Behandelter Abschnitt Klgl 2,11-12
In tiefen Tönen des Wehklagens weint Jeremia:
Durch Tränen vergehen meine Augen, meine Eingeweide wallen, meine Le- ber hat sich zur Erde ergossen: wegen der Zertrümmerung der Tochter meines Volkes, weil Kind und Säugling auf den Straßen der Stadt ver- schmachten. Zu ihren Müttern sagen sie: „Wo ist Korn und Wein?“, wäh- rend sie wie tödlich Verwundete hinschmachten auf den Straßen der Stadt, indem ihre Seele sich in den Busen ihrer Mütter ergießt (2,11.12).
Nur in der Gemeinschaft mit Gott findet sein Volk Frieden und Über- fluss. Wenn es sich von Ihm entfernt, sind Unruhe und Hunger die Folge. Ist das nicht der Grund, warum es heute in den Versammlun- gen der Heiligen Gottes so viele ohnmächtige Säuglinge und ohn- mächtige Kinder gibt? Sicherlich ist es an der Zeit, unsere Wege zu überdenken und sich wieder dem HERRN zuzuwenden. Etwas ist grundlegend falsch, wenn die Versammlung der Gläubigen keine Kin- derstube ist, in der Säuglinge in Christus die nötige Nahrung und Hilfe für ihre Auferbauung und Festigung in den Dingen Gottes erhalten. Wenn dies nicht der Fall ist, deutet das auf einen gefallenen Zustand und ein gefallenes Zeugnis hin.
Zion war wie von den Wogen des Meeres überflutet worden, so dass es menschlich gesprochen keine Heilung ihrer Brüche gab (V. 13). Ihre Propheten hatten eitle und törichte Dinge für sie gesehen (wie im Fall von Hananja, der in Jeremia 28 erwähnt wird), die beruhigende Dinge prophezeiten, aber ihre Ungerechtigkeit nicht aufdeckten. Wah- ren Frieden konnte es nicht geben, solange die Sünde nicht verurteilt war (V. 14). So wurde Jerusalem zum Spielball der Vorübergehenden, die spöttisch fragten: „Ist das die Stadt, von der man sprach: Der Schönheit Vollendung, eine Freude der ganzen Erde?“ (V. 15). Diese beiden Titel werden in den Psalmen auf sie angewandt: der erste in Psalm 50,2, der zweite in Psalm 48,3.
Ihre Feinde freuten sich über ihren Untergang und rühmten sich, sie „verschlungen“ zu haben. Das hatten sie schon lange gewollt und schrieben es nun ihrer eigenen Stärke zu, da sie nichts von dem Streit des HERRN mit ihr wussten (V. 16). Es war nicht die Macht ihrer Waffen, die sie dazu gebracht hatte, über sie zu triumphieren. Ihr missachteter HERR hatte nur getan, was Er angekündigt hatte; Er hatte sein Wort er- füllt, das Er in den Tagen Moses gegeben hatte (V. 17). Deshalb wendet sich der Überrest an Ihn, schreit in der Bitterkeit seiner Seele zu Ihm und gönnt sich weder Tag noch Nacht Ruhe, sondern erhebt unaufhör- lich die Hände zu Ihm für das Leben seiner ohnmächtigen Kinder (V. 18.19). Das war so, wie es sein sollte, und sprach für eine Umkehr des Herzens zu ihrem Gott. Die letzten drei Verse (V. 20–22) bilden ein Ge- bet und schildern ihre bedauernswerte Lage „am Tag des Zorns des HERRN“. Er hatte gesagt: „... und rufe mich an am Tag der Bedrängnis: Ich will dich erretten, und du wirst mich verherrlichen!“ (Ps 50,15). Deshalb wenden sie sich an Ihn, beklagen ihr Elend, das Ergebnis ihrer eigenen bösen Taten, und bitten um seine Gunst. Sie werden noch er- fahren, dass sein Ohr nicht taub und sein Auge nicht blind für ihr Elend ist.