Lasst uns unsere Wege erforschen und prüfen
In den 66 Versen dieses Kapitels, die, wie bereits erwähnt, in einem dreifachen alphabetischen Akrostichon angeordnet sind, spricht Jere- mia für die Übriggebliebenen, schildert seine und ihre Bedrängnis, be- kundet aber einen unerschütterlichen Glauben an die Güte Gottes und ruft alle auf, ihre Wege zu untersuchen und zu prüfen und zu Ihm zu- rückzukehren. Er trägt die bitteren Leiden seines Volkes auf dem Her- zen, wie es auch der Herr Jesus tat, und schildert seine Schmerzen in einer Weise, die eindeutig auf die Äußerung des Geistes Christi hindeu- tet, der, wie wir in der Einleitung zu Kapitel 1 bemerkt haben, in all ih- rer Bedrängnis bedrängt war (Jes 63,9) und alles im Geist mit ihnen durchlebte. Jeremia kann hier fast als ein Vorbild des Herrn Jesus gese- hen werden; denn auch auf ihn kann, wie auf keinen anderen Prophe- ten, der Titel Der Mann der Schmerzen angewendet werden. Es sagt:
Ich bin der Mann, der Elend gesehen hat durch die Rute seines Grimmes (3,1).
Und er fährt fort zu berichten, wie er in die Finsternis und nicht ins Licht gebracht wurde: wie Gott sich gegen ihn wandte und seine Hand jeden Tag im Gericht über ihn hielt. Unter der Last des göttlichen Miss- fallens verließen ihn Kraft und Spannkraft, und seine Gebeine waren wie zerschlagen (V. 2–4). Es ist der Ausdruck eines Menschen, der sich, obwohl er Gott wohlgefällig war, voll und ganz mit den Nöten seines Volkes einsmachte.
Die Verse 5–17 setzen seine Wehklagen angesichts des schreckli- chen Unglücks fort, das über sie hereingebrochen war. Umgeben von Bitterkeit und Mühsal, an dunklen Orten wie in den Gräbern der Toten, umzäunt und beschwert mit einer schweren Kette, schrie und schrie er, nur um festzustellen, dass Gott sein Gebet nicht erhörte. Nichts könnte trauriger sein als der düstere Zustand, der sich vor seinem geistigen Auge abspielte. Der HERR hatte ihn offenbar vergessen oder war ihm sogar zum Feind geworden. Er hatte die Wege seines Dieners ver- schlossen, seine Pfade gekrümmt und war für ihn wie ein lauernder Bär oder ein Löwe, der auf Beute wartet. Der HERR hatte die Pfeile seines Köchers in die Nieren seines Knechtes eindringen lassen, ihn verwüstet und zur Zielscheibe für den Pfeil gemacht. So wurde er zum Gelächter seines ganzen Volkes und zu ihrem Saitenspiel den ganzen Tag. Wie sehr gleicht er darin dem, der zum Saitenspiel der Zecher wurde (Ps 69,13)! Er war voll Bitterkeit und trunken von Wermut, seine Zähne wa- ren zermalmt wie zerbrochene Kieselsteine, und er war niedergedrückt wie Asche. Seine Seele war weit vom Frieden verstoßen, so dass er das Gute vergessen hatte. Es ist ein trauriger Bericht über einen Menschen, der wegen seiner Sünde das Missfallen Gottes zu spüren bekam.