Walter Thomas Prideaux Wolston
Kommentar von Walter Thomas Prideaux Wolston
2Pet 1,5Kommentar zu 2. Petrus 1,5
Behandelter Abschnitt 2Pet 1,5-7
„So wendet ebendeshalb aber auch allen Fleiß an, und reicht in eurem Glauben die Tugend dar, in der Tugend aber die Erkenntnis, in der Erkenntnis aber die Enthaltsamkeit, in der Enthaltsamkeit aber das Ausharren, in dem Ausharren aber die Gottseligkeit, in der Gottseligkeit aber die Bruderliebe, in der Bruderliebe aber die Liebe“ (2Pet 1,5-7).
Der Apostel wendet sich jetzt in Vers 5 der praktischen Seite der Gläubigen zu. Nachdem er ihnen etwas zum Trost und zur Erfrischung ihrer Herzen gegeben hat, sagt er jetzt, dass das nicht alles ist, er lenkt den Blick auf ihren praktischen Zustand. „So wendet ebendeshalb aber auch allen Fleiß an und reicht in eurem Glauben die Tugend dar, in der Tugend aber die Erkenntnis.“ Er wusste, wie einfach es ist, träge zu werden, und so ermahnt er sie, allen Fleiß anzuwenden. Die Tugend ist die Energie und der Mut, die wohl weiß, bestimmte Dinge abzulehnen und bestimmte Dinge zu wählen, so wie Mose es tat, der sich „weigerte ein Sohn der Tochter des Pharao zu heißen und lieber wählte mit dem Volk Gottes Ungemach zu leiden, als den zeitlichen Genuss der Sünde zu haben“ (Heb 11,25). Und so lesen wir „reicht in eurem Glauben die Tugend dar“, d. h. nicht, dass wir zusätzlich Tugend brauchen, sondern dass unser Glaube dadurch charakterisiert sein soll. Wir haben den Glauben, der uns mit Gott verbindet, und wir glauben an etwas, wenngleich wir es auch nicht sehen. Doch jetzt müssen wir die Tugend in unserem Glaubensleben zeigen, d. h. diesen Mut, der „Nein“ sagt zu den tausend Dingen, die Tag für Tag aufkommen und dann auch unbeirrt weitergehen auf dem Weg, der noch vor uns liegt.
2Pet 1,5 sollte eigentlich heißen: „Aus diesem Grund wendet auch allen Fleiß an, in dem Glauben habt auch Tugend, in der Tugend Erkenntnis“ und so weiter. Alle diese genannten Eigenschaften dieser einen vollkommenen Sache, (nämlich des Glaubens, der ja zuerst genannt ist), zu haben, ist hier der Gedanke. Wir sind vollkommen, wenn es uns an keiner dieser Eigenschaften mangelt. Jemand mag uns einen Apfel zum Probieren geben, weil wir vielleicht gute Beurteiler des Apfelgeschmacks sind. Wir probieren ihn und sagen, dass er sehr gut sei, es ihm jedoch an Süßigkeit fehle. Und so sagen wir vielleicht von einem Gläubigen: „Er ist ein guter Christ, jedoch mangelt es ihm an Enthaltsamkeit.“ Wir sehen also in dieser Stelle, dass die göttliche Natur in allen ihren Eigenschaften in dem Christen zum Vorschein kommen soll.
Wir sind hier gelassen, um Christus darzustellen, um das widerzuspiegeln, was Er war. Wir könnten dies niemals tun, ohne dass wir Teilhaber der göttlichen Natur wären. Aus Gott geboren, empfangen wir Christus. Dann soll sich das Leben Christi zeigen, alle diese oben genannten Eigenschaften des neuen Lebens sollen sich zeigen, nicht ein Charakterzug Christi soll fehlen. Wir sollen ein Brief Christi sein, gekannt und gelesen von allen Menschen (2Kor 3,3). In unserem Glauben sollen wir Tugend usw. haben. Diese Eigenschaften sollen in uns Bestand haben. Es soll die ganze „Bandbreite“ vorhanden sein, nichts soll fehlen, alle diese Gnaden sollen vorhanden sein und sich zeigen. Sicherlich empfinden wir nun, wie wenig wir ein solches Leben bisher gelebt haben, ja dieses göttliche Leben wirklich leben.
Vielleicht kennen wir jemand, der diese Energie, jene Tugend hat, dabei aber z. B. ein wenig grob ist. Darum sagt Petrus, dass etwas anderes ebenfalls nötig sei, damit die Grobheit sich nicht zeigt. Wir sollen der Tugend Erkenntnis hinzufügen. Es ist eine Erkenntnis, die sich von Gott, von den Wegen und der Gesinnung Gottes ausgehend, zeigt, und die Gott wohlgefällig ist. Eine rein menschliche Erkenntnis bläht nur auf, dies hier aber ist eine Erkenntnis, die demütigt.
Ein Mensch, kann Gott nicht erkennen, ohne dass er in Gemeinschaft mit Ihm ist. Und jemand, der nahe bei Gott ist, wird stets liebevoll und zärtlich im Verhalten sein, obwohl er möglicherweise Energie zum Weitergehen hat. Wir benötigen unbedingt die Gnade des Herrn für die rechte Ausgewogenheit!
