Behandelter Abschnitt Jes 51,1 - 52,12
Jesaja 51; 52,1-12
Das Kapitel 51 und die ersten zwölf Verse von Kapitel 52 umfassen ein
einziges Thema, das sich in sieben deutlich unterscheidbare Abschnitte
unterteilen lässt:
Der erste Aufruf beginnt mit den Worten: „Hört auf mich!“ Wie viele Male wurde er wiederholt und an das ungehorsame Volk gerichtet, aber ach, ohne Erfolg! Hier ertönt er für den treuen Überrest, der mit den folgenden Worten bezeichnet wird: „die ihr der Gerechtigkeit nachjagt, die ihr den Herrn sucht“. Gott möchte sie schrittweise zur vollen Erkenntnis seiner Gedanken führen. Man könnte glauben, dass Er jene, die sich mit ihren eigenen Lichtern verherrlichen und die am Ende des vorhergehenden Kapitels im Schein ihrer selbst angezündeten Brandpfeile wandeln, in der Dunkelheit und im Herzeleid lässt.
Gott offenbart sich nur denen, die Ihn suchen. Sie werden zwar in einer tiefen Bedrängnis sein, aber der Herr selbst wird sie trösten. Sie verwirklichen bereits die ersten Glückseligpreisungen von Matthäus 5: „Glückselig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden … Glückselig, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie werden gesättigt werden.“ Blickt hin auf Abraham, euren Vater, sagt Gott zu ihnen, und auf Sara, die euch geboren hat. Er wurde gesegnet und vermehrte sich. Wie er verlasst auch ihr euch auf Gottes Verheißungen, und bald werden Wonne und Freude mit Dankliedern und Gesang der Traurigkeit folgen.
Zweiter Aufruf (Jes 51,4-6): „Merkt auf mich, mein Volk, und meine Nation, horcht auf mich!“ In diesen Abschnitten anerkennt der Herr diesen Überrest als sein Eigentum. Tatsächlich wird er als das Volk Gottes angesehen werden. Der Herr möchte, dass diese Treuen sicher sind, dass sie Ihm angehören, auch wenn der Prophet Hosea einst das Wort „Lo-Ammi“ ausgesprochen hatte (Kapitel 1 und 2). Der Überrest ist sein volles Eigentum und der Herr hat für ihn ein Heil und eine Gerechtigkeit, die noch fortbestehen werden, wenn Himmel und Erde vergehen werden. Diese Gerechtigkeit wird auch für die Völker die gleiche sein (Jes 51,4).
Der dritte Aufruf (Jes 51,7.8) beginnt von neuem mit den Worten: „Hört auf mich!“ Er richtet sich an einen treuen Überrest, der wie folgt umschrieben wird: „die ihr Gerechtigkeit kennt, du Volk, in dessen Herzen mein Gesetz ist“. Wenn man sich in einer Umgebung befindet, wo der Eigenwille des Menschen wirksam ist, setzt man sich unweigerlich der Schande und den Leiden aus, wenn man in der Gerechtigkeit wandelt. Ein weiteres Mal spricht der Herr ihnen Mut zu. Fürchtet nicht die Menschen, die veralten werden wie ein Kleid, das die Motte verzehrt. Es ist der große Gott, der Schöpfer der Himmel und der Erde, der diese Feinde richten und euch befreien wird.
Der vierte Aufruf (Jes 51,9-16) ist das erste „Wache auf!“. Er richtet sich an den Arm des Herrn. Wie in den Tagen der Vorzeit, bei den Geschlechtern vergangener Zeitalter, ist es der Geist des Herrn, der ihn auf die Lippen des Überrests legt. Er richtet sich an die Macht Dessen, der sein Volk einst mit starker Hand und ausgestrecktem Arm aus Ägypten errettet hat. Um für den Durchzug seiner Erlösten einen Weg zu ebnen, trocknete Er die Tiefen des Meeres aus. „Wache auf, kleide dich in Macht, du Arm des Herrn!“, um auch uns zu befreien.
In Vers 11 verkündet ihr Glaube ihre Befreiung im Voraus. Sie denken bereits an die Zeit, da ewige Freude auf ihrem Haupt sein wird, wenn sie zurückkehren und nach Zion kommen werden.
Von Vers 12 an ist es der Herr selbst, der auf ihren Ruf antwortet: „Wer bist du, dass du dich „vor dem Menschen fürchtest, der hinstirbt …, und dass du den Herrn vergissest, der dich gemacht, der die Himmel ausgespannt und die Erde gegründet hat?“ Ihr seid in Fesseln gekrümmt, doch bald werdet ihr losgelassen werden. Seid ihr nicht mein Volk?
Der fünfte Aufruf gleicht dem vierten, aber er richtet sich an Jerusalem: „Erwache!“ Die Stadt wird aufgefordert, aus ihrem Schlaf zu erwachen. Es ist in diesem Fall nicht mehr der Arm des Herrn, der es vollbringen muss. Er ist da, um sein Volk zu befreien. Sein Heil ist nahe gekommen. Die geliebte Stadt muss aus einer langen Betäubung herauskommen. Sie befand sich unter der Hand des Herrn, der sie den Becher seines Grimmes trinken ließ, und sie war betrunken, aber nicht von Wein. Die Völker bedrückten sie und behandelten sie wie „eine Straße für die darüber Schreitenden“ und schritten erbarmungslos über ihren Rücken hinweg. Erwache! Du wirst von jetzt an den Taumelbecher nicht mehr trinken. Ich werde ihn in die Hand derer geben, die dich bedrängen. Der Herr, dein Gott, wird die Rechtssache seines Volkes führen.
Der sechste Aufruf ergeht an Zion (Jes 52,1-10). Das erste „Wache auf“ war an den Arm des Herrn gerichtet, der darauf antwortete und seine Macht zeigte. Nun wird Zion aufgefordert, zu erwachen und sich mit Macht und Pracht zu bekleiden. Die heilige Stadt wurde von den Unbeschnittenen, die von nun an nie mehr in sie eintreten werden, mit Füßen getreten. Das Volk wird nie mehr etwas mit Ägypten zu tun haben, wohin es einst hinabgezogen ist, und auch nicht mit dem Assyrer, der es nach Babylon, dem Ort seiner Unterdrückung, weggeführt hat.
So wird es den Namen des Herrn kennenlernen, Ihn selbst, der sagt: „Hier bin ich!“ Der Bote des Friedens bringt frohe Botschaft. Es ist der Messias, der kommt und die Worte „Hier hin ich!“ spricht. Er bringt frohe Botschaft von Gutem und Heil. Er sagt zu Zion: „Dein Gott herrscht als König!“ Es ist die Verwirklichung dessen, was im vierten Buch der Psalmen oft wiederholt wird: „Der Herr regiert.“ Die Wächter müssen nicht mehr wachen, wie sie es während der langen, dunklen Nacht, die dem herrlichen Tag des Messias vorausging, getan haben. Ihre Stimmen jauchzen freudig. Glückliche Knechte! Nachdem sie während der Zeit des Leidens treu waren, genießen sie jetzt eine ungetrübte Freude. Wer von uns sehnte sich nicht nach einer solchen Freude? Der Tag ist nahe gekommen, die Nacht wird bald zu Ende sein.
Der siebte Aufruf (Jes 52,11.12) richtet sich schließlich an den treuen Überrest, der sich aus allen jenen zusammensetzt, die aus den Orten, wohin sie zerstreut worden waren, zurückgeführt worden sind. Der Ausdruck „die ihr die Geräte des Herrn tragt“ ist zweifellos eine Anspielung auf jene, die anlässlich des Aufrufs von Kores aus Babel nach Jerusalem zurückkehrten. Sie brachten die Geräte des Heiligtums mit sich. Aber in diesem Abschnitt haben wir den Hinweis auf eine größere Befreiung als die Befreiung aus Babel. Die gottesfürchtigen Juden werden am Ende der Zeit aus allen Orten kommen, wohin sie zerstreut worden sind, um in das verheißene Land zurückzukehren.
Dies wird ein noch wunderbarerer Aufbruch sein als jener aus Ägypten, das sie in Eile verließen. Hier werden sie nicht wie Fliehende davongehen, sondern der Herr wird vor ihnen herziehen und der Gott Israels ihre Nachhut sein. Denen, die so nach Jerusalem kommen, um dem Herrn dort zu dienen, geziemt Heiligkeit. Alles in ihrer Handlungsweise muss im Gegensatz zu den gottlosen Orten stehen, die sie verlassen haben, und in vollkommener Übereinstimmung mit der Heiligkeit Gottes stehen, der sie so befreit hat.