erlaubt“ (Heb 6,3). Gott „will“ ja, dass alle Menschen „errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1Tim 2,4), aber oft geschieht dies nicht, weil die Menschen sich weigern, persönlichen Glauben zu üben und eifrig zu sein.