„In der Erkenntnis aber die Enthaltsamkeit.“ Es ist nicht nur eine äußerliche Selbstbeherrschung, sondern eine innerliche Pflege der Seele, die uns Tag für Tag Selbstbeherrschung gibt und uns unter Kontrolle hält. Eins ist klar: Wenn wir uns selbst nicht beherrschen können, können wir auch niemand anderes aufrecht oder in Ordnung erhalten. Die Enthaltsamkeit ist eine ruhige Ernsthaftigkeit des Geistes, die in allen Umständen dieselbe ist. Sie ist wie Christus: niemals missmutig gestimmt aufgrund von Versuchungen oder irgendetwas anderem, das uns reizt.
„In der Enthaltsamkeit aber das Ausharren.“ Die Enthaltsamkeit wird mich davor bewahren, etwas zu tun oder zu sagen, das einen anderen verletzen könnte, und Ausharren (oder Geduld) wird mich vor einer aufgebrachten Reaktion bewahren, wenn jemand anderes etwas tut oder sagt, das mich eventuell verletzen könnte. Die Enthaltsamkeit ist mehr aktiv, das Ausharren ist eher passiv. Wenn wir nicht erkennen, was das bedeutet, werden wir nicht begreifen, wie wir die Gesinnung Gottes verwirklichen können. Wenn wir keine Enthaltsamkeit haben, können wir sicher sein, dass wir jemand anderes verletzen, und wenn wir keine Geduld haben, werden wir verärgert sein durch das, was jemand anderes uns eventuell antut.
„In dem Ausharren aber die Gottseligkeit“ – d. h., Gott ähnlicher zu werden. Wenn wir so über diese Erde gehen und die göttliche Natur besitzen, sollen wir darauf achten, diese zu zeigen, sie darzustellen!
„Sage mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist.“ Wenn wir in Gemeinschaft mit Gott bleiben, werden wir eine gottähnliche Person sein, denn wir alle stellen dar, mit wem oder was wir Gemeinschaft pflegen. Es zeigt sich in tausend Einzelheiten des täglichen Lebens.
Als nächstes finden wir die Bruderliebe und die Liebe. Zwei Dinge, die ähnlich erscheinen mögen, aber doch unterschiedlich sind. Bruderliebe ist eine Sache, die rein menschlich sein, die vergehen und verschwinden kann, denn Bruderliebe ist möglicherweise nur an solche Menschen gerichtet, die liebenswert sind, ja sie kann parteiisch sein. Wenn wir aber die Liebe betrachten, so ist diese unparteiisch und unfehlbar – sie ist göttlich. „Die Liebe vergeht niemals.“ (1Kor 13,8). In 1. Korinther 13 finden wir acht Dinge, die die Liebe tut, und acht Dinge, die die Liebe nicht tut – und sie vergeht niemals. Es ist genau diese unvergängliche Liebe, die unsere Seelen bei dem Gang durch diese Welt, in der alles gegen uns ist, benötigen.
Angenommen, jemand weist mich zurück und empfindet meine Bemühungen nur als Einmischung oder Störung. Die Bruderliebe mag nun sagen: „Ich werde nicht mehr zu ihm gehen“, aber Liebe ist eine göttliche Sache und sagt: „Ich denke an den Segen, an das Gute in der Sache und an die Ehre Gottes in Verbindung damit, und so werde ich wieder hingehen und schauen, ob ich nicht vielleicht doch helfen kann.“
Die Liebe nimmt das Böse nicht leichtfertig hin, sondern sucht das wahrhaft Gute des Gegenübers.
Wir haben eine vollkommene Anleitung, anhand derer wir lernen können, ob wir die Kinder Gottes wirklich lieben, in 1Joh 5,2: „Hieran erkennen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten.“ Wenn wir den Vater lieben, dann lieben wir auch seine Kinder. Wenn wir Ihn selbst lieben, lieben wir auch sein Volk in derselben Weise. Wir werden den Segen des anderen suchen und stets versuchen, Gottes Gesinnung darin ähnlich zu sein. Wir sollen als solche handeln, die direkt von Gott ausgehen, abhängig von Ihm und gehorsam; wir wollen in Gnade hingehen und versuchen, einer Person zu helfen, wie auch immer ihr Zustand sein mag. Der Herr möge uns helfen, durch diese Worte einen Nutzen zu haben und danach zu streben, diese lieblichen, sittlichen Eigenschaften in unserem Glauben zu haben, denn es wird viele schöne Ergebnisse hervorbringen.
Wenn wir diese verschiedenen Eigenschaften nicht ausleben, können wir sicher sein, dass wir Rückschritte machen, denn es gibt keinen Stillstand im Glaubensleben. Wenn wir keine Fortschritte machen, machen wir Rückschritte. „Denn wer hat, dem wird gegeben werden. . . wer aber nicht hat, von dem wird selbst das was er hat, weggenommen werden“ (Mt 13,12). Wenn wir nicht diesen Wunsch haben, weiter mit dem Herrn voranzugehen, was dann? Dann gibt es nur ein Zurückkehren zu den Dingen, von denen uns der Herr zuvor weggerufen hatte. Der Herr möge uns den Fleiß ins Herz schenken, um diese Eigenschaften in unserem Glaubensleben zu zeigen und in der Erkenntnis seiner selbst zuzunehmen.