Behandelter Abschnitt Jes 49
Sechster Abschnitt: Jesaja 49-57
Jesaja 49
Mit diesem Kapitel beginnt der sechste große Abschnitt des Buches. Die vorhergehenden Kapitel waren, wie wir feststellen konnten, eine Anklagerede des Herrn gegen sein Volk wegen seines abscheulichen Götzendienstes. Wir sehen, dass sich Israel in seiner Torheit vom einzig wahren Gott, mit dem es in Verbindung war, abgewandt hat, und dies, um Götzen zu dienen, die keine Götter sind. Es sind nichtige Täuschungen, Betrügereien, hinter denen sich Dämonen verstecken.
Anderseits erstrahlt die Gnade und Barmherzigkeit Gottes auf diesen Seiten in unvergleichlichem Glanz. Gott ist größer als der Mensch. Wenn dieser groß ist in seiner Torheit, so ist Er noch größer in seinem Erbarmen und seiner Gnade gegen seine Auserwählten. Ihr Elend ist für Ihn eine Gelegenheit, alles zu offenbaren, was Er für sie in seinem Herzen hat.
Die Kapitel 49 bis 57 zeigen uns ein noch leidvolleres Thema als das zuvor behandelte: die Verwerfung des Messias, der in Gnade und Güte zu den Seinen gekommen ist. Das Volk hat Ihn verachtet und verworfen. Wir finden hier eine erschreckende Feststellung von der Bosheit des menschlichen Herzens. Der Mensch ist der Feind Gottes, auch wenn sich dieser in Gnade offenbart. In seiner Treue wird der Herr dem Volk sowohl sein Vergehen kundtun: die Verwerfung des Messias als auch die Vorzüglichkeit dieser Person aufzeigen, denn Er war der Knecht, der weise handelte und Gott vollkommen verherrlichte. Dies ist es, was dem Thema, mit dem wir uns beschäftigen, einen ganz besonderen Wert gibt. Wir haben hier das Evangelium, wie es verkündet werden konnte, bevor sich der vollkommene Diener als Mensch offenbarte. Möge der Heilige Geist uns in dieser Betrachtung leiten, damit wir Jesus darin sehen.
Dieses Kapitel 49 ist wie der Umriss oder Entwurf des ganzen Bildes, das Gott nun vor unseren Augen entstehen lässt. Wir sehen darin die großen Linien seiner Wege mit seinem Volk, beginnend mit der Geburt Jesu bis zum Tag seines Triumphs am Ende der Zeiten. Es erübrigt sich, zu sagen, dass wir hier nicht die Versammlung finden, denn sie war noch „das Geheimnis, das von den Zeitaltern her in Gott verborgen war“ und das vor der Verwerfung des Messias nicht offenbart werden konnte. Seine Versammlung ist noch in Christus selbst.
Der erste Vers ist eine Aufforderung zum Hören, die sich nicht nur an Israel richtet, sondern auch an die Gegenden des Meeres und die Völkerschaften in der Ferne. Hier wendet sich Gott also an alle Menschen, denn Er wird vom Erretter sprechen.
Vor seiner Geburt wurde sein Name vom Engel Gabriel genannt: Jesus! Ein großer und kostbarer Name! Für das Herz des Erlösten ist es lieblich, diesen Namen schon im Alten Testament vorauszusehen. Als ein treuer Knecht war Jesus Dem gehorsam, der Ihn gesandt hatte. Gott trug Ihm auf, was Er sagen und wie Er reden sollte. „Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben“ (Joh 17,8). Es sind kraftvolle Worte, die in die härtesten Herzen und Gewissen eindringen. Aber sie durchbohren sie nicht, um den Tod zu bringen wie die Waffen der Menschen, sondern um darin Leben, ewiges Leben, hervorzubringen. Er war der wahre Israel und der Weinstock, der allein Frucht für Gott getragen hat, der wahre Knecht, der Gott verherrlicht hat. Er hat mit Mühe gearbeitet und wie ein Tagelöhner seinen Tag beschlossen. Ein einziges Mal sehen wir Ihn, wie Er sich einen Augenblick Ruhe gönnt, als Er auf einem Schiff schläft, das auf einem stürmischen See hin und her geworfen wird. Es ist eine Ruhe von kurzer Dauer, die zudem durch die Torheit der Jünger gestört wird. „Umsonst habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft verzehrt“, sagt Er. Wegen seines Unglaubens wurde Israel nicht gesammelt. Dafür ist Er zum Licht für die Nationen und das Heil Gottes bis an das Ende der Erde geworden. Er wurde von seinem Volk verworfen, aber sein Evangelium ist der ganzen Schöpfung, die unter dem Himmel ist, gepredigt worden. Eine wunderbare Zeit der Gnade, die heute noch andauert, aber bald zu Ende gehen wird! Israel wollte dieses Heil nicht; also hat es sich über die Nationen ausgebreitet. Dies ändert jedoch nichts an den Ratschlüssen Gottes gegenüber seinem Volk, denn es ist geliebt wegen seiner Väter.
Das zu seinem Heil notwendige Werk wurde am Kreuz vollbracht, und bald wird sich Der, der Israel erkauft hat, sein Erlöser, der von jedermann Verachtete und der Abscheu der Nation, mit seinem Volk beschäftigen. Er wird zu den Gefangenen sagen: „Geht hinaus!“, und zu denen, die in Finsternis sind: „Kommt ans Licht!“ Sie werden sogar aus dem weit entfernten China kommen, und so werden sie schließlich in Zion versammelt sein. Die Himmel werden jubeln, die Erde wird frohlocken, und die Berge werden in Jubel ausbrechen. Der Herr wird sein Volk trösten und sich über die Elenden erbarmen.
Die Zeit des Wartens war lang, und die Auserwählten konnten sich fragen, ob Gott seine Verheißungen in Treue erfüllen werde. Könnte Er Zion vergessen? Nein, das ist nicht möglich, die Malzeichen in seinen Händen erinnern Ihn beständig an das, was Er gelitten hat, um sein geliebtes Volk zu erlösen. Bald werden die Kinder Zions zu dem Ort eilen, nach dem sich ihr Herz während langen Jahrhunderten gesehnt hat. Aber woher kommen denn alle diese Kinder, die zur geliebten Stadt eilen? Das Land wird zu eng, um sie alle aufzunehmen. Es ist der Herr selbst, der sein Panier zu den Völkern hin aufrichten wird, und sie werden seine Kinder herbeibringen.
Wir finden hier nicht nur die Juden, sondern auch die zehn Stämme, ganz Israel, am Tag, da es versammelt wird. Die Nationen werden ihre Knechte werden; sogar ihre Könige werden sich mit dem Gesicht zur Erde vor Zion niederwerfen. Alle, die dies verweigern, werden das Gericht dafür tragen, indem sie vernichtet werden. Alles Fleisch wird erkennen, dass Er der Retter, der Erlöser, der Mächtige Israels, ist.