Behandelter Abschnitt Jes 22
Jesaja 22
Der vor uns liegende Ausspruch betrifft Jerusalem. Wie Babel im vorhergehenden Abschnitt wird diese Stadt mit einem rätselhaften Namen genannt: „Das Tal der Gesichte.“ Weshalb dieser Name? „Was ist dir denn, dass du insgesamt auf die Dächer gestiegen bist? O getümmelvolle, lärmende Stadt, du frohlockende Stadt.“ Alle Bewohner sind auf die Dächer gestiegen und beobachten, was kommen wird. Sie erwarten traurige Dinge. Sie haben das Gefühl, dass alles erschüttert ist und schreckliche Ereignisse sich abspielen werden. Alle suchen eingehend den Horizont ab und fragen sich, wer ihnen die Zukunft enthüllen könnte. Zu andern Zeiten verachtete Jerusalem die Gesichte der Propheten, die der Herr dieser Stadt geschickt hatte, um sie zu warnen, und nun kommen Visionen des Schreckens über sie.
Daher können wir verstehen, weshalb Jerusalem hier das „Tal der Gesichte“ genannt wird. Das Tal ist der Ort der Leiden, der Tränen und des Todes. Und was für ein Gesicht sah diese Stadt in jenem Schreckensmoment! Jerusalem ist eingenommen. Außerhalb der Stadt gibt es keine Kämpfe. Seine Bewohner sind in ihrer Mitte gefangengenommen oder getötet worden. Gott hat die Bestrafung der Schuldigen in dieser Stadt, wohin Er seinen Namen gesetzt hatte, angeordnet. Niemand kann die Werkzeuge, die seine Hand gebraucht, daran hindern, das von Ihm beschlossene Werk der Zerstörung auszuführen. Der Prophet weint bitterlich beim Anschauen des Zusammenbruchs der Tochter seines Volkes. Weinen nicht auch wir, wenn wir den Verfall betrachten, in dem sich die Christenheit heute befindet, und die Gerichte sehen, die über sie kommen werden?
Dieser Ausspruch gibt uns auch eine weitere Belehrung. Möchten wird doch Nutzen daraus ziehen. Die Bewohner des belagerten Jerusalem schauen nicht zu Dem auf, der das Gericht gesandt hat. Sie nehmen nur die menschlichen Hilfsquellen in Anspruch und denken, dass sie daraus einen Nutzen für ihre Befreiung ziehen können. Ihre Augen wenden sich zum Waldhaus (Zeughaus) und den Waffen, die sich darin befinden. Sie brechen die Häuser der Stadt ab, um die zahlreichen Risse in der Mauer auszubessern, machen Behälter, um das Wasser zu sammeln, und vergessen, auf den Herrn zu schauen. Er allein könnte für diese Stadt wie eine Mauer aus Feuer rundherum sein, und seine Diener – die Engel – würden in einem Augenblick alle ihre Feinde völlig vernichten.
Was wir hier vor uns haben, kann in der Vergangenheit eine teilweise Erfüllung gefunden haben; aber so wie in der ganzen Prophetie lenkt der Heilige Geist unsere Blicke auf die Zukunft, auf die Endzeit. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels haben wir in der Person Schebnas, des untreuen Verwalters, der abgesetzt und durch Eljakim, den treuen Diener, ersetzt wurde, ein Bild des Antichristen, der gestürzt und dem Messias Platz machen wird. Dieser wird für die Bewohner von Jerusalem und für das Haus Juda wie ein Vater sein. Mit wenigen Worten lässt der Heilige Geist zahlreiche Herrlichkeiten seiner Person vor unseren Augen aufleuchten und gibt uns einen kurzen Überblick des Segens, der seine Herrschaft kennzeichnen wird. Welch ein auffallender Gegensatz zu jenem Menschen, der bei der Ankunft des Christus gestürzt und alle, die sich auf ihn verlassen haben, in seinem Fall mitreißen wird.
Beide werden zwar als „ein Pflock an einem festen Ort“ genannt. Aber welche Standfestigkeit findet sich beim ersten, dem Messias, und welch ein Zusammenbruch beim zweiten, dem Antichristen